Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Fehlverhalten nicht vertretungsberechtigter Hilfspersonen

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Anforderungen an eine Revisionsbegründung.

2. Zu den Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO.

3. Zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage in Fällen der Verpflichtungsklage.

4. Zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn die Fristversäumung auf ein Fehlverhalten einer nicht vertretungsberechtigten Hilfsperson zurückzuführen ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 110 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 120 Abs. 2 S. 2; StBerG § 156 Abs. 5, § 164a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde erstmals zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1980 zugelassen, von der er aber zurücktrat. An der schriftlichen Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 nahm er nicht teil, da er, wie er durch amtsärztliche Bescheinigung nachwies, wegen Erkrankung nicht in der Lage war, sich der Prüfung zu unterziehen. Die Teilnahme der Klägers an der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1982 blieb ohne Erfolg. Von der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1983 trat er wiederum zurück.

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (die Oberfinanzdirektion - OFD - ) wies den Kläger aufgrund seines Rücktritts von der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1983 mit Schreiben vom April 1983 u. a. darauf hin, daß es für die Teilnahme an der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 einer erneuten Zulassung bedürfe, der Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung vom Kläger gemäß § 156 Abs. 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nur noch einmal, und zwar spätestens bis zum 12. August 1983 gestellt werden könne und es sich bei diesem Termin um eine Ausschlußfrist handele. Ferner wies die OFD darauf hin, daß der Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 formlos gestellt und dabei auf die bereits vorliegenden Unterlagen verwiesen werden könne.

Der Kläger beantragte mit einem vom 11. August 1983 datierten Schreiben, das er am 15. August 1983 persönlich bei der OFD abgab, die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984. Dem Antrag war ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Verrechnungsscheck über 150 DM beigefügt. Auf den Hinweis des Sachbearbeiters der OFD, daß der Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 verspätet sei, beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führte er aus:

Seit einigen Wochen habe er eine größere berufliche Tätigkeit im norddeutschen Raum auszuführen gehabt, die ihm sehr viel Zeit und Energie abverlangt habe. Am 11. August 1983 habe er sich nicht in seinem Büro befunden, sondern bei der Firma A, die er seinerzeit für seinen Arbeitgeber betreut habe. Er habe an diesem Tage einer Angestellten dieser Firma, Frau H, den Auftrag gegeben, die Anmeldung zur Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 für ihn zu übernehmen. Den Antrag habe er Frau H diktiert und ihr einen Verrechnungsscheck in Höhe von 150 DM mit dem Bemerken hinterlassen, daß sie den Antrag, den Verrechnungsscheck und das polizeiliche Führungszeugnis noch am selben Tage absenden solle. Nach dem Diktat habe er sich nach Hamburg in eine Niederlassung der Firma A begeben. Von dort aus habe er sich nochmals am 11. August 1983 gegen 14 Uhr nach dem Brief erkundigt. Dabei habe er die Angestellte noch einmal auf die Wichtigkeit des Briefes und dessen Versendung hingewiesen. Am Montag, dem 15. August 1983, habe er dann erfahren, daß der Brief nicht abgeschickt worden sei. Frau H habe ihm erklärt, daß sie den Brief deshalb nicht versandt habe, weil die Unterschrift gefehlt habe. Somit treffe ihn kein Verschulden, da er den Antrag sorgfältig vorbereitet habe und er sich darauf habe verlassen können, daß die Angestellte, die auch sonst sorgfältig, gewissenhaft und selbständig arbeiten würde, den Brief absenden werde. Nur der Umstand, daß der Brief nicht - wie der Verrechnungsscheck - vorher von ihm unterschrieben worden sei, habe zu dem Mißgeschick geführt. Er habe Frau H auf ihr Fehlverhalten aufmerksam gemacht und sie dahingehend gerügt, daß sie den Brief für ihn hätte unterzeichnen können, da der Antrag an keine Form gebunden gewesen sei.

Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 ab, da der Antrag verspätet sei und die geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe nicht ausreichten.

Die Klage, mit der der Kläger beantragte, die Entscheidung des Zulassungsausschusses aufzuheben und festzustellen, daß die Nichtzulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 rechtsfehlerhaft sei, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus:

Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte habe den Kläger zu Recht nicht zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 zugelassen. Die Antragsfrist für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung habe im Falle des Klägers gemäß § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG bis zum Ablauf des 12. August 1983 gedauert, da dieser aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde (Erkrankung) nicht an der schriftlichen Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 teilgenommen habe. Wenn der Kläger vor Ablauf des 12. August 1983 einen Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 gestellt hätte, hätte er zur Prüfung zugelassen werden müssen, da er die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt habe. Sein Zulassungsantrag sei aber unstreitig erst am 15. August 1983, und damit verspätet bei der OFD eingegangen.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Gemäß § 164 a StBerG, § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) sei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert gewesen sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Kläger habe bei der Versäumung der Antragsfrist leichtfertig gehandelt, so daß die Fristversäumung auf seinem Verschulden beruhe. Er sei im Rahmen der Teilnahme an den Steuerbevollmächtigtenprüfungen 1982 und 1983 von der OFD mit mehreren Schreiben unter Angabe der gesetzlichen Grundlage ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß Anträge auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung längstens bis zum 12. August 1983 gestellt werden könnten und es sich bei diesem Termin um eine Ausschlußfrist handele. Aufgrund seiner mehrjährigen Tätigkeit als Fachkraft im steuerberatenden Beruf habe dem Kläger die Bedeutung einer gesetzlichen Ausschlußfrist bekannt sein müssen. Ein Verschulden des Klägers an der Fristversäumung sei darin zu sehen, daß er es unterlassen habe, der von ihm mit der Absendung des Zulassungsantrags Beauftragten hinreichende Anweisungen zu geben. Diese habe den Antrag - nach dem Vorbringen des Klägers - am 11. August 1983 deshalb nicht abgesandt, weil die persönliche Unterschrift des Klägers gefehlt habe. Die rechtzeitige Absendung sei somit unterblieben, weil der Kläger seine Beauftragte nicht darauf hingewiesen habe, daß es sich bei dem von ihm diktierten Zulassungsantrag um einen formlosen Antrag handelte, der seiner persönlichen Unterschrift nicht bedurfte und in seinem Namen von einem Beauftragten hätte unterschrieben werden können. Der Kläger habe sich nicht darauf verlassen können, daß die Absendung des Antrages auch ohne eine entsprechende Unterweisung vorgenommen werden würde.

Unerheblich sei, ob Frau H für den Kläger in der Vergangenheit bereits Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft ausgeführt habe, indem sie z. B. von ihm diktierte Schreiben in seinem Namen unterschrieben und abgesandt habe. Bei Personen, die mit den Angelegenheiten der steuerberatenden Berufe nicht vertraut seien, könne nicht vorausgesetzt werden, daß ihnen bekannt sei, daß Anträge auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung formlos, d. h. auch im Namen des Bewerbers gestellt werden könnten. Es sei deshalb nicht ungewöhnlich und für den Kläger voraussehbar gewesen, daß eine sonst zuverlässige und gewissenhafte Schreibkraft zu der Auffassung gelangen konnte, daß der Zulassungsantrag wirksam nur mit eigenhändiger Unterschrift des Bewerbers gestellt werden könne. Da der Kläger Frau H bezüglich der Unterschriftsleistung keine Anweisungen erteilt habe, habe er leichtfertig und somit schuldhaft gehandelt, so daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das Urteil des FG verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH). Für die Frage des Verschuldens an der Fristversäumung sei stets auf die individuellen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Dabei dürften an die vom Antragsteller vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Er sei den hiernach gebotenen Anforderungen gerecht geworden. Er habe Frau H auf den Fristablauf hingewiesen und sie darüber hinaus noch am Tage des Fristablaufs gegen 14 Uhr im Büro angerufen, um sich nochmals zu vergewissern, daß mit dem Antrag alles in Ordnung gehe. Eine weitergehende Sorgfalt sei von ihm nicht zu erwarten gewesen. In den Fällen des Büroversehens, das auch hier vorläge, habe der BFH in ständiger Rechtsprechung Wiedereinsetzungsanträgen stattgegeben.

Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muß die Revisionsbegründung oder die Revision einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Diesen inhaltlichen Voraussetzungen genügt die Revisionsbegründung des Klägers bei einer allein auf den Wortlaut der Vorschrift abstellenden Auslegung nicht; denn sie enthält weder einen ausdrücklichen Revisionsantrag noch führt sie eine bestimmte Gesetzesvorschrift an, die durch das angefochtene Urteil verletzt sein soll. Aus der Revisionsbegründung ergibt sich jedoch eindeutig, daß sich der Kläger durch die Vorentscheidung insoweit beschwert fühlt, als diese es abgelehnt hat, die Entscheidung des Zulassungsausschusses aufzuheben und die Rechtswidrigkeit seiner Nichtzulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 festzustellen. Daraus folgt zweifelsfrei sein Revisionsbegehren, unter Aufhebung der Vorentscheidung nach den Anträgen in der Vorinstanz zu entscheiden. Mit gleicher Deutlichkeit ist der Revisionsbegründung zu entnehmen, daß der Kläger die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Versäumung von Ausschlußfristen (§ 110 AO 1977) durch die Vorentscheidung als verletzt ansieht. Damit genügt die Revisionsbegründung sowohl dem Erfordernis des bestimmten Antrags als auch dem der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; denn beide Voraussetzungen stellen auf die inhaltliche Bestimmtheit und nicht auf ziffernmäßige oder wörtliche Formulierungen bzw. auf die Angaben bestimmter Gesetzesparagraphen ab (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 16 und 17; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 120 FGO Tz. 51 und 52 m.w.N.).

2. Die Revision ist nicht begründet.

a) Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Nichtzulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 durch den Zulassungsausschuß bei der beklagten OFD. Er beantragt, die Entscheidung des Zulassungsausschusses aufzuheben und ihre Rechtswidrigkeit festzustellen. Zutreffend hat das FG dem Antrag des Klägers entsprechend die Klage auch als Feststellungsklage behandelt, weil im Zeitpunkt seiner Entscheidung die schriftliche Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 bereits durchgeführt war und der Kläger seine Teilnahme an dieser Prüfung - etwa im Wege der Verpflichtungsklage - nicht mehr erzwingen konnte. Die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens ergibt sich aus § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO. Danach spricht das Gericht auf Antrag aus, daß ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn er sich vorher erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigen kann sich auch ein Verpflichtungsbegehren, wenn z. B. der begehrte Verwaltungsakt - im Streitfall: Zulassung zu einer bestimmten Steuerbevollmächtigtenprüfung - aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erteilt werden kann. Die Vorschriften über die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO findet deshalb auf Verpflichtungsklagen entsprechende Anwendung (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459; Gräber, a.a.O., § 100 Anm. 13). Es kann dann wie im Streitfall die Feststellung begehrt werden, daß die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts - hier: Prüfungszulassung - rechtswidrig war. Unerheblich ist es, wann die Erledigung des streitigen Verwaltungsakts eingetreten ist. Denn die Fortsetzungsfeststellungsklage kann sogar in Fällen erhoben werden, in denen sich der Verwaltungsakt schon vor der Klageerhebung erledigt hat (Urteil des erkennenden Senats vom 7. August 1979 VII R 14/77, BFHE 128, 346, BStBl II 1979, 708; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 100 FGO Anm. 1 e).

Das FG hat im Ergebnis zu Recht das nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung des Zulassungsausschusses bejaht. Es kann dahinstehen, ob der Kläger - wie das FG meint - einen Anspruch auf Zulassung zu einer noch anzuberaumenden Steuerbevollmächtigtenprüfung erlangen würde, wenn durch Urteil festgestellt würde, daß seine Nichtzulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 rechtswidrig war, oder ob eine solche Feststellung geeignet wäre, die Erfolgsaussichten für einen in Aussicht genommenen Schadensersatzprozeß zu begründen oder zu verbessern. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß eine ungerechtfertigte Nichtzulassung zur Steuerberaterprüfung als ein so erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Bewerbers angesehen werden muß, daß stets ein berechtigtes Interesse an einer Rehabilitierung durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids besteht (vgl. BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459, und Urteil vom 27. Mai 1975 VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch für den Fall der Nichtzulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung fest. Die Vorentscheidung hat aber rechtsfehlerfrei die angefochtene Verwaltungsentscheidung bestätigt.

b) Der Kläger hat die Antragsfrist für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 und damit zugleich die Frist für einen letztmalig zu stellenden Antrag auf Zulassung zu einer Prüfung als Steuerbevollmächtigter versäumt. Wie der erkennende Senat mehrfach entschieden hat, lief die in § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG bestimmte regelmäßige Übergangsfrist von acht Jahren seit Inkrafttreten der Neuregelung über die Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe, innerhalb deren ein Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung noch gestellt werden konnte, mit Ablauf des 12. August 1980 ab (Urteil vom 2. Juni 1981 VII R 3/81, BFHE 133, 240, BStBl II 1981, 591). Nach § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG verlängerte sich für Bewerber, die nach dem 1. Januar 1979 die Prüfung als Steuerbevollmächtigter nicht bestanden oder aus ihnen nicht zu vertretenden Gründen an der Prüfung nicht teilgenommen haben, die in Satz 1 bezeichnete Frist um drei Jahre, d. h. also bis zum 12. August 1983. Die OFD und das FG sind zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger für die von ihm abzulegende erste Wiederholungsprüfung (§ 156 Abs. 1 Satz 2, § 35 Abs. 2 StBerG) die verlängerte Antragsfrist nach § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG in Anspruch nehmen konnte. Der Kläger hatte nach dem 1. Januar 1979 die Steuerbevollmächtigtenprüfung 1982 nicht bestanden; ferner war er bereits aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (Krankheit) gehindert gewesen, an der nach diesem Stichtag stattfindenden Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 teilzunehmen. Sein Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1984 ging aber erst am 15. August 1983 und damit nach Ablauf der in § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG gesetzlich bestimmten Antragsfrist bei der OFD ein.

c) Die OFD und das FG haben es zu Recht abgelehnt, dem Kläger wegen der Versäumung dieser Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 110 Abs. 1 AO 1977, der gemäß § 164 a StBerG auf die hier maßgebliche Antragsfrist Anwendung findet, ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenden zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Jedes für die Fristversäumung ursächliche Verschulden - also auch eine einfache Fahrlässigkeit - schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Beschluß vom 1. Oktober 1981 IV R 100/80, BFHE 134, 220, BStBl II 1982, 131). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann eine Fristversäumung nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291, m.w.N.). Für diese Beurteilung kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei auch die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, insbesondere seine (Steuer-)Rechtskundigkeit und Erfahrenheit zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 23. März 1966 II 67/64, BFHE 85, 517, BStBl III 1966, 437; Buchstab in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 2. Aufl., § 110 Anm. 8).

Dem Kläger war, wie das FG festgestellt hat, aufgrund ausdrücklicher Hinweise der OFD bekannt, daß die gesetzliche Frist für den Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung in seinem Falle gemäß § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG am 12. August 1983 ablief. Er wußte ferner, daß es sich hierbei um eine Ausschlußfrist handelte, über deren Bedeutung er als Bewerber für die Steuerbevollmächtigtenprüfung nicht im unklaren sein konnte. Der Kläger hat nach seinem Vorbringen auch versucht, diese Frist zu wahren, indem er am 11. August 1983 Frau H seinen Zulassungsantrag diktierte und diese beauftragte, den Antrag noch am selben Tage an die OFD abzusenden. Die eingetretene Fristversäumung ist zunächst darauf zurückzuführen, daß die Beauftragte den Anweisungen des Klägers nicht nachgekommen ist. Ein etwaiges Verschulden der Frau H braucht sich der Kläger nicht nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 zurechnen zu lassen, da diese nicht seine Vertreterin war. Eine gesetzliche Vertretung kommt im Streitfall ohnehin nicht in Betracht. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Kläger Frau H hinsichtlich der Besorgung seines Zulassungsantrags rechtsgeschäftlich zu seiner Bevollmächtigten bestellt hat (vgl. § 80 AO 1977), so daß auch eine gewillkürte Vertretung ausscheidet. Das wird bestätigt durch die Tatsache, daß die Beauftragte den von ihr geschriebenen Antrag ohne die Unterschrift des Klägers nicht absandte, sie sich also gehindert sah, als Bevollmächtigte im Namen des Klägers zu handeln. Frau H war vielmehr als Angestellte eines anderen Unternehmens nur gelegentlich bzw. gefälligkeitshalber für den Kläger tätig geworden, weil dieser sich in dem maßgeblichen Zeitraum im Unternehmensbereich ihres Arbeitgebers aufhielt.

Das Verschulden derartiger nicht vertretungsberechtigter Hilfspersonen (z. B. Boten, Angestellte eines Gewerbetreibenden, Beauftragte, Familien- und Haushaltsangehörige) ist dem Beteiligten zwar nicht über § 110 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 zuzurechnen. Er bleibt aber für die Fristwahrung soweit persönlich verantwortlich, als er das Verschulden seiner Hilfspersonen dann zu vertreten hat, wenn er bei ihrer Auswahl und Beaufsichtigung schuldhaft gehandelt hat (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1967 VI R 299/66, BFHE 90, 574, BStBl II 1968, 238, und vom 11. Januar 1983 VII R 92/80, BFHE 137, 399, BStBl II 1983, 334). Der Beteiligte darf sich nicht auf unerfahrene, der Sache nicht gewachsene Dritte verlassen. Zur notwendigen Beaufsichtigung gehört insbesondere die erforderliche Belehrung. So muß z. B. eine Hilfsperson, die am letzten oder - wie hier - vorletzten Tag der Frist mit der Fertigung und Absendung eines Schriftstückes beauftragt wird, auf die besondere Wichtigkeit und Eilbedürftigkeit des Auftrags hingewiesen werden; ferner muß sie im Rahmen des Zumutbaren und Voraussehbaren über alle Umstände belehrt werden, die zur Vermeidung der Fristversäumung erforderlich sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO 1977 Tz. 22 a.E.; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 110 AO 1977 Anm. 38, 77, 78). Der Kläger hat im Streitfall die Versäumung der Antragsfrist zu vertreten, weil er seiner Verpflichtung zu einer den Umständen angemessenen Belehrung der von ihm beauftragten Hilfsperson schuldhaft nicht im ausreichenden Maße nachgekommen ist.

Nach der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger zwar die von ihm am Tage vor Fristablauf (11. August 1983) mit der Fertigung und Absendung des Zulassungsantrags beauftragte Frau H auf die Wichtigkeit und Eilbedürftigkeit der Antragstellung hingewiesen. Frau H. hatte den Auftrag, den Brief mit dem Antrag auf Zulassung des Klägers zur Steuerbevollmächtigtenprüfung, dem unterschriebenen Verrechnungsscheck und dem polizeilichen Führungszeugnis noch am selben Tag an die OFD abzusenden, woran sie der Kläger nochmals gegen 14 Uhr telefonisch von X aus erinnert hat. Daß es trotz dieser Belehrung und nochmaligen Erkundigung durch den Kläger dann doch nicht zur rechtzeitigen Absendung des Briefes gekommen ist, ist nach seinem Vorbringen darauf zurückzuführen, daß sich Frau H deshalb an der Absendung des Antrags gehindert sah, weil die Unterschrift des Klägers auf dem Antragsschreiben fehlte. Der Kläger hätte zur Gewährleistung einer fristgemäßen Antragstellung auch dieses aus der Sicht der beauftragten Hilfsperson bestehende Hindernis rechtzeitig aus dem Wege räumen müssen.

Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung, wie der Kläger und das FG meinen, von der Beauftragten hätte unterzeichnet werden können. Sollte das nicht der Fall sein, so bestünde das Verschulden des Klägers an der Fristversäumung bereits darin, daß er nicht durch Blankounterschrift oder Unterzeichnung des Antrags vor seiner Abreise für die Möglichkeit einer formgerechten rechtzeitigen Antragstellung gesorgt hat. Aber auch wenn die Beauftragte rechtlich befugt gewesen sein sollte, den Zulassungsantrag selbst mit ihrem eigenen Namen oder dem Namen des Klägers zu unterzeichnen (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Aufl., § 126 Anm. 3 m.w.N.), so konnte sich der Kläger nicht darauf verlassen, daß sie ohne eine dahingehende Belehrung von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Der Kläger konnte nicht erwarten, daß der von ihm herangezogenen Hilfsperson, die mit den Angelegenheiten der steuerberatenden Berufe und deren Prüfungen nicht vertraut war, die Formerfordernisse für einen Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung bekannt waren. Bei Anträgen an Behörden in höchstpersönlichen Angelegenheiten wie die Zulassung zu bestimmten staatlichen Prüfungen ist es jedenfalls üblich, daß diese von den Antragstellern persönlich und eigenhändig unterschrieben werden. Deshalb mußte der Kläger damit rechnen, daß der Beauftragten vor der Absendung des Zulassungsantrags Bedenken an dessen Wirksamkeit wegen der fehlenden persönlichen Unterschrift kommen würden und sie deshalb trotz seines wiederholten Hinweises auf die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Angelegenheit die Absendung des Antrags zurückstellen würde. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich, wie der Kläger betont, bei Frau H um eine sonst zuverlässige, gewissenhafte und selbständig arbeitende Schreibkraft gehandelt hat. Das Verschulden des Klägers besteht in diesem Falle darin, daß er die naheliegenden und für ihn bei gehöriger Sorgfalt auch voraussehbaren rechtlichen Bedenken der Hilfsperson nicht durch entsprechende Belehrung und klare Anweisungen hinsichtlich der Unterschriftsleistung von vornherein ausgeräumt hat. Da der Kläger somit nicht ohne Verschulden gehindert war, die Antragsfrist einzuhalten, haben ihm die Verwaltung und das FG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt.

Die mit der Revision gegen die Vorentscheidung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Das FG hat an die vom Kläger vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt keine überspannten Anforderungen gestellt. Wie oben ausgeführt, setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Anwendung äußerster Sorgfalt voraus, wobei auf die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse und Kenntnisse des Antragstellers abzustellen ist. Hier ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Kläger um einen Bewerber für die Steuerbevollmächtigtenprüfung handelt, dem die Formerfordernisse für einen Antrag auf Zulassung zu dieser Prüfung bekannt sein mußten, der sich aber für die Antragstellung einer Hilfskraft bedient hat, die ihm allenfalls flüchtig bekannt war und von der er keinerlei Kenntnisse in der Auftragsangelegenheit erwarten konnte. Hier mußte sich eine Obliegenheit zur eingehenden Belehrung, um Pannen der eingetretenen Art zu verhindern, aufdrängen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß bereits eine fahrlässige Verletzung der Sorgfaltspflicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.

Die Vorentscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ab. Sämtliche vom Kläger hierzu angeführten Entscheidungen (Beschluß des BVerfG vom 11. Februar 1976 2 BvR 849/75, BVerfGE 41, 332; Urteile des BFH vom 13. August 1952 II 124/52 U, BStBl III 1952, 273; vom 8. März 1957 VI 117/55 U, BFHE 64, 509, BStBl III 1957, 190; vom 10. Februar 1961 VI 193/59 U, BFHE 72, 479, BStBl III 1961, 175; vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291, und vom 23. März 1966 II 67/64, BFHE 85, 517, BStBl III 1966, 437) betreffen Sachverhalte, die mit dem Streitfall nicht vergleichbar sind. Sie enthalten insbesondere keine Ausführungen über die Sorgfaltspflichten, die der Antragsteller bei der Heranziehung von Hilfspersonen zu beachten hat. Zu Unrecht beruft sich der Kläger auch auf die zur Frage des Büroversehens ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen ein Fehlverhalten der Angestellten von Rechtsanwälten oder Angehörigen der steuerberatenden Berufe für die Fristversäumung ursächlich war. Deren Verschulden wird bei ordnungsgemäßer Büroorganisation hinsichtlich der Wahrung von Fristen dem Berufsträger und dem Vertretenen (Beteiligten) nicht zugerechnet, so daß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO 1977 Tz. 22, m.w.N.). Der Kläger gehört aber nicht zu den Berufsträgern, bei denen ein Büroversehen entschuldigt werden kann. Er hat sich überdies zur Wahrung der Frist nicht einer eigenen, gut ausgebildeten und von ihm sorgfältig überwachten Büroangestellten bedient, sondern die Angestellte eines fremden Unternehmens, der gegenüber er keinerlei Weisungsbefugnisse besaß, als Hilfsperson herangezogen. Die Grundsätze über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Vorliegen eines Büroversehens finden deshalb auf den Streitfall keine Anwendung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 622

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