Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH für NZB-Verfahren

 

Leitsatz (NV)

Wird PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird nicht zugleich durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person das Rechtsmittel eingelegt, ist die Erfolgsaussicht nur dann zu bejahen, wenn dem Rechtsmittelführer wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies setzt voraus, daß das PKH-Gesuch zusammen mit den erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht worden ist, sofern der Rechtsmittelführer auch hieran nicht schuldlos verhindert war.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114 S. 1, § 117 Abs. 2, 4

 

Tatbestand

Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) stammt aus ... (Ausland). Er kam 1982 als politischer Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. 1988 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen. Die hierfür entstandenen Kosten anerkannte der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) nicht als außergewöhnliche Belastung. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil wurde dem Kläger am 23. Juni 1995 zugestellt.

Mit dem von ihm selbst unterzeichneten, am 20. Juli 1995 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Schriftsatz legte der Antragsteller Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Der an das FG adressierte Schriftsatz ging mit der Vorlage der Akten nach der Entscheidung über die Nichtabhilfe durch das FG am 10. August 1995 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Der Antragsteller trägt vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Er weist darauf hin, einem politischen Flüchtling entstünden Nachteile, da er ohne Einbürgerung keine parlamentarische Tätigkeit aufnehmen könne. Er sei ferner gegenüber seinen Kindern sittlich verpflichtet gewesen, die Einbürgerung zu beantragen. Seine wirtschaftliche Lage erlaube es ihm nicht, die Kosten für eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater selbst aufzubringen.

Mit dem am 24. Juli 1995 beim FG eingegangenen und mit der Beschwerde dem BFH vorgelegten weiteren Schriftsatz reichte der Antragsteller zur Begründung seines PKH- Antrags die Kopie einer Gehaltsabrechnung für Juni 1995 ein. Daraus ergibt sich, daß der Antragsteller verheiratet ist und minderjährige Kinder hat. Sein Nettomonatslohn beträgt bei Steuerklasse III und ... Kinderfreibeträgen ... DM.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaft lichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als Maßnahme der PKH kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) oder Steuerberaters (§ 142 Abs. 2 FGO) in Betracht, wenn sie erforderlich erscheint oder die Vertretung durch derartige Personen als Prozeßbevollmächtigte vorgeschrieben ist.

Dem Antrag auf Bewilligung von PKH sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I 1994, 3001) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).

Wird PKH für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens beantragt und wird nicht zugleich durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person Revision oder Beschwerde eingelegt, ist die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs nur dann zu bejahen, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsbehelfsfrist sein Gesuch um Bewilligung von PKH zusammen mit den nach § 142 FGO i. V. m. § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, sofern er nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 13, § 142 Anm. 12 m. w. N.).

2. Hiervon ausgehend gelangt der Senat nicht zur Prüfung der materiellen Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers.

Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte -- ausgenommen juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden -- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Da der Antragsteller nicht zum Kreis der Personen gehört, die eine (zulässige) Beschwerde beim BFH einlegen können, ist sein Rechtsbehelf bereits deshalb unzulässig. In der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist der Antragsteller auf das Erfordernis der Vertretung durch einen der betreffenden Berufsangehörigen hingewiesen worden.

Würde die Beschwerde nunmehr von einem vor dem BFH vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten eingelegt, wäre sie wegen Versäumung der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO), die durch die Zustellung des Urteils am 23. Juni 1995 in Lauf gesetzt wurde, als unzulässig zu verwerfen. Auch eine nachträgliche Genehmigung der Prozeßführung des Antragstellers durch einen zugelassenen Vertreter wäre ausgeschlossen (Beschluß des BFH vom 15. Februar 1991 IV R 114/90, BFH/NV 1992, 481).

Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist käme nicht in Betracht. Wie oben dargelegt ist, setzt in Fällen, in denen ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen befugten Vertreter beim BFH fristgerecht einzulegen, die Wiedereinsetzung voraus, daß der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare tut, um das in seiner Mittellosigkeit stehende Hindernis zu beheben. Er muß daher bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen. Dazu gehört, daß der Antragsteller innerhalb dieser Frist das Gesuch um PKH und auch die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der vorgeschriebenen Form (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO) einreicht, sofern er nicht auch hieran wiederum ohne sein Verschulden gehindert ist (BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1985 I B 44/85, BFH/NV 1986, 557).

Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller sein innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim FG, aber erst nach Fristablauf beim BFH als Prozeßgericht (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingegangenes Gesuch um Bewilligung von PKH fristgerecht eingereicht hat bzw. ob ihm insoweit Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für die Einreichung seines PKH-Antrags gewährt werden könnte (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338). Denn der Antragsteller hat in seiner Beschwerdeschrift lediglich auf seine finanziell bedrängte Situation hingewiesen und mit dem nachgereichten Schriftsatz nur die Kopie einer Gehaltsabrechnung vorgelegt, aus der im wesentlichen sein monatliches Nettogehalt zu ersehen ist. Da der Antragsteller für seine Angaben nicht den vorgeschriebenen Vordruck verwandt hat, fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Bewilligung von PKH nach §§ 142 Abs. 1 FGO, 117 Abs. 4 ZPO. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen amtlichen Vordruck ist unverzichtbar, wenn die erforderlichen Angaben nicht anderweitig und in vergleichbarer übersichtlicher Weise vorliegen (BFH- Beschluß vom 24. Februar 1993 IX B 70/92, BFH/NV 1993, 682). Hiervon ist im Streitfall nicht auszugehen, da die Angaben des Antragstellers keine vollständige Überprüfung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen. Insbesondere fehlen jegliche Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse und auch über das Einkommen und Vermögen seines Ehegatten (s. auch BFH-Beschluß vom 8. November 1993 VI B 99/93, BFH/NV 1994, 258).

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen ordnungsgemäßen Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und damit für eine mögliche Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Solche Umstände sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421228

BFH/NV 1996, 778

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