Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen der Gewährung von PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens

 

Leitsatz (NV)

Wird PKH für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird das Rechtsmittel nicht zugleich durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person eingelegt, ist die Erfolgsaussicht nur dann zu bejahen, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist sein PKH- Gesuch zusammen mit den erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, sofern er nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 117 Abs. 2

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) wegen Einkommensteuer ab und ließ die Revision nicht zu. Das Urteil wurde der Antragstellerin am 7. August 1995 zugestellt.

Mit dem am 5. September 1995 beim FG und am 6. September 1995 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz beantragt die Klägerin, vertreten durch X, die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG. Sie trägt vor, da ihr Bevollmächtigter erst am 30. August 1995 aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, habe er keinen Anwalt besorgen können. Unter Hinweis auf einen beigefügten Rechtsschutz-Versicherungsschein bittet die Antragstellerin, ihr einen Anwalt beizuordnen. Ferner führt sie aus, die Revision gegen das Urteil des FG sei zulässig, da ihr nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden und die Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als Maßnahme der PKH kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) oder Steuerberaters (§ 142 Abs. 2 FGO) in Betracht, wenn sie erforderlich erscheint oder die Vertretung durch derartige Personen als Prozeßbevollmächtigte vorgeschrieben ist.

Dem Antrag auf Bewilligung von PKH sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I 1994, 3001) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).

Wird PKH für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird nicht zugleich durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person Revision oder Beschwerde eingelegt, ist die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nur dann zu bejahen, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist sein Gesuch um Bewilligung von PKH zusammen mit den nach § 142 FGO i. V. m. § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, sofern er nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 13, § 142 Anm. 12 m. w. N.).

2. Hiervon ausgehend gelangt der Senat nicht zur Prüfung der materiellen Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin beabsichtigten Revision gegen das ihre Klage abweisende FG-Urteil.

Würde die Revision nunmehr -- von einem vor dem BFH vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs) -- eingelegt, wäre sie wegen Versäumung der Revisionsfrist von einem Monat (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO), die durch die Zustellung des Urteils am 7. August 1995 in Lauf gesetzt wurde, als unzulässig zu verwerfen. Gleiches hätte für die Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision durch das FG nach § 115 Abs. 3 FGO, für die eine Beschwerdefrist ebenfalls von einem Monat nach der Zustellung des FG-Urteils einzuhalten ist, zu gelten.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist käme nicht in Betracht. Wie oben dargelegt ist, setzt in Fällen, in denen ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen befugten Vertreter fristgerecht einzulegen, die Wiedereinsetzung voraus, daß der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare tut, um das in seiner Mittellosigkeit stehende Hindernis zu beheben. Er muß daher bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen. Dazu gehört, daß der Antragsteller innerhalb dieser Frist das Gesuch um PKH und auch die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der vorgeschriebenen Form (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO) einreicht, sofern er nicht auch hieran wiederum ohne sein Verschulden gehindert ist (BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1985 I B 44/85, BFH/NV 1986, 557).

Die Antragstellerin hat indes in ihrem Gesuch um die Gewährung von PKH lediglich auf einen -- im übrigen bereits einige Zeit vor dem Ablauf der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist beendeten -- Krankenhausaufenthalt ihren Bevollmächtigten hingewiesen. Angaben i. S. von § 117 Abs. 2 ZPO über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fehlen.

Da die Antragstellerin nicht einmal den vorgeschriebenen Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat, fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Bewilligung von PKH nach §§ 142 Abs. 1 FGO, 117 Abs. 4 ZPO. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen amtlichen Vordruck ist unverzichtbar, wenn die erforderlichen Angaben nicht anderweitig und in vergleichbar übersichtlicher Weise vorliegen (BFH-Beschluß vom 24. Februar 1993 IX B 70/92, BFH/NV 1993, 682). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen ordnungsgemäßen Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und damit für eine mögliche Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Revisionsfrist hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Solche Umstände sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421275

BFH/NV 1996, 703

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