Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 ist auch anwendbar, wenn der Erwerber des Grundstücks den Veräußerer als Betreuer im Sinne der §§ 37 und 38 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes einschaltet, also der Erwerber das Gebäude im eigenen Namen errichtet.

Eine übernahme des Gebäudes als Eigenheim im Sinne des § 1 Ziff. 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 ist nur dann gegeben, wenn der Erwerber das Wohngebäude schon beim Erwerb oder kurze Zeit nachher - sei es vollständig, sei es mindestens zur Hälfte - bezieht.

GrEStG § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c; nordrhein-westfälisches Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (GVBl für Nordrhein-Westfalen 1952 S. 33, BStBl 1952 II S. 46) § 1

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/1/c; GrESWGBY 1/1; GrESWGBY 1/4

 

Tatbestand

Ein gemeinnütziger Bauverein (nachstehend "Bauverein" genannt) erwarb durch Vertrag vom 27. Juli 1954 von einem Dritten ein in A. belegenes unbebautes Grundstück, um darauf für den Bf. ein Eigenheim zu errichten. In demselben Vertrage verpflichtete sich der Bauverein, das Grundstück innerhalb von zwei Jahren an den Bf. aufzulassen.

Das Wohnhaus, das nach den Plänen des Bf. errichtet worden war, wurde im Dezember 1955 bezugsfertig. Der Bf., der beabsichtigt hatte, das Haus als Eigenheim zu übernehmen, war am 1. April 1955 ... Direktor in X. geworden, verzog im Oktober 1955 mit seiner Familie nach dort und vermietete das Wohnhaus, als es bezugsfertig wurde, gegen einen Mietpreis von 132 DM monatlich. Lediglich der Sohn des Bf., der nach wie vor in A. die Schule besuchte, bezog in dem Wohnhaus ein Zimmer.

Das bebaute Grundstück wurde am 27. November 1955 in Ausführung des Vertrages vom 27. Juli 1954 auf den Bf. übertragen. Streitig ist, ob auf den Grundstückserwerb die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG oder die des § 1 Ziff. 1 oder 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (GVBl für Nordrhein-Westfalen 1952 S. 33, BStBl 1952 II S. 46) anwendbar ist.

Während der Bf. dem Finanzamt gegenüber behauptete, daß das Gebäude als "Kaufeigenheim" anzusehen sei (Grunderwerbsteuer-Fragebogen vom 11. Februar 1956 und Schreiben vom 11. Februar 1956), machte er in der Berufungsinstanz geltend (Schreiben an das Finanzgericht vom 5. Januar 1957 und vom 8. April 1957): Es sei ihm möglich gewesen, das in Betracht kommende Grundstück vom Voreigentümer in unbebautem Zustand unmittelbar für sich selbst zu kaufen. Jedoch sei der Bauverein "als Betreuungsstelle" eingeschaltet und das Grundstück zunächst vom Bauverein erworben worden. Der Bauverein habe aber nicht das freie Verfügungsrecht über das Grundstück gehabt, sondern sei verpflichtet gewesen, den Bau zu errichten und das Grundstück spätestens nach zwei Jahren auf ihn, den Bf., zu übertragen. Es sei der eindeutige Vertragswille aller Beteiligten gewesen, die Maßnahme des Bauvereins unter weitgehender Einschaltung des späteren Eigentümers durchzuführen. Entsprechend habe er, der Bf., auch die gesamte Bauplanung selbst vorgenommen. In der räumlichen Anordnung sei nach seinen Plänen verfahren und das Haus in seiner Gestaltung auf ihn und seine Familie abgestellt worden. Die Baufinanzierung sei weitgehend unter seiner persönlichen Haftung vorgenommen worden. Der Bauverein habe nie die Absicht gehabt, für sich ein Haus zu errichten. Unter diesen Umständen könne, wenn bei Auslegung der Verträge vom wirklichen Willen der Beteiligten ausgegangen werde, in der Zwischenschaltung des Bauvereins kein steuerschädlicher Rechtsvorgang erblickt werden. Er, der Bf., habe für die Durchführung der Betreuungsaufgabe eine Gebühr von 1 1/2 v. H. der Bausumme an den Bauverein gezahlt (Schreiben vom 5. Januar 1957).

Das Finanzamt verneinte sowohl die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG als auch die des § 1 Ziff. 1 und 4 des vorerwähnten Gesetzes vom 4. März 1952 und zog den Bf. zur Steuer heran. Auf Grund der letztgenannten Vorschriften sind von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen:

"1. der Erwerb eines unbebauten Grundstücks oder eines Grundstücks mit zerstörten Gebäuden zur Errichtung eines Gebäudes, dessen anrechenbare Grundfläche aller Räume (Wohn- und Nutzfläche) zu mehr als 80 vom Hundert auf Wohnungen und Wohnräume entfällt, die nach § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 (BGBl. S. 83) grundsteuerbegünstigt sind. ...;

und 3. ...

der Erwerb eines den Erfordernissen der Ziffer 1 entsprechenden Wohnhauses oder einer Wohnung zur ersten Nutzung durch eine Person, die das Haus als Eigenheim oder die Wohnung zu Eigentum übernimmt;

...." Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde, über die auf Antrag des Bf. mündlich verhandelt wurde, führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

I. - Die Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 4 des Gesetzes vom 4. März 1952 ist nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift ist unter anderem erforderlich, daß der Erwerber das Wohnhaus "zur ersten Nutzung" "als Eigenheim" übernimmt. Das Finanzgericht hat die Anwendbarkeit der bezeichneten Vorschrift deshalb verneint, weil das Wohnhaus nicht "als Eigenheim übernommen", sondern bereits ab Fertigstellung an eine dritte Person vermietet wurde und bei Beendigung der finanzgerichtlichen Instanz (die angefochtene Entscheidung erging am 11. September 1957) nach wie vor vermietet war.

Es kann davon ausgegangen werden, daß das Wohngebäude als solches im Streitfall als Eigenheim anzusehen ist. Siehe dazu das Urteil des erkennenden Senats II 38/53 U vom 12. August 1953 (BStBl 1953 III S. 270, Slg. Bd. 57 S. 709) und § 20 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes i. d. F. vom 25. August 1953 (BGBl 1953 I S. 1047). Auch ist der Auffassung des Finanzgerichts, daß der Bf. das Wohngebäude nicht als Eigenheim übernommen hat, im Streitfall zuzustimmen. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II 171/41 vom 6. Mai 1943 (RStBl 1943 S. 660, Slg. Bd. 53 S. 165), dem sich der Senat anschließt, wird ein Wohngebäude nur dann als Eigenheim übernommen, wenn der Erwerbsvorgang von dem ernstlichen Willen des Erwerbers beherrscht wird, das Gebäude sobald als möglich den Zwecken des Eigenheims, d. h. der Bewohnung durch den Erwerber und seine Familie zuzuführen. Danach ist notwendig, daß der Erwerber das Eigenheim schon beim Erwerb oder kurze Zeit nachher - sei es vollständig, sei es mindestens zur Hälfte - bezieht. Diese Voraussetzung ist, wie auch das Finanzgericht ausführt, im Streitfall nicht gegeben. Vielmehr hat der Bf. das neu erworbene Eigenheim nicht bezogen, sondern seinen Wohnsitz aus beruflichen Gründen nach X. verlegt und diesen, wie er in der mündlichen Verhandlung auf Befragen erklärte, während der Zwischenzeit unverändert beibehalten. Die im Urteil des Reichsfinanzhofs II 171/41 vom 6. Mai 1943 aufgestellten Erfordernisse sind somit nicht gegeben. Der Umstand, daß der damals zwanzigjährige Sohn des Bf. in dem Hausgrundstück ein Zimmer bezogen hat, reicht nicht aus, um von einer übernahme des Gebäudes als Eigenheim zu sprechen.

Richtig ist, worauf der Bf. hinweist, daß die Vorschrift des § 1 Ziff. 4 des Gesetzes vom 4. März 1952 durch das "Gesetz zur änderung und Ergänzung des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952" vom 3. Juni 1958 (GVBl für Nordrhein-Westfalen 1958 S. 221, BStBl 1958 II S. 103) geändert wurde. Danach hat die bisherige Vorschrift der Ziff. 4 als Ziff. 5 die folgende Fassung erhalten:

"5. der erste Erwerb eines den Erfordernissen der Ziffer 1 entsprechenden Wohnhauses oder einer Wohnung durch eine Person, die das Haus als Eigenheim oder die Wohnung zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung übernimmt, wenn der Erwerb innerhalb von zwölf Jahren nach der Gebrauchsabnahme erfolgt;".

Die bisherige und die neue Vorschrift unterscheiden sich unter anderem dadurch, daß in der letzteren die Worte zur "ersten Nutzung" nicht mehr enthalten sind. Erforderlich ist jedoch nach wie vor, daß der Erwerber das Haus "als Eigenheim übernimmt". Wird unterstellt, daß die abgeänderte Vorschrift bereits auf den in Betracht kommenden Grundstückserwerb anwendbar wäre, so könnte demnach aus den oben angeführten Gründen auch auf Grund der neuen Regelung eine Steuerbefreiung nicht eintreten.

Es kann davon ausgegangen werden, daß, wie der Bf. geltend macht (Schreiben vom 5. Dezember 1959), nach einem Runderlaß des Nordrhein-Westfälischen Ministers für den Wiederaufbau vom 27. Oktober 1959 (veröffentlicht im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Ausgabe A Nr. 123 vom 26. November 1959) eine nur vorübergehende Vermietung eines Familienheimes (z. B. wegen Minderjährigkeit, beruflich begründetem oder dienstlich angeordnetem Wohnungswechsel) nicht hindert, ein Wohngebäude als "Familienheim" im Sinne des § 7 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 anzuerkennen. Daraus folgt aber nicht, daß nach den gleichen Grundsätzen auch bei Auslegung des § 1 Ziff. 4 des Gesetzes vom 4. März 1952 verfahren werden muß. Der vorbezeichnete Erlaß befaßt sich insoweit auch lediglich mit der Auslegung des § 7 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, nicht mit der des § 1 Ziff. 4 des hier anzuwendenden Gesetzes vom 4. März 1952. Die bezeichneten Vorschriften haben im übrigen nicht den gleichen Wortlaut. Eine Bestimmung, wonach das Familienheim seine Eigenschaft nur dann verliert, "wenn es für die Dauer nicht seiner Bestimmung entsprechend genutzt wird", ist im § 1 Ziff. 4 des Gesetzes vom 4. März 1952 nicht enthalten.

Die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG ist gleichfalls nur dann gegeben, wenn das Wohngebäude "als Eigenheim übernommen" wird. Im Streitfall liegt eine solche übernahme nicht vor. Wegen der Gründe wird auf die obigen Ausführungen zur Vorschrift des § 1 Ziff. 4 des Gesetzes vom 4. März 1952 Bezug genommen.

II. - Möglich ist jedoch, daß die Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 1 des Gesetzes vom 4. März 1952 anwendbar ist.

Allerdings könnte die Anwendbarkeit nicht damit begründet werden, daß der Bf., wie er gegenüber dem Finanzamt behauptete, ein Kaufeigenheim erworben habe. Der Begriff des Kaufeigenheims ist im § 9 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 (BGBl I S. 523) bestimmt. Danach ist ein Kaufeigenheim ein Grundstück mit einem Wohngebäude, das nicht mehr als zwei Wohnungen enthält und von einem Bauherrn (hier dem Bauverein) mit der Bestimmung geschaffen worden ist, es einem Bewerber (hier dem Bf.) als Eigenheim zu übertragen. Die Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 1 des vorbezeichneten Gesetzes ist aber nur beim Erwerb eines unbebauten Grundstücks oder eines Grundstücks mit zerstörten Gebäuden gegeben.

Im Streitfall besteht durchaus die Möglichkeit, daß der Erwerb eines unbebauten Grundstücks vorliegt. Dies wäre der Fall, wenn das Gebäude auf Grund eines zwischen dem Bf. und dem Bauverein geschlossenen Betreuungsvertrages errichtet worden ist. Mit dem Betreuungsvertrag befassen sich die §§ 37, 38 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Zum Begriff des Betreuungsvertrages wird im Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz von Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender (1956, Anm. 3 zu § 33, S. 437) ausgeführt:

""Der Bauherr kann einen "Betreuer" einschalten. Betreuer ist, wer im fremden Namen und für fremde Rechnung die mit der Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben verbundenen technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben übernimmt. Der Betreuer kann einzelne (Teilbetreuung) oder alle Bauherrenfunktionen (Vollbetreuung) übernehmen. Wesentlich ist stets, daß er nach außen als Vertreter des Bauherrn auftritt und der letztere das Bauherrenwagnis trägt. Diese Abgrenzung ist vor allem durch § 6 Abs. 2 der soeben erwähnten WGGDV klargestellt.""

ähnlich äußert sich Ehrenforth, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, 1958, Anm. 1 zu § 33 (S. 284 ff.). Demgemäß ist der Betreuer nicht der Bauherr, sondern der Betreuer handelt lediglich im fremden Namen und für fremde Rechnung. Er ist also nur unmittelbarer Stellvertreter. Daraus ergibt sich für den Streitfall, daß der Bf. der Bauherr sein würde, wenn zwischen ihm und dem Bauverein lediglich ein Betreuungsvertrag geschlossen wäre. In diesem Fall hätte er das Wohngebäude im eigenen Namen errichtet und wäre demgemäß im Sinne des § 1 Ziff. 1 des Gesetzes vom 4. März 1952 als steuerbegünstigt anzusehen. Siehe insoweit auch das Urteil des Senats II 66/57 U vom 2. September 1959 (BStBl 1959 III S. 453, Slg. Bd. 69 S. 518). Wie schon in diesem Urteil ausgeführt wurde, kann davon ausgegangen werden, daß die Länderregelungen über die Grunderwerbsteuerbefreiung beim sozialen Wohnungsbau weitgehend an das Erste und das Zweite Wohnungsbaugesetz angelehnt wurden, so daß auch unter "Errichtung" im Sinne des § 1 Ziff. 1 des vorbezeichneten Gesetzes vom 4. März 1952 die Tätigkeit zu verstehen ist, die der Erwerber als "Bauherr" im Sinne der Wohnungsbaugesetze vornimmt.

Die Sache bedarf näherer Aufklärung. Es ist zu untersuchen, ob der Bf. oder der Bauverein "Bauherr" war, insbesondere ob zwischen dem Bauverein und dem Bf. ein "Betreuungsvertrag" abgeschlossen und der Bauverein lediglich im Rahmen eines solchen Vertrages tätig wurde. Für einen Betreuungsvertrag spricht unter anderem, daß dem Bf. eine Betreuungsgebühr in Rechnung gestellt wurde. Andererseits ist, wenn ein Betreuungsvertrag gegeben war, nicht verständlich, warum der Bf. das Grundstück vom Bauverein, nicht aber unmittelbar von dem Voreigentümer erwarb; der Zwischenerwerb durch den Bauverein wäre in diesem Fall entbehrlich gewesen.

Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409570

BStBl III 1960, 202

BFHE 1960, 542

BFHE 70, 542

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