Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren.

2. Daß ein Rechtsanwalt seine Ehefrau in deren eigener Abgabenangelegenheit im Vorverfahren vertreten hat, steht der Erklärung des Gerichts gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO grundsätzlich nicht entgegen.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 91 Abs. 2 S. 4; BGB §§ 1353, 1364; LAG § 129

 

Tatbestand

Die Beschwerde des FA richtet sich gegen den Beschluß des FG, mit dem es auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat.

Das Vorverfahren und der Rechtsstreit vor dem FG betrafen die Ablehnung eines für den Erlaßzeitraum 1956 bis 1958 gestellten Antrags auf Erlaß von HGA-Leistungen wegen ungünstiger Ertragslage (§ 129 LAG) des der Beschwerdegegnerin gehörenden Grundstücks. Der Prozeßbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin ist deren Ehemann, ein Rechtsanwalt und Notar, der sie im Einspruchsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren vertreten hat. Der Rechtsstreit wurde nach Bekanntwerden des Urteils des BFH III 240/62 U vom 2. April 1965 (BFH 82, 379, BStBl III 1965, 385) in der Hauptsache dadurch erledigt, daß das FA die Klägerin durch geänderten Einspruchsbescheid klaglos stellte. Die Kosten des Verfahrens wurden dem FA auferlegt. Auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erging der Beschluß gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, der die Zuziehung für notwendig erklärt hat, weil es um die Entscheidung einer schwierigen Rechtsfrage ging.

Mit der vom FA eingelegten Beschwerde wurde gerügt, daß der Beschluß nicht bereits im Erkenntnisverfahren im Rahmen der Kostenentscheidung getroffen worden sei, sondern erst später. Materiell wurde geltend gemacht, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren sei nicht notwendig gewesen, weil es sich nicht um die Klärung von besonders schwierigen Rechtsfragen gehandelt habe. Streitig sei lediglich die Absetzbarkeit der Kosten für die Instandsetzungen gewesen, die die Abgabeschuldnerin im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb an den Gebäuden vorgenommen hatte. Aufwendungen dieser Art seien jedoch nach dem Zusatzerlaß zur 17. AbgabenDV-LA vom 28. Februar 1957 - zu § 8 (Instandhaltungskosten): Nr. 1 Abs. 2 - (LA-Kartei § 129 Karte 20, BStBl I 1957, 169) nicht abzugsfähig. Im übrigen werde die Klägerin anwaltlich durch ihren Ehegatten vertreten. Eine Kostenerstattung von Gebühren eines Rechtsanwalts, der eine Steuerangelegenheit seiner Ehefrau in einem Verfahren vor dem FG wahrnehme, komme jedoch nicht in Betracht, da der Ehemann durch die Wahrnehmung der Interessen seiner Ehefrau lediglich der aus der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft folgenden Beistandspflicht genüge. Es sei bei der Beurteilung dieser Frage auch unerheblich, in welchem Güterstand die Eheleute miteinander lebten. Dies habe der BFH im Urteil II 52/56 U vom 13. November 1957 (BFH 66, 47, BStBl III 1958, 18 f.) ausgesprochen. Im übrigen stehe einem Rechtsanwalt in eigener Sache kein Anspruch auf Erstattung eigener Gebühren zu, wie der BFH im Urteil VII 237/64 vom 11. Januar 1966 (BFH 84, 582, BStBl III 1966, 211) entschieden habe. Das müsse auch gelten, wenn ein Rechtsanwalt die Steuerangelegenheiten seiner Ehefrau in einem Verfahren vor dem FG vertrete. Das FA hat beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Beschwerde des FA war der Erfolg zu versagen.

Die Bedenken der Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Zulässigkeit der Nachprüfung eines gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ergangenen Beschlusses des FG durch den BFH sind unbegründet. Ein solcher Beschluß kann, wie der Große Senat des BFH (Beschluß Gr. S. 5-7/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 150 [155], BStBl II 1968, 56) entschieden hat, gemäß § 128 Abs. 3 FGO mit der Beschwerde an den BFH angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50 DM übersteigt. Im Antrag vom 10. August 1966 hat der Prozeßbevollmächtigte für seine Mitwirkung im Vorverfahren gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte die Festsetzung seiner Kosten mit 219 DM beantragt, so daß auch hinsichtlich der Höhe keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen.

Die Einwendungen des FA dagegen, daß der angefochtene Beschluß nicht im Erkenntnisverfahren im Rahmen der Kostenentscheidung gefaßt worden ist, sondern außerhalb davon, sind durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH Gr. S. 5-7/66, a. a. O., gegenstandslos geworden; denn der Große Senat hat entschieden, daß die gerichtliche Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht zur Kostenentscheidung, sondern in das Kostenfestsetzungsverfahren gehört und daher grundsätzlich auch in diesem Verfahren zu treffen ist.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wurde vom FG auch mit Recht für notwendig erklärt; denn es handelte sich im Verfahren der Hauptsache um eine schwierigere Rechtsfrage, die rechtliche Kenntnisse und Erfahrungen erforderte. Der Prozeßbevollmächtigte der Abgabeschuldnerin mußte sich nämlich gegen die von der beauftragten Stelle und vom FA vertretene Auffassung wenden, die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen müsse im Hinblick auf den Zusatzerlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Februar 1957 zur 17. Abgaben-DV-LA, a. a. O. (Nr. 1 zu § 8) verneint werden, so daß aus diesem Grunde ein Erlaß wegen ungünstiger Ertragslage nicht in Betracht komme. Erst das Urteil des erkennenden Senats III 240/62 U vom 2. April 1965, a. a. O., hat diese Frage entschieden, und zwar zugunsten der Abgabeschuldnerin, so daß das FA genötigt war, von seiner auf Grund des genannten Zusatzerlasses gefestigten Verwaltungspraxis abzugehen.

Der Einwand des FA, einem Rechtsanwalt stände in eigener Sache kein Anspruch auf Erstattung eigener Gebühren zu, was auch gelten müsse, wenn er Steuerangelegenheiten seiner Ehefrau in einem Verfahren vor dem FG vertritt, trifft ebenfalls nicht zu. Daß einem Rechtsanwalt auch im finanzgerichtlichen Verfahren in eigener Sache Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, hat der BFH mit Beschluß VII B 10/67 vom 29. Oktober 1968 (BFH 94, 113, BStBl II 1969, 81) in sinngemäßer Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO entschieden. Im Streitfall handelt es sich jedoch nicht um die Erstattung von Gebühren und Auslagen im finanzgerichtlichen Verfahren, sondern um solche eines außergerichtlichen Vorverfahrens. Ob aber § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO auch auf das außergerichtliche Vorverfahren anwendbar ist, das sich erheblich von einem gerichtlichen Verfahren unterscheidet, ist zweifelhaft. Der Senat braucht jedoch hierzu nicht abschließend Stellung zu nehmen, weil ein Fall des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht vorliegt.

Der Prozeßbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin ist nicht in eigener Sache, sondern in einer HGA-Angelegenheit seiner Ehefrau tätig geworden; das mit HGA belastete Grundstück gehört allein der Ehefrau, sie ist die HGA-Schuldnerin. Der BFH hat im Urteil II 52/56 U, a. a. O., auf das sich das FA bezogen hat, entschieden, daß die Wahrnehmung der steuerlichen Interessen der Ehefrau in einem ihr Vermögen betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich eine für den Ehemann im Rechtssinne "fremde" (nicht "eigene") Angelegenheit sei. Nach § 1364 BGB verwaltet jeder Ehegatte sein Vermögen grundsätzlich selbständig. Wie der BFH in dem genannten Urteil weiter ausgeführt hat, gilt auch dann nichts anderes, wenn, unbeschadet vereinbarter oder kraft Gesetzes geltender Gütertrennung, eine Ehefrau ihrem Ehemann, der Rechtsanwalt ist, die Verwaltung ihres Vermögens ganz oder teilweise übertragen hat; denn er sei insoweit grundsätzlich Verwalter "fremden" Vermögens und im Rechtssinn an die "Weisungen" seiner Ehefrau gebunden. Der BFH hatte einen Erstattungsanspruch in diesem Urteil allerdings im Hinblick auf die gemäß § 1353 BGB bestehende Beistandspflicht der Ehegatten abgelehnt. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob man dieser aus § 1353 BGB gefolgerten Auffassung heute noch folgen kann, zumal der BFH in diesem Urteil einräumt, daß unter Umständen bei besonders gelagerten Fällen eine andere Beurteilung in Betracht kommen kann. Der Senat hält im Streitfall jedenfalls die Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren für so wesentlich, daß sie als über den Rahmen der durch § 1353 BGB gebotenen Beistandspflicht weit hinausgehend angesehen werden muß. Einer Geltendmachung von Gebührenansprüchen gegen die Ehefrau steht daher, selbst wenn man den Überlegungen der Entscheidung II 52/56 U, a. a. O., heute noch folgte, die Beistandspflicht des § 1353 BGB nicht entgegen. Der Rechtsanwalt kann hier nicht anders behandelt werden, als wenn sein Mandant nicht seine Ehefrau wäre.

Das FG hat die Voraussetzungen für seine Erklärung gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO daher mit Recht als gegeben angesehen. Daß das außergerichtliche Vorverfahren schon lange vor dem Inkrafttreten der FGO abgeschlossen war, steht der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen. Denn entscheidend ist, daß das gerichtliche Verfahren, das sich an das Vorverfahren anschloß, erst nach dem 31. Dezember 1965 zum Abschluß gekommen ist (vgl. hierzu Beschluß Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 156, BStBl II 1968, 59).

Mit dieser Ausgabe schließt der Teil II des Jahrgangs 1969.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68318

BStBl II 1969, 751

BFHE 1970, 54

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