Entscheidungsstichwort (Thema)

Unabhängigkeit der auf die Gewinnhöhe gestützten Buchführungspflicht von der Richtigkeit dieser Gewinnfeststellung

 

Leitsatz (NV)

Der Beginn der Buchführungspflicht, der auf einen bestandskräftigen ESt-Bescheid gestützt wurde, der einen über der Grenze des § 161 Abs. 1 Nr. 1e AO liegenden Gewinn ausweist, hängt nicht von der Richtigkeit der festgestellten Gewinnhöhe ab.

 

Normenkette

AO § 161 Abs. 1 Nr. 1e; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger sind verheiratet und leben im Güterstand der Gütergemeinschaft. Sie bewirtschaften einen eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rd. 46 ha, den die Eltern des Klägers durch Übergabevertrag vom 10. April 1967 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an den Kläger übergeben haben. Der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs betrug ab 1. Januar 1964 85 800 DM, auf den 1. Januar 1974 (neues Recht) 103 300 DM und auf den 1. Januar 1975 (Wertfortschreibung) 133 400 DM.

Ebenso wie die Übergeber führten die Kläger, die sich im Steuerfestsetzungsverfahren keines Angehörigen der steuerberatenden Berufe bedienten, keine Bücher. In den Einkommensteuererklärungen vermerkten die Kläger ,,keine Buchführung, wir bitten um Schätzung", für 1973 und 1975 mit dem Zusatz ,,nach Richtsätzen", für 1974 mit dem Zusatz ,,nach Richtlinien". Zu den Einkommensteuererklärungen gaben sie jeweils die in allen Teilen ausgefüllte ,,Anlage L" (für nichtbuchführungspflichtige oder nichtbuchführende Land- und Forstwirte) ab.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm schon bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 das Bestehen der Buchführungspflicht an, weil nach der Veranlagung 1965 der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft mehr als 12 000 DM betragen habe. Seither ermittelte er die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft nach den Schätzungsrichtlinien der Oberfinanzdirektion (OFD) München, die auf § 217 der Reichsabgabenordnung - AO - (§ 162 AO 1977) beruhen und von Schätzungsgrundbeträgen je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ausgehen (sog. Bayerisches Schätzungsverfahren). Die den Schätzungen zugrunde liegenden Berechnungen teilte er den Klägern nicht mit. Im Einkommensteuerbescheid 1971 vom 30. November 1972 wies er die Kläger mit folgendem Vermerk erstmals auf die Buchführungspflicht hin: ,,Nach § 161 Abs. 1 AO sind Sie verpflichtet, ab 1. 7. 1973 Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen." Mit Verwaltungsakt vom 21. November 1978 forderte das FA die Kläger zur Abgabe einer Anfangsbilanz auf den 1. Juli 1979 auf.

Die nach dem Bayerischen Schätzungsverfahren ermittelten Gewinne legte das FA zeitanteilig den Einkommensteuerveranlagungen 1972 bis 1976 zugrunde, die für die Kalenderjahre 1972 bis 1975 endgültig und für das Kalenderjahr 1976 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.

Im Anschluß an eine bei den Klägern durchgeführte Betriebsprüfung (Bericht vom 6. März 1978) schätzte das FA die Gewinne der Wirtschaftsjahre 1972/73 bis 1976/77 durch einen den Zeitraum vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1977 umfassenden Betriebsvermögensvergleich, der einen Mehrgewinn von 216 887 DM ergab. Diesen Mehrgewinn verteilte es gleichmäßig auf die geprüften Wirtschaftsjahre.

Am 6. Juli 1978 erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide, die es für die Kalenderjahre 1972 bis 1975 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und für das Kalenderjahr 1976 auf § 164 Abs. 2 AO 1977 stützte. Danach ergaben sich für die Streitjahre folgende Einkommensteuerfestsetzungen:

Gewinn zu ver- Einkommen- Einkommen-

L + F steuern steuer steuer

bisher

DM DM DM DM

1972 54 212 35 230 7 334 2 462

1973 81 127 61 505 17 058 3 528

1974 87 876 63 523 17 872 4 538

1975 88 554 66 446 18 798 4 290

1976 95 332 71 418 21 008 5 214.

Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, daß sie vor dem 1. Juli 1973 nicht buchführungspflichtig gewesen seien. Eine etwaige Buchführungspflicht der Rechtsvorgänger sei nicht auf sie übergegangen. Im übrigen sei eine Änderung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1972 bis 1975 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht zulässig gewesen. Auch nach Treu und Glauben sei das FA durch den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung gehindert gewesen, zu einer anderen Schätzungsmethode überzugehen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß die Kläger in den Streitjahren nicht zur Buchführung verpflichtet waren. Zudem seien die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für die Kalenderjahre 1972 bis 1975 nicht erfüllt gewesen. Zur Buchführungspflicht führte das FG aus, sie sei nicht durch den gegen die Kläger erlassenen Einkommensteuerbescheid für 1967 vom 3. Juni 1969, der einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 16 882 DM ausgewiesen habe, zum 1. Juli 1969 ausgelöst worden. Das FG ging zwar davon aus, daß für die Frage der Buchführungspflicht ein bestandskräftig veranlagter Gewinn grundsätzlich nicht mehr auf seine Richtigkeit hin überprüft werden könne. Dieser Grundsatz müsse aber nach dem Sinn des Gesetzes dann eine Ausnahme erfahren, wenn der die Buchführungsgrenze übersteigende Gewinn fälschlich auf einem Schätzungsverfahren beruhe, dessen Anwendung gerade vom Bestehen der Buchführungspflicht abhänge. Im Streitfall habe das FA die Gewinne der Kläger vom Beginn der Hofübernahme an nach Richtsätzen (Bayerisches Schätzungsverfahren) geschätzt, obwohl die Kläger nicht buchführungspflichtig waren. Richtigerweise hätten die Gewinne aus der Landwirtschaft nach dem Gesetz über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL) ermittelt werden müssen. Infolgedessen hätten die Gewinne aufgrund der unzulässigen Schätzung die Buchführungspflicht nicht begründen können. Die Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht hätten danach für den 1. Juli 1972 nicht vorgelegen; ebensowenig für den 1. Juli 1973, zu dem das FA auf den Beginn der Buchführungspflicht hingewiesen habe. Zum 1. Juli 1974 seien zwar aufgrund des Einheitswertbescheides vom 1. Januar 1974 die gesetzlichen Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht erfüllt gewesen; hier habe es aber an dem erforderlichen Hinweis des FA gefehlt.

Zum Erlaß der Änderungsbescheide für die Jahre 1972 bis 1975 habe es außerdem an den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gefehlt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 161 AO und des § 173 AO 1977. Außerdem vertritt das FA die Auffassung, daß das FG den Sachverhalt hinsichtlich des Beginns der Buchführungspflicht unzutreffend gewürdigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

1. Gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c oder e AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung waren für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen, dem Ertrag und dem Vermögen Land- und Forstwirte, die nach den bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen einen Gesamtumsatz von mehr als 200 000 DM oder ein land- und forstwirtschaftliches Vermögen von mehr als 100 000 DM oder Reineinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 12 000 DM gehabt haben, verpflichtet, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen. Eine entsprechende, aber hinsichtlich des Zeitpunktes genauere Regelung für den Beginn der Buchführungspflicht für Land- und Forstwirte enthält § 1 Abs. 1 und 4 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung (LwBuchfV). Danach beginnt die Buchführungspflicht nach § 161 AO für Land- und Forstwirte mit dem Anfang des für die Gewinnermittlung bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer maßgebenden Wirtschaftsjahres, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem erstmalig bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer oder Umsatzsteuer oder bei einer Einheitswertfeststellung oder bei einem Rechtsmittelverfahren, das eine derartige Veranlagung oder Feststellung betrifft, festgestellt worden ist, daß eine der im § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c oder e AO bezeichneten Voraussetzungen vorliegt und diese Feststellung dem Landwirt durch einen Bescheid bekanntgegeben worden ist.

Danach war der gesetzliche Tatbestand für die Buchführungspflicht der Kläger zumindest ab dem Wirtschaftsjahr 1970/71 durch den Einkommensteuerbescheid für 1967 vom 3. Juni 1969, der einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 16 882 DM auswies, erfüllt. Wegen der Höhe ihrer Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft sind die Kläger dann auch in den folgenden Wirtschaftsjahren nach den genannten Vorschriften immer buchführungspflichtig geblieben. Denn ihre Gewinne haben jeweils mehr als 12 000 DM betragen.

Alle Einkommensteuerbescheide der betreffenden Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1976 sind bestandskräftig geworden. Ob die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft in den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden jeweils zutreffend ermittelt wurden, unterliegt nicht mehr der Nachprüfung durch die FG und ist daher nicht entscheidungserheblich. Die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits und können nicht mehr geändert werden. Entscheidungserheblich ist allein, ob die in den bestandskräftigen Bescheiden festgestellten Gewinne die Grenze des § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AO überschritten haben.

Die gegenteilige Meinung des FG widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 161 AO und des § 1 LwBuchfV, der auch vom Sinn und Zweck dieser Bestimmungen her nicht davon abweichend ausgelegt werden kann. Nach der Auslegung des FG müßte § 161 AO lauten, Unternehmer, die nach den bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen ,,einen richtig ermittelten" Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 12 000 DM gehabt haben . . . Diese Formulierung zeigt, daß die Auffassung des FG nicht haltbar ist, weil sie die Bestandskraft von Steuerbescheiden und den sich daraus ergebenden Grundsatz der Nichtnachprüfbarkeit von bereits abgeschlossenen und daher nicht mehr im Streit befindlichen Veranlagungsverfahren durch die FG außer acht läßt.

Über die Erfordernisse des § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 und 4 LwBuchfV hinaus hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Grundsatz aufgestellt, daß unter Berücksichtigung von Treu und Glauben bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft die Buchführungspflicht gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO in der Regel erst dann beginnt, wenn der Steuerpflichtige auf diesen Zeitpunkt durch eine besondere Mitteilung des FA hingewiesen worden ist (vgl. Urteile vom 9. Mai 1957 IV 383/55 U, BFHE 65, 151, BStBl III 1957, 291, und vom 22. September 1960 IV 249/59 U, BFHE 71, 716, BStBl III 1960, 516). Einen solchen Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht zum 1. Juli 1973 enthielt der Einkommensteuerbescheid für 1971 vom 30. November 1972, so daß die Buchführungspflicht der Kläger ab 1. Juli 1973 außer Zweifel steht.

Fraglich kann daher nur die Buchführungspflicht der Kläger hinsichtlich der Streitjahre für das Wirtschaftsjahr 1972/73 sein.

Der auch unter der Geltung der AO von der Rechtsprechung ohne gesetzliche Grundlage geforderte und mit der Unerfahrenheit der Land- und Forstwirte auf steuerlichem Gebiet begründete Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn der betreffende Land- und Forstwirt durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe steuerlich beraten wurde und dies dem FA bekannt war, oder wenn den Steuerpflichtigen ihre gesetzliche Buchführungspflicht aufgrund anderer Umstände nachweisbar bekannt war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25. April 1985 IV R 92/82, BFHE 143, 404, BStBl II 1985, 486).

Im Streitfall waren die Kläger nicht beraten. Ein Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht nach § 161 AO ist daher bei ihnen nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn ihnen selbst bekannt war, daß sie wegen Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes nach § 161 AO buchführungspflichtig geworden sind. Nach Meinung des FG trifft das nicht zu. Das FA macht jedoch mit Recht geltend, daß die tatsächliche Würdigung des FG insoweit nicht haltbar ist; sie widerspricht den allgemeinen Erfahrungssätzen und Denkgesetzen. Die vom FG wiedergegebenen Vermerke der Kläger in ihren Einkommensteuererklärungen: ,,Keine Buchführung, wir bitten um Schätzung nach Richtsätzen" können bei Landwirten, die einen landwirtschaftlichen Betrieb von über 48 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche von hoher Bonität (Zuckerrüben- und Getreideanbau, Hackfruchtanteil über 30 v. H.) und einem Einheitswert von 85 800 DM übernommen haben, nur in dem Sinne verstanden werden, daß sie ihre Buchführungspflicht für die Streitjahre kannten. Das ergibt sich auch daraus, daß sie sich nie gegen die Schätzung ihrer Gewinne nach Richtsätzen gewandt haben. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß Eigentümer großer landwirtschaftlicher Betriebe den Unterschied zwischen einer Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen und einer Schätzung der Gewinne nach Richtsätzen nicht kennen.

Gegen die Bejahung der Buchführungspflicht auch im Wirtschaftsjahr 1972/73, für das ein besonderer Hinweis des FA auf den Beginn der Buchführungspflicht fehlt, bestehen daher keine Bedenken.

2. Wenn aber die Kläger buchführungspflichtige Landwirte waren, dann war das FA - entgegen der Meinung des FG - berechtigt, aufgrund des von der Betriebsprüfung durchgeführten Gesamtvermögensvergleiches, der weit höhere Gewinne ergab, als in den ursprünglichen Bescheiden angesetzt waren, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 1972 bis 1975 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 1976 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern.

a) Bestandskräftige Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen.

Unstreitig ist eine Gewinnschätzung selbst keine Tatsache i. S. des § 173 AO 1977. Tatsachen in diesem Sinne sind jedoch neue Schätzungsgrundlagen, die erst durch eine Außenprüfung nachträglich bekanntwerden. Dazu gehören auch die für einen Vermögensvergleich erforderlichen, vom Betriebsprüfer erstmals festgestellten tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen und der sich daraus ergebende, gegenüber der ursprünglichen Schätzung wesentlich höhere Vermögenszuwachs einschließlich der festgestellten Einlagen und Entnahmen. Hat daher das FA den Gewinn eines buchführungspflichtigen, aber keine Bücher führenden Land- und Forstwirts zunächst nach Richtsätzen geschätzt und werden erst durch eine Außenprüfung die für einen Vermögensvergleich erforderlichen tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen und ein sich daraus ergebender weit höherer Vermögenszuwachs bekannt, so liegt darin eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, die zu einer entsprechenden Änderung einer bestandskräftigen Veranlagung berechtigt, wenn das FA die Tatsachen, aus denen sich der Vermögenszuwachs ergibt, bei der ursprünglichen Veranlagung nicht gekannt hat und bei rechtzeitiger genauer Kenntnis dieser Tatsachen von vornherein die Schätzungen nicht nach Richtlinien, sondern im Wege des Vermögensvergleiches vorgenommen hätte. Zum letzteren Punkt hat der Senat im Beschluß vom 3. Dezember 1981 IV R 99/77 (BFHE 135, 45, BStBl II 1982, 273) ausgeführt:

Diese Voraussetzung könne nach allgemeiner Erfahrung mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Denn die Schätzungen in Anlehnung an die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen oder nach Richtsätzen werden nur vorgenommen, wenn es bei ursprünglichen Veranlagungen an anderen geeigneten Schätzungsunterlagen fehle. Dem FA könne nicht entgegengehalten werden, es müsse die Tatsache des hohen Vermögenszuwachses gegen sich als bekannt gelten lassen, weil es bei den Veranlagungen bewußt darauf verzichtet habe, die Ermittlungen zur Feststellung der tatsächlichen Gewinne durchzuführen. Solche Ermittlungen seien dem FA bei nichtbuchführenden Landwirten mangels jeglicher Unterlagen im normalen Veranlagungsverfahren nicht zuzumuten; sie könnten im allgemeinen nur im Zuge einer Betriebsprüfung durchgeführt werden.

Der Senat sieht keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen zu § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO unter der Geltung des § 173 AO 1977, durch den sich die rechtliche Problematik in dieser Frage nicht geändert hat, abzuweichen. Das FA ist bei der Erstveranlagung solcher Landwirte auf eine Schätzungsmethode angewiesen, die nicht von dem wirklichen, jedoch unbekannten individuellen Vermögenszuwachs des betreffenden Land- und Forstwirts ausgeht, sondern auf abstrakten Kalkulationen beruht, die zum Beispiel nur die Anbaufläche und die Anbauart als Grundlage haben und nicht die individuellen Verhältnisse des betreffenden Betriebes. Diese können erst durch eine Außenprüfung festgestellt werden. Schätzungen nach Richtsätzen, die wegen Fehlens der für die eigentliche Gewinnermittlung erforderlichen Besteuerungsgrundlagen notwendig sind, und Schätzungen aufgrund eines Gesamtvermögensvergleiches anhand einer Vermögenszuwachsrechnung unter Berücksichtigung der Einlagen und Entnahmen, die auf tatsächlichen individuellen Besteuerungsgrundlagen des betreffenden Landwirts beruhen, haben insofern nur wenig miteinander gemein. Sie können sich nicht gegenseitig ergänzen. Denn angesichts der neuen für die eigentliche Gewinnermittlung erforderlichen Schätzungsunterlagen, die einen weit höheren Vermögenszuwachs ergeben, versagt die bisherige Schätzungsmethode nach Richtsätzen i. S. des BFH-Urteils vom 2. März 1982 VIII R 225/80 (BFHE 136, 28) in vollem Umfange. Die Schätzungen nichtbuchführender, jedoch buchführungspflichtiger Landwirte unter Zuhilfenahme einer pauschalen Schätzungsmethode stellen einen Notbehelf dar; sie können nicht als ein genereller Verzicht auf die Erfassung der tatsächlichen Gewinne im Rahmen einer Betriebsprüfung gewertet werden. Wie schon im Beschluß in BFHE 135, 45, BStBl II 1982, 273 ausgeführt wurde, würde jede andere Beurteilung die vom Gesetzgeber gewollt grundsätzliche Unterscheidung in der Besteuerung der kleinen, nichtbuchführungspflichtigen Landwirte und der größeren buchführungspflichtigen Landwirte, die aber keine Bücher führen, weitgehend beseitigen. Auch würde sie die buchführungspflichtigen Landwirte, die keine Bücher führen, gegenüber den buchführungspflichtigen Landwirten, die ihre Gewinne aufgrund einer ordnungsgemäßen Buchführung ermitteln, in einer nicht vertretbaren Weise steuerlich begünstigen. Darin läge eine Ungleichbehandlung zugunsten einer Gruppe von Landwirten, die bewußt ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkommen, gegenüber einer vergleichbaren Gruppe, die ihre Buchführungspflicht erfüllt, die von der Rechtsprechung nicht hingenommen werden kann.

b) Im Streitfall waren die Kläger buchführungspflichtige Landwirte, die keine Bücher und Aufzeichnungen führten und keine Jahresabschlüsse erstellten. Ihre tatsächlichen Gewinne waren daher unbekannt. Sie haben ihre Buchführungspflicht und damit die Verpflichtung zur Ermittlung ihrer tatsächlichen Gewinne verletzt. Die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft konnten daher nur durch Schätzungen ermittelt werden. Eine Schätzung nach dem Vermögensvergleich anhand einer Vermögenszuwachsrechnung unter Berücksichtigung der Einlagen und Entnahmen war nach den mit den Einkommensteuererklärungen vorgelegten Unterlagen nicht möglich. Möglich war nur eine pauschale Schätzung entweder in Anlehnung an die Durchschnittsätze oder nach Richtsätzen, die von der bekannten Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen unter Berücksichtigung des Hackfruchtanteils ausgingen und zu diesem gewonnenen Grundbetrag Zu- und Abschläge vorsahen. Ob diese Richtsatzschätzungen, die das FA für die Streitjahre vornahm, an die tatsächlichen Gewinne der Kläger herankamen, war dem FA unbekannt. Erfahrungsgemäß konnte zwar vermutet werden, daß die Richtsatzgewinne erheblich darunterblieben. Ob diese Vermutung aber wirklich zutraf, konnte erst durch eine Außenprüfung festgestellt werden, mit der die Kläger rechnen mußten, auch wenn die Finanzverwaltung in vielen Einzelfällen in der Vergangenheit darauf verzichtet hat. Die Kläger konnten nicht darauf vertrauen, daß sie zu den durch diese Versäumnisse Begünstigten gehörten, denn es gibt keinen Gleichheitsgrundsatz des Inhalts, daß bestimmte Versäumnisse der Verwaltung allen Beteiligten in gleicher Weise zugute kommen müßten (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 1969 l BvR 687/62, BVerfGE 25, 216, BStBl II 1969, 364 unter Abschn. B II 2.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414255

BFH/NV 1986, 252

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