Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Im Sinn des § 1 Ziff. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 ist steuerbegünstigt, wer das Wohngebäude im eigenen Namen errichtet.

 

Normenkette

GrEStWGNW 1/1; GrEStWGNW 3/2

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) kaufte "zur Durchführung eines Bauvorhabens" mehrere unbebaute Grundstücke, und zwar durch Verträge vom 11. Oktober 1955 und 10. November 1955. Diese Grundstücke wurden zusammengelegt, in Bauparzellen aufgeteilt und anschließend an Siedler mit der Bestimmung weiterverkauft, daß diese darauf Wohngebäude durch die Bfin. erstellen lassen sollten. Die Gebäude wurden durch die Bfin. im Namen und für Rechnung der Siedler errichtet.

Streitig ist, ob auf den Vorgang, durch den die Bfin. die Grundstücke erwarb, die Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 anwendbar ist oder nicht.

Das Finanzamt hat die Steuerbefreiung verneint und die Bfin. zur Grunderwerbsteuer herangezogen.

Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist unbegründet.

Nach § 1 Ziff. 1 des bezeichneten Gesetzes ist unter bestimmten Voraussetzungen unter anderem von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ausgenommen: "der Erwerb eines unbebauten Grundstücks ... zur Errichtung eines Gebäudes...".

Diese Befreiungsvorschrift ist auf den Erwerb des Grundstücks durch die Bfin. nicht anwendbar. Wie der erkennende Senat im Urteil II 204/54 U vom 1. Dezember 1954 (BStBl 1955 III S. 47, Slg. Bd. 60 S. 122) ausgesprochen hat, will das Gesetz die Begünstigung nur einmal gewähren, und zwar dem Grundstückserwerber, der das Grundstück - gleichgültig ob mit fremden oder eigenen Mitteln (das heißt ob für eigene oder fremde Rechnung) - selbst bebaut. An dieser Auffassung wird festgehalten. Das Urteil betrifft zwar einen Fall, bei dem die Anwendbarkeit des § 1 Ziff. 2 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 (GVBl Niedersachsen 1952 S. 53, BStBl 1952 II S. 74) in Frage stand; da die Vorschriften des niedersächsischen Gesetzes und die des im Streitfall anwendbaren nordrhein-westfälischen Gesetzes - soweit für den Streitfall in Betracht kommend - übereinstimmen, bestehen keine Bedenken, das nordrhein-westfälische Gesetz entsprechend auszulegen. Unter "Errichtung eines Gebäudes" ist, wie sich aus dem vorerwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs II 204/54 U vom 1. Dezember 1954 ergibt, die Errichtung zu verstehen, die jemand im eigenen Namen vornimmt. Wie unstreitig ist, geschah dies im Streitfall nicht durch die Bfin., sondern durch die Siedler.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bfin. die Grundstücke in der Absicht gekauft hat, sie weiterzuveräußern, oder ob sie die Absicht hatte, sie teilweise selbst zu bebauen. Nach § 3 Abs. 1 des bezeichneten Gesetzes unterliegen die angeführten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von drei Jahren der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraums für den steuerbegünstigten Zweck verwendet worden ist. Nach § 3 Abs. 2 unterliegen die Erwerbsvorgänge schon vor Ablauf dieses Zeitraums der Steuer, wenn der steuerbegünstigte Zweck aufgegeben wird. Selbst wenn also die Bfin. die Absicht hatte, die Grundstücke zum Teil im eigenen Namen zu bebauen, ist der steuerbegünstigte Zweck mit der Weiterveräußerung der Grundstücke als von ihr aufgegeben anzusehen. Mit anderen Worten: Die Anwendung der Steuerbegünstigung erfordert, daß der Erwerber das Eigenheim im eigenen Namen erstellt. In der Weiterveräußerung des Grundstücks an einen Siedler, damit dieser das Grundstück im eigenen Namen bebaut, liegt zwar nicht die Aufgabe der Bebauungsabsicht als solcher, wohl aber die Aufgabe des vom Gesetz steuerlich begünstigten Zwecks.

Schließlich sei darauf hingewiesen, daß die Auffassung des Senats mit der Auslegung übereinstimmt, die zum Begriff des "Bauherrn" im Schrifttum zum Zweiten Wohnungsbaugesetz vom 27. Juni 1956 (in der Fassung des änderungsgesetzes vom 26. September 1957) vertreten wird. Im Kommentar von Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender (1956, Anm. 3 zu § 33, S. 438) wird ausgeführt:

"Mit dem Begriff "Bauherr" wird in erster Linie der Auftraggeber im Gegensatz zu dem bauausführenden Bauunternehmer oder Bauhandwerker gekennzeichnet. Bauherr ist, wer im eigenen Namen ein Gebäude errichtet oder errichten läßt, gleichgültig, ob auf eigenem oder fremdem Grundstück. Es kommt auch nicht darauf an, für wessen Rechnung das Grundstück errichtet wird. Bauherr ist also ein Wohnungsunternehmen nicht nur in dem Fall, in dem es Mietwohnungen für eigene Rechnung baut, sondern auch dann, wenn es Kaufeigenheime (vgl. § 9 Abs. 2 und die dort. Erlt.) oder Trägerkleinsiedlungen (vgl. § 10 Abs. 3 und die dort. Erlt.) für Rechnung bereits feststehender Bewerber errichtet. Das Wohnungsunternehmen ist in diesem Falle "Bauherr für fremde Rechnung". Der spätere Eigentümer ist, obwohl er u. U. das wirtschaftliche Risiko trägt, nur "Bewerber" und nicht "Bauherr". Dieser Unterschied ergibt sich aus den §§ 57 ff.; er kommt auch in der Neufassung des § 6 der Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGGDV) v. 25. 4. 1957 (BGBl I S. 406) eindeutig zum Ausdruck."

Ergänzend heißt es: "Der Bauherr kann einen "Betreuer" einschalten. Betreuer ist, wer im fremden Namen und für fremde Rechnung die mit der Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben verbundenen technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben übernimmt. Der Betreuer kann einzelne (Teilbetreuung) oder alle Bauherrenfunktionen (Vollbetreuung) übernehmen. Wesentlich ist stets, daß er nach außen als Vertreter des Bauherrn auftritt und der letztere das Bauherrenwagnis trägt. Diese Abgrenzung ist vor allem durch § 6 Abs. 2 der soeben erwähnten WGGDV klargestellt."

ähnlich äußert sich Ehrenforth, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, 1958, Anm. 1 zu § 33 (S. 284).

Die Grunderwerbsteuerbegünstigungen zugunsten des sozialen Wohnungsbaus sind seitens der Länder erst im Anschluß an das Erste Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 geschaffen worden, weil die Grunderwerbsteuer als Landessteuer nicht der Bundesgesetzgebung unterliegt (siehe Fischer-Dieskau-Pergande, Kommentar zum Ersten Wohnungsbaugesetz, 1950, S. 45, 105). Demgemäß kann davon ausgegangen werden, daß die Länderregelungen über die Grunderwerbsteuerbefreiung beim sozialen Wohnungsbau weitgehend an das Erste und Zweite Wohnungsbaugesetz angelehnt wurden, so daß es auch unbedenklich ist, unter "Errichtung" im Sinn des § 1 Ziff. 2 des vorbezeichneten Gesetzes vom 4. März 1952 die Tätigkeit zu verstehen, die der Erwerber als "Bauherr" im Sinn der Wohnungsbaugesetze vornimmt. Die Bfin. wurde jedoch bei der Erstellung der Wohngebäude nur im Namen und für Rechnung der Siedler tätig. Im Sinn der Wohnungsbaugesetze war sie somit lediglich "Betreuerin", während bürgerlich-rechtlich nur eine Vollmacht (im Verhältnis nach außen) - §§ 164 ff. BGB - bzw. ein Geschäftsbesorgungsvertrag (im Innenverhältnis zum Siedler) gegeben waren. Eine Steuervergünstigung ist demnach nicht anzuerkennen, weil die Bfin., um es zu wiederholen, das Wohnungsgebäude nicht im eigenen Namen errichtete.

Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409483

BStBl III 1959, 453

BFHE 1960, 518

BFHE 69, 518

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