Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Verpflichtungen eines Bürgen aus Bürgschaften sind vor seiner Inanspruchnahme aufschiebend bedingt und daher bei der Einheitsbewertung seines Betriebsvermögens nicht zu berücksichtigen. Das sog. "Gesetz der großen Zahl" oder der Gesichtspunkt des Delkredere sind hierbei nicht anzuwenden.

 

Normenkette

BewG §§ 6, 62/1, § 103/1, §§ 66, 109

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Berücksichtigung der selbstschuldnerischen Bürgschaft für die den Kunden durch eine Kreditbank gewährten Darlehen zur Finanzierung der Teilzahlungsgeschäfte der Bgin.

Die Bgin. betreibt Möbeleinzelhandel. Die zahlreichen Teilzahlungsgeschäfte finanziert sie durch eine Kreditbank, der gegenüber sie für die den Käufern gewährten Darlehen in Höhe des Kaufpreises abzüglich der Anzahlung die selbstschuldnerische Bürgschaft übernimmt. Die daraus etwa entstehenden Verpflichtungen bewertete sie auf den 1. Januar 1951 mit 10 v. H. des gesamten Bürgschaftsbetrages = 15.053,68 DM und beantragte, diesen Betrag als Schuldposten zu berücksichtigen.

Das Finanzamt hat den Antrag bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abgelehnt. Es vertritt den Standpunkt, am Stichtage seien aus der Bürgschaft keine Verpflichtungen als bestehende Last vorhanden gewesen. Sie seien vielmehr aufschiebend bedingt und daher nach § 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht zu berücksichtigen.

Auf die Sprungberufung hat das Finanzgericht dagegen dem Antrage entsprochen. Es wandte die Grundsätze der Urteile des Bundesfinanzhofs III 132/56 S vom 23. November 1956 (BStBl 1957 III S. 14, Slg. Bd. 64 S. 34) und III 106/57 U vom 5. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 297, Slg. Bd. 65 S. 165) auf den Streitfall an, da für die Bgin. die gleiche Gefahr der Nichteinlösung der Kundenwechsel wie bei diskontierten weitergegebenen Wechseln bestehe. Die Bgin. müsse damit rechnen, für eine gewisse Anzahl von Teilzahlungsgeschäften als Bürge in Anspruch genommen zu werden. Es gelte auch hier das Gesetz der großen Zahl im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 314, Slg. Bd. 65 S. 206). In übereinstimmung mit dem Betriebsprüfungsbericht hielt das Finanzgericht der Höhe nach 10 v. H. der gesamten, am Stichtage vorfinanzierten Kaufpreisforderungen für eine angemessene Rückstellung. Es ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Rb. zu.

In der Rb. führt der Vorsteher des Finanzamts aus, die Bürgschaftsverpflichtungen seien aufschiebend bedingt und daher nicht abzugsfähig. Selbst ein gewisser Grad der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme sei unwesentlich. Um eine Wertberichtigung schwebender Außenstände handle es sich nicht.

Demgegenüber macht die Bgin. geltend, am Stichtage sei mit Ausfällen zu rechnen gewesen. Die Zahlungen durch die Teilzahlungsbank bedeuteten noch keine endgültige Begleichung der Kaufpreisforderungen. Die Rückstellung von 10 v. H. sei als echte Wertberichtigung unter dem Gesichtspunkte des Delkredere anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Sprungberufung.

Der von der Bgin. geltend gemachte Abzug wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um eine am Stichtage bestehende, nicht aufschiebend bedingte Last handeln würde. Der vom Finanzgericht herausgestellte Gesichtspunkt einer Rückstellung als Wertberichtigung ausstehenden Kundenforderungen trifft nicht zu. Wie der Senat in dem dem Finanzgericht damals noch nicht bekannten Urteil III 345/57 S vom 8. Januar 1960 (BStBl. 1960 III S. 83, Slg. Bd. 70 S. 222) - unter ausdrücklicher Aufgabe des Standpunktes der Urteile III 132/56 S vom 23. November 1956, a. a. O., und III 106/57 U vom 5. Juli 1957, a. a. O. - ausgeführt hat, verbietet es der Grundsatz der Stichtagsbewertung, unter dem Gesichtspunkte der Gefahr der Nichteinlösung von zum Diskont weitergegebenen Kundenwechseln eine entsprechende Rückstellung zuzulassen, wenn am Stichtage noch keine Inanspruchnahme vorliegt. Im übrigen handelt es sich im vorliegenden Falle, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts, nicht um diskontierte Kundenwechsel. Die Bgin. hat nicht Kundenwechsel empfangen und weitergegeben, sondern für ihre Kaufpreisforderungen von einer Finanzierungsbank das Geld erhalten. Diese Zahlungen bedeuteten die endgültige Begleichung der Kundenforderung, so daß keine Außenstände verblieben. Die Bürgschaften der Bgin. stellen jeweils eine besondere Verpflichtung der Bank gegenüber dar. Für die Bewertung ist es entscheidend, ob diese Last am 1. Januar 1951 vorhanden oder nur aufschiebend bedingt war. Letzteres ist zu bejahen. Dem Abzug der geltend gemachten 10 v. H. der Bürgschaftssumme als Schuld steht das Stichtagsprinzip der Bewertung und die ausdrückliche Bestimmung des § 6 BewG entgegen, wonach aufschiebend bedingte Lasten nicht berücksichtigt werden. Der erkennende Senat hat in dem obenangeführten Urteil III 345/57 S eindeutig ausgesprochen, Rückstellungen - unter anderem für Wechselobligo - seien bewertungsmäßig als künftige Haftungsverbindlichkeiten nicht zuzulassen. Geltendmachung bis zum Stichtage ist Voraussetzung für die Rückstellung in der statischen Bilanz, die anderen Zwecken als die Erfolgsbilanz dient. Da gegen die Bgin. am Stichtage auf Grund der Bürgschaften kein Anspruch geltend gemacht war, war nach dem Stichtagsprinzip damals keine bewertungsfähige Last vorhanden.

Das "Gesetz der großen Zahl", auf das sich die Bgin. und das Finanzgericht zur Anerkennung einer am Stichtage bestehenden Schuld unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957 (a. a. O.) berufen haben, kommt im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung. Der Senat hat diesem Gesichtspunkt lediglich bei Rückstellungen für Pensionsanwartschaften Raum gegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409820

BStBl III 1960, 508

BFHE 1961, 690

BFHE 71, 690

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