Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Beurteilung von Vergütungen für die Besorgung von im Ausland abgewickelten Warentermingeschäften

 

Leitsatz (NV)

1. Wer für private Anleger im Erhebungsgebiet (Inland) Warenterminkontrakte besorgt, die an ausländischen Börsen gehandelt werden, und die Geschäfte durch einen im eigenen Namen tätigen, im Außgengebiet (Ausland) ansässigen Broker ausführen läßt, kann im Einzelfall eine Besorgungsleistung bewirken.

2. Die Leistung des Besorgers ist aber nur dann einheitlich als Besorgungsleistung zu beurteilen, wenn nicht neben der eigentlichen Besorgung weitere Leistungen mit eigenem wirtschaftlichen Gewicht erbracht werden.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 11, § 3a Abs. 1, § 4 Nr. 5 Buchst. c

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Über das Vermögen der B-GmbH (B) wurde durch Beschluß des Amtsgerichts ... das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat das anhängige Verfahren aufgenommen.

Die B war in den Streitjahren im direkten Warentermingeschäft und in geringem Umfang im Geschäft mit Optionen auf Warenterminkontrakte tätig. Durch Handelsvertreter ließ sie Kunden anwerben, die bereit waren, Gelder an der Londoner Börse oder anderen Börsen im Warentermingeschäft zu plazieren. Die Warentermingeschäfte wurden über die Broker Firma S abgewickelt. Nach einer angeblich nicht durchgeführten Vereinbarung zwischen S und B, die am 1. November 1980 in Kraft treten sollte, sollte B für die S als selbständige Handelsvertreterin i.S. von § 84 des Handelsgesetzbuches (HGB) tätig werden und Abschlüsse zwischen S und den Anlegern vermitteln. B hatte keine Abschlußvollmacht für S. B sollte mit den Anlegern einen Beratungsvertrag abschließen und sich bevollmächtigen lassen, deren Rechte aus dem Vertrag mit S wahrzunehmen. Die der B zustehende Provision sollte ausschließlich von den Anlegern getragen werden.

Die B erklärte Provisionserlöse, die nach ihrer damaligen Auffassung gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 steuerfrei sein sollten.

Der Umsatzsteuer-Sonderprüfer hielt die Provisionen für steuerpflichtig. Die B verlange vom Anleger für den Erwerb eines Warenterminkontrakts eine Bruttozahlung, die sich aus dem sog. Netto-Einschuß, der Broker-Commission und den Kosten für die Risikobegrenzung, Vertrieb und Verwaltung zusammensetze. Der Kostenanteil der B belaufe sich auf ca. 1/3 der Bruttoeinzahlung der Kunden. Dieses Drittel werde von der B als Vermittlungsprovision angesehen. Die von der B erbrachte Leistung (Aufschlag für Broker-Commission, Risikobegrenzung, Verwaltung und Vertrieb sowie Beratung und Betreuung) stelle eine einheitliche sonstige Leistung besonderer Art dar, die bezüglich der von ihr vereinnahmten Gebühren der Umsatzsteuer als steuerbare und steuerpflichtige Leistung unterliege.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schloß sich dieser Auffassung an. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA die erklärten Vorsteuerbeträge berücksichtigte.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 261 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und führt unter anderem aus:

In rechtlicher Hinsicht seien die Leistungen von Kapitalanlagefirmen im Bereich von Termingeschäften und Optionen als Leistungen besonderer Art zu beurteilen und bezüglich der von ihnen vereinnahmten Gebühren steuerbar und steuerpflichtig. B habe keine Besorgungsleistungen erbracht; vielmehr stelle sich ihre Tätigkeit als Eigengeschäft dar. Die von ihr erbrachte Leistung habe in der Veranstaltung eines Spiels mit Gewinnmöglichkeiten und in der Erbringung des damit einhergehenden Betreuungsaufwands sowie in der Risikoübernahme bei bestimmten Warentermingeschäften bestanden. B habe den Anlegern vermittels ihrer Organisation und ihrer Betriebsmittel sowie ihrer Geschäftskontakte die Möglichkeit verschafft, Spieleinnahmen zu erzielen.

Da B sonstige Leistungen für die Kapitalanleger im Inland erbracht habe, seien diese Leistungen steuerbar und mangels einer Befreiungsvorschrift auch steuerpflichtig.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er trägt vor:

1. Die ursprünglich von B vertretene Rechtsauffassung, sie seit für S als Handelsvertreterin tätig gewesen und habe insoweit offene Vermittlungsleistungen erbracht, die gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG 1980 umsatzsteuerbefreit gewesen seien, sei seit Anfang 1988 nicht mehr aufrechterhalten worden. Der Handelsvertretervertrag zwischen B und S, der am 1. November 1980 habe in Kraft treten sollen, sei nie vollzogen worden. Anhand der vorliegenden Unterlagen stehe fest, daß Vertragsbeziehungen auf der einen Seite zwischen den deutschen Kunden und B, auf der anderen Seite zwischen B und S bestanden hätten. Vertragsbeziehungen zwischen den deutschen Kunden und S hätten nicht bestanden.

2. Die Warentermingeschäfte hätten an der ausländischen Börse stattgefunden. Die Meinung des FA, die von B erbrachte Leistung habe in der Veranstaltung eines Spiels mit Gewinnmöglichkeiten bestanden, halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

3. Die Auftraggeber der B seien daran interessiert gewesen, an den ausländischen Börsen Warentermingeschäfte durchzuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei es erforderlich gewesen, die Leistung eines an der ausländischen Börse zugelassenen Brokers einzukaufen. Dies habe B für ihre Auftraggeber getan. Es liege eine Besorgungsleistung vor. Für diese Leistung habe B von den Kunden das vertraglich vereinbarte erfolgsunabhängige Entgelt erhalten. An den Ergebnissen der durchgeführten Warentermingeschäfte sei B weder im positiven noch im negativen Sinne beteiligt gewesen. B habe im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung gehandelt.

4. Der Ausschluß der Nachschußpflicht bei Börsengeschäften sei gesetzlich geregelt (§§ 762, 764 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 53 ff. des Börsengesetzes). Dementsprechend hätten sich die Beteiligten so verhalten, daß das Entstehen irgenwelcher Nachschußpflichten völlig ausgeschlossen gewesen sei. Im übrigen habe die zusätzlich in Auftrag gegebene Stop-Loss-Order gewährleistet, daß das Kundenengagement bei ungünstiger Kursentwicklung aus dem Markt genommen worden sei, bevor die geleistete Sicherheit (Einschuß/Margin) aufgezehrt worden sei. Folgerichtig sei bei B zu keinem Zeitpunkt Aufwand aufgrund von Nachschußverpflichtungen entstanden.

5. Das Schreiben vom 16. September 1983 zur Vorlage bei deutschen Börsenfachkreisen stelle die tatsächlichen Rechtsbeziehungen objektiv falsch dar. Dies sei bisher auch der Standpunkt der Finanzverwaltung gewesen. Tatsache sei, daß B von S weder Provisionen noch sonstige Entgelte erhalten habe. Selbst wenn B Provisionen erhalten hätte, würde dies nichts daran ändern, daß B für die deutschen Kunden Besorgungsleistungen erbracht und die Leistung des Brokers auf Rechnung des deutschen Kunden eingekauft hätte; B hätte lediglich ein zusätzliches Entgelt von Dritten erhalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 11 UStG 1980 nicht vor, so daß die Leistungen der B gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 1 UStG 1980 steuerbar sind.

1. Gemäß § 3 Abs. 11 UStG 1980 sind die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die besorgte Leistung entsprechend anzuwenden, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung besorgt. Diese Regelung soll nach der Begründung zum Gesetzesentwurf sicherstellen, daß Steuerbefreiungen auch für die Besorgung steuerfreier Leistungen gelten, ohne daß dies in der Befreiungsvorschrift ausdrücklich erwähnt wird (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 30; ferner Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 3 Anm. 656).

Eine Besorgung liegt vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen, die er selbst nicht schuldet, durch einen Dritten erbringen läßt (verdeckte Vermittlung). Der Besorgungsunternehmer schuldet seinem Auftraggeber nicht die besorgte Leistung; er schuldet und erfüllt nur eine Geschäftsbesorgung i.S. des § 675 BGB (vgl. Birkenfeld in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 3 Abs. 11 Tz. 17 ff.; Giesberts, a.a.O., Anm. 656; ferner Abschn. 32 Abs. 1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992; Leistungseinkauf). Wer für private Anleger im Erhebungsgebiet (Inland) Warenterminkontrakte besorgt, die an ausländischen Börsen gehandelt werden und die Geschäfte durch einen im eigenen Namen tätigen, im Außengebiet (Ausland) ansässigen Broker ausführen läßt, kann im Einzelfall eine Besorgungsleistung bewirken. Die Leistung des Besorgers ist aber nur dann einheitlich als Besorgungsleistung zu beurteilen, wenn nicht neben der eigentlichen Besorgung weitere Leistungen mit eigenem wirtschaftlichen Gewicht erbracht werden (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 12. Juli 1989 IV A 2 - 7110 - 40/89, Steuererlasse in Karteiform, Umsatzsteuergesetz 1980, § 3 Abs. 11 Nr. 3; Birkenfeld, a.a.O., Tz. 42; Giesberts, a.a.O., Anm. 672). Denn dann ist die Besorgungsleistung nur unselbständiger Teil einer einheitlichen sonstigen Leistung. Eine zusätzliche Beratungstätigkeit, die über eine Inkasso- und Auskunftstätigkeit hinausgeht (dazu vgl. Urteil des FG Köln vom 15. Dezember 1988 5 K 440/88, EFG 1989, 257), kann den Charakter der Leistung in der Weise verändern, daß die Beratungsleistung nicht lediglich im Gefolge der Besorgungsleistung erbracht wird, sondern Beratung und Besorgung zu einer eigenständigen sonstigen Leistung zusammenzufassen sind.

Im Streitfall war die Leistung der B nicht auf die Besorgung der Dienste der S zugunsten ihrer Kunden beschränkt. Wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, kaufte B nicht nur die Leistungen der S ein, sondern erbrachte eigene Leistungen. Entgegen der Auffassung des FG können die Beratung, Betreuung, Führung des Warenterminkontors, Risikobegrenzung, Befreiung von der Nachschußpflicht und Haftungsübernahme nicht nur als unselbständige Nebenleistung beurteilt werden. Mögen auch die Befreiung von der Nachschußpflicht und die Haftungsübernahme keinen wirtschaftlichen Gehalt gehabt haben, so kommen aber der Beratung und der Betreuung der Anleger erhöhte Bedeutung zu. Es kann nicht - wie der Kläger meint - davon ausgegangen werden, daß die Beratung lediglich dazu gedient habe, die Kunden zu veranlassen, ihr Geld in Warentermingeschäfte anzulegen. So heißt es in dem Prospekt vom 1. Juli 1979: Eine ständige und sichere Kontrolle aller Engagements - gewährleistet durch die Hilfe moderner Computersysteme - ist nicht zuletzt Voraussetzung für marktgerechte Betreuung des investierten Kapitals. Und weiter heißt es: Wählen Sie als Partner einen vermittelnden Berater, der bereit ist, Ihnen zu Ihrem Recht ohne Umschweife zu verhelfen. Bei den Verträgen über die sog. Commodity-Trading-Konten war B darüber hinaus von den Kunden ermächtigt worden, für sie den an der ausländischen Börse zugelassenen Broker mit der Durchführung von Handlungen an der ausländischen Warenterminbörse zu beauftragen. Nach dem Schreiben der S an B, das diese erbeten hatte, um es bei deutschen Börsenfachkreisen vorlegen zu können, gab S B alle notwendigen Informationen und Kenntnisse, um B in die Lage zu versetzen, die deutschen Kunden dahingehend zu beraten, wie sie ihre Warenterminkontrakte handhaben sollten. B vermittelte daher nicht nur - verdeckt - die Leistungen der S, sondern trat gegenüber den Anlegern als Berater auf. Diese Stellung wird nicht zuletzt unterstrichen durch die Firmenbezeichnung der B als Beratungs-GmbH sowie auch durch die relativ hohen Beträge, die die Anleger an B abzuführen hatten.

2. Die steuerbaren sonstigen Leistungen der B sind nicht gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG 1980 steuerbefreit. § 4 Nr. 5 UStG 1980 erfaßt nur die sog. offene Vermittlung; der Vermittler muß in fremden Namen handeln (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 5 Bem.3). Im Streitfall handelte die B im eigenen Namen, so daß bereits aus diesem Grund die Steuerbefreiung nicht in Betracht kommen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419969

BFH/NV 1994, 913

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