Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbösernde kraftfahrzeugsteuerrechtliche Änderungsfestsetzung

 

Leitsatz (NV)

Zur Frage der Rechtmäßigkeit einer verbösernden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsfestsetzung bei nachträglich erkannter, möglicherweise aber nicht genügend aufgeklärter Fahrzeugbeschaffenheit (Berichtigung einer Veranlagung aus 1992).

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; KraftStG § 8

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hält einen Geländewagen Typ Nissan, der nach Umbau (u. a. Entfernung der hinteren Sitzbank, Einbau einer Stahlwanne) als Lastkraftwagen zugelassen und dementsprechend besteuert wurde (Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 29. Dezember 1992). Nach Beschaffung näherer technischer Daten des Fahrzeugs im Rahmen einer allgemeinen -- landesweiten -- Überprüfung (1996) gelangte das beklagte und revisionsklagende Finanzamt (FA) zu der Auffassung, daß ein Personenkraftwagen vorliege, und setzte, gestützt auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), die Kraftfahrzeugsteuer ab Zulassung entsprechend fest (Änderungsbescheid vom 22. Juli 1996, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 1996). Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Änderungsfestsetzung für die Zeit bis 20. Mai 1996 auf. Es entschied, zwar handele es sich bei dem Fahrzeug um einen der Hubraumbesteuerung unterliegenden Personenkraftwagen, doch habe die Änderungsfestsetzung für zurückliegende Entrichtungszeiträume wegen Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht zu unterbleiben. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das in einem Parallelfall ergangene gleichlautende FG-Urteil vom 4. Dezember 1996 6 K 5101/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 309) verwiesen.

Das FA wendet sich mit der vom FG zugelassenen Revision gegen die Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Es führt aus, bei der Veranlagung im Jahre 1992 sei der Fahrzeugtyp noch nicht bekannt gewesen; dieser sei erst 1996 von der Zulassungsstelle mitgeteilt worden. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht liege nicht vor, Zweifel an der Einstufung durch die Zulassungsbehörde hätten sich nicht aufgedrängt. Die vom FG angeführten aufsichtsbehördlichen Hinweise zur Problematik der Umbaufälle seien erst 1993, nach der Zulassung des Fahrzeugs (als LKW), erfolgt. Sie hätten überdies zunächst nur Neuzulassungen betroffen. Der Steueranspruch sei auch nicht verwirkt.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage auch im übrigen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um das Ergebnis, zu dem das FG gelangt ist -- Unzulässigkeit der mit der angegriffenen Veranlagung vorgenommenen Änderungsfestsetzung (§173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) bis 20. Mai 1996 wegen unzureichender finanzamtlicher Ermittlungen -- zu rechtfertigen.

In seinem Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97 (BFH/NV 1997, 360) -- Abschn. II Nr. 2 -- hat der Senat erkannt, daß die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt, wenn sie der Kraftfahrzeugsteuerveranlagung unter Verzicht auf für die Beurteilung notwendige Daten die verkehrsrechtliche Einstufung eines umgebauten Fahrzeugs zugrunde legt; eine verbösernde Änderungsfestsetzung wegen nachträglich erkannter Unerheblichkeit der Umbauten scheidet damit aus. Der Senat hat in dieser Entscheidung an sein Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 398, BStBl II 1992, 324) angeknüpft und wiederholt, daß die Ermittlungspflicht nur dann verletzt ist, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen, nicht nachgeht. Einen Ermittlungsmangel hat der Senat im Falle VII R 1/97 bejaht, weil nach den festgestellten Umständen zwingend eine nähere Aufklärung über Art und Umfang der vorgenommenen Umbauten erforderlich war (im Rahmen einer Besteuerung im Jahre 1989).

Die Grundsätze des Senatsurteils VII R 1/97 können auch im Streitfall, bezogen auf die Besteuerung im Jahre 1992, herangezogen werden, obwohl (wegen der von Anfang an erfolgten Zulassung als LKW) ein eigentlicher Umbaufall nicht vorliegt. Erforderlich sind aber Feststellungen, aus denen sich in nachvollziehbarer Weise ergibt, daß das FA zwangsläufig zu Zweifeln an der Bewertung des Fahrzeugs als Lastkraftwagen gelangen mußte. Solche Feststellungen hat das FG nicht in ausreichendem Maße getroffen. Das FG hat lediglich ausgeführt, daß das FA "schon Anfang 1993" aufgrund der Datenübermittlung durch die Zulassungsstelle über "genügend Daten und Anhaltspunkte" verfügt habe, um eine Überprüfung vorzunehmen (vgl. auch EFG 1997, 309, 310). Daß diese Überprüfung aus der Sicht des FA aber auch veranlaßt war, läßt sich der Vorentscheidung nicht entnehmen. Insbesondere fehlt eine Angabe der Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergab (etwa eine dem FA bekannte frühere Besteuerung des Fahrzeugs als PKW oder auch beim FA vorliegende besondere Erkenntnisse). Die Bezugnahme auf aufsichtsbehördliche Hinweise "zumindest seit 1992/93" reicht nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres aus, da es hier um eine womöglich frühere Besteuerung (Ende 1992) geht. Im übrigen bedürfte es auch näherer Ausführungen zur Frage, inwieweit die aufsichtsbehördlichen Hinweise -- auch -- Fälle der vorliegenden Art betroffen hatten.

Im zweiten Rechtsgang wird das FG die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage neu zu entscheiden haben. Im übrigen wird -- ohne Bindungswirkung (§126 Abs. 5 FGO) -- auf die vom Senat inzwischen bestätigten Urteile des FG Nürnberg vom 12. November 1996 VI 174/96 und VI 188/96 (EFG 1997, 497, 499) -- zu §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache) -- verwiesen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 219

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