Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Notanwaltes

 

Leitsatz (NV)

1. Der Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG gilt nicht für den Antrag auf Beiordnung eines Notanwaltes.

2. Die Beiordnung eines Notanwaltes setzt voraus, daß die Rechtsverfolgung nicht aussichtslos erscheint.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO §§ 128-129, 155; ZPO § 78b

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) -- ein Diplomingenieur -- führte beim Finanzgericht (FG) Berlin einen Rechtsstreit gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) wegen Investitionszulage 1987 bis 1991, Umsatzsteuer 1987 bis 1991 und Einkommensteuer 1986 bis 1992. Die Klage hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. August 1992 "vorsorglich" und vor Erlaß der Einspruchsentscheidungen bzw. hinsichtlich der Einkommensteuer 1992 vor Erlaß des Einkommensteuerbescheids erhoben. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 1993 teilte der Kläger dem FG mit, er sehe den Rechtsstreit als in der Hauptsache erledigt an, verwahre sich aber gegen die Auferlegung von Kosten. Auch das FA erklärte dem FG am 6. Januar 1994, es sehe den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt an. Das FG stellte durch Beschluß vom 6. Januar 1994 das Verfahren ein und entschied, daß der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

Gegen den Beschluß legte der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Januar 1994 "soweit zulässig" Beschwerde ein. Zur Begründung trug er sinngemäß vor: Die Kosten des Verfahrens hätte das FG nicht ihm, sondern dem FA auferlegen müssen. Das FA habe entgegen der ausdrücklichen Bitte des Klägers die Klageschrift vom 6. August 1992 nicht erst am letzten Tag der Rechtsmittelfrist an das FG weitergeleitet und dadurch die Kosten verursacht.

Gleichzeitig beantragte der Kläger, ihm vorsorglich gemäß § 78 b der Zivilprozeß ordnung (ZPO) i. V. m. § 155 der Finanz gerichtsordnung (FGO) für das Beschwerdeverfahren einen Notanwalt beizuordnen, da es ihm nicht gelungen sei, einen Rechtsanwalt oder Steuerberater zu finden, der bereit sei, ihn vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zu vertreten.

Außerdem bat der Kläger, das Beschwerdeverfahren im Prozeßregister zu löschen, falls das FG den Streitwert für das Klageverfahren nicht höher als 300 DM festsetze. Mit Schriftsatz vom 23. März 1994 teilte er mit: Die von ihm zu tragenden Kosten des Rechtsstreits seien durch Kostenrechnung der Justizkasse auf 58 DM festgesetzt worden. Dieser Betrag liege nur um 9 DM über den Kosten, die sich bei einem Streitwert von 300 DM ergäben. Er betrachte daher die Beschwerde als gegenstandslos, sofern das FG die Streitwerte nicht höher festsetze als in der Kostenrechnung angesetzt (Streitwert für das Klageverfahren 500 DM, Streitwert für den Einstellungsbeschluß 300 DM). Er bitte, das Verfahren im Prozeßregister zu löschen, sobald dem BFH eine entsprechende Bestätigung des FG zugegangen sei.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag des Klägers, ihm gemäß § 78 b ZPO i. V. m. § 155 FGO einen Rechtsanwalt zur Vertretung im Beschwerdeverfahren beizuordnen, konnte keinen Erfolg haben. Er ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

a) Der Antrag ist zulässig, obwohl der Kläger bei der Antragstellung nicht von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschafsprüfer vertreten wurde. Der Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1992, 2236, BStBl I 1994, 100) gilt nicht für Erklärungen, die -- wie der Antrag nach § 78 b ZPO i. V. m. § 155 FGO -- zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können (s. BFH-Beschluß vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439; Bork in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., 1993, § 78 b Rdnr. 11).

b) Der Antrag war jedoch abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung sind nicht erfüllt. Die Beiordnung setzt nach § 78 b Abs. 1 Satz 1 ZPO u. a. voraus, daß die Rechtsverfolgung nicht aussichtslos erscheint. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des FG vom 6. Januar 1994 hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig. In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben (§ 128 Abs. 4 FGO).

2. Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.

a) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 24. Januar 1994 eine Beschwerde erhoben. Die im Schriftsatz enthaltene Einschränkung, die Beschwerde werde "soweit zulässig" erhoben, bedeutet nicht, daß der Kläger kein Rechtsmittel gegen den Beschluß des FG eingelegt hat. Vielmehr enthält sie lediglich die Bedingung, daß die Beschwerde nur dann als erhoben angesehen werden soll, falls sich das Rechtsmittel als zulässig erweist.

b) Die Beschwerde ist unzulässig.

Sie ist unzulässig, da in Streitigkeiten über Kosten keine Beschwerde gegeben ist (§ 124 Abs. 4 FGO). Das Rechtsmittel ist außerdem unzulässig, weil es unter einer Bedingung eingelegt wurde (s. BFH-Beschluß vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573). Schließlich ist die Beschwerde auch unzulässig, da der Kläger den Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG nicht beachtet hat.

3. Die Erklärung des Klägers, er betrachte die Beschwerde als gegenstandslos, ist keine wirksame Rücknahme der Beschwerde. Der Kläger hat auch diese Erklärung mit einer Bedingung verknüpft. Die Erklärung ist daher keine wirksame Prozeßerklärung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420114

BFH/NV 1995, 424

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