Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutwillige Rechtsverfolgung bei Klage gegen Folgebescheid

 

Leitsatz (NV)

Für die Klage gegen einen Folgebescheid, die auf Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid gestützt wird, kann Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) hat gegen die wegen Einkommensteuer 1979 ergangene Einspruchsentscheidung des beklagten Finanzamts (FA) Klage erhoben. Er brachte vor, das FA habe ihm zu Unrecht Einkünfte aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zugerechnet, weil es eine solche Gesellschaft nicht gebe.

Der Antragsteller hat beim Finanzgericht (FG) beantragt, den Einkommensteuerbescheid 1979 vom 24. November 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 1983 aufzuheben und entsprechend § 256 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gemäß § 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO) festzustellen, daß der Gewinnfeststellungsbescheid des FA vom 17. November 1983 für die GbR nichtig sei. Hilfsweise wurde beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung der Sache wegen Gewinnfeststellung 1979 der GbR auszusetzen (§ 74 FGO).

Das FG wies die Anfechtungsklage als unzulässig ab, weil sich der Antragsteller gegen den Einkommensteuerbescheid mit Gründen wende, die sich gegen den Gewinnfeststellungsbescheid der GbR richteten. Dem stehe § 42 FGO und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entgegen. Auch der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids sei unzulässig, da über das Schicksal dieses Bescheids in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sei. Wegen § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 komme auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO nicht in Betracht. Über den Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1979 der GbR sei noch nicht entschieden.

Der Antragsteller hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt, die beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen I R 23/85 anhängig ist. Mit der Revision hält der Antragsteller an seinem Anfechtungs- und Feststellungsbegehren fest.

Er beantragt, ihm für das Revisionsverfahren I R 23/85 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten zu bewilligen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Revisionsverfahren I R 23/85 ist abzulehnen. Prozeßkostenhilfe ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das Begehren des Antragstellers hat zum Teil keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, zum Teil erscheint es als mutwillig.

1. Der Antrag, im Wege der sog. Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ,,die Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids betreffend die angebliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts vom 17. 11. 1983 festzustellen", hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a) Im vorliegenden Verfahren wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen im finanzgerichtlichen Verfahren eine Zwischenfeststellungsklage in Betracht kommt (vgl. v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 41 FGO Anm. 21-23; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Band 2, Tz. 5850-5853). Offenbleiben kann auch, ob im Verfahren über den Folgebescheid die Nichtigkeit des Grundlagenbescheids festgestellt werden könnte. Es kann auch dahinstehen, ob der Antragsteller gegen den Grundlagenbescheid Anfechtungsklage erhoben hat und welche Auswirkung eine solche Klage auf die Feststellungsklage hätte (vgl. v. Wallis, a.a.O., § 41 FGO Anm. 14; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a.a.O., Tz. 5847). Auf diese Fragen kommt es nicht an, weil die vom Antragsteller geltend gemachten Mängel des Grundlagenbescheids keine Nichtigkeit begründen können.

b) Gemäß § 125 Abs. 1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Der Antragsteller ist der Auffassung, es habe keine GbR bestanden, weshalb eine Gewinnfeststellung für diese GbR hätte unterbleiben müssen. Träfe diese Auffassung zu, wäre der Gewinnfeststellungsbescheid allenfalls rechtswidrig. Eine Nichtigkeit könnte daraus nicht gefolgert werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1971 III R 108/69, BFHE 101, 277, 280, BStBl II 1971, 295, 296; BFH-Beschluß vom 1. Oktober 1981 IV B 13/81, BFHE 134, 223, BStBl II 1982, 133).

2. Bezüglich der gegen den Einkommensteuerbescheid 1979 (Folgebescheid) gerichteten Anfechtungsklage erscheint die Rechtsverfolgung mutwillig.

a) Eine Rechtsverfolgung ist dann mutwillig, wenn ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde oder wenn der Beteiligte den von ihm verfolgten Zweck auf einem billigeren als dem von ihm eingeschlagenen Weg erreichen könnte (vgl. Zöller/Schneider, Zivilprozeßordnung, 14. Aufl., 1984, § 114 Anm. 50). Im Streitfall hätte eine Anfechtung des Grundlagenbescheids genügt (vgl. § 351 Abs. 2 AO 1977, § 42 FGO); der im vorliegenden Verfahren angefochtene Einkommensteuerbescheid 1979 wäre ggf. gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern.

b) Allerdings hat das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Klage gegen einen Folgebescheid, die auf Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid gestützt wird, nicht unzulässig (vgl. z. B. Beschluß vom 27. September 1972 I B 27/72, BFHE 107, 8, BStBl II 1973, 24; Urteil vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, BStBl II 1979, 678). Der den Folgebescheid betreffende Rechtsstreit wäre vom FG gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung über den Grundlagenbescheid auszusetzen gewesen. Es ist daher möglich, daß die Revision des Antragstellers aus diesem Grund begründet sein wird und zur Aufhebung und Zurückverweisung führen wird (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Im vorliegenden Verfahren kommt es nicht darauf an, ob dieser (formelle) Erfolg des Revisionsverfahrens eine Erfolgsaussicht i. S. des § 114 Satz 1 ZPO begründen könnte (vgl. auch Beschluß des Bundessozialgerichts vom 10. März 1976 7 BAr 36/75, Monatsschrift für Deutsches Recht 1976, 611). Denn der Antragsteller hätte sich auf eine Anfechtung des Grundlagenbescheids beschränken und sein Ziel damit auf einem billigeren als dem von ihm eingeschlagenen Weg erreichen können. Damit kann für den vom Antragsteller eingeschlagenen (unnötigen) Weg der Anfechtung des Folgebescheids keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 632

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