Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (NV)

1. Keine Wiedereinsetzung, wenn die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf der unterlassenen Notierung einer Verlängerung dieser Frist beruht und insoweit keine entlastenden Umstände dargelegt werden.

2. Eine wirksame Fristenkontrolle erfordert, daß eine zunächst vermerkte Revisionsbegründungsfrist im Fristenkontrollbuch erst dann gelöscht wird, wenn zugleich eine vom Gericht mitgeteilte verlängerte Frist eingetragen wird.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 120 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Nachdem das klageabweisende Urteil des FG, das die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, am 29. Mai 1989 zugestellt worden war, hat der Bevollmächtigte der Kläger am 28. Juni 1989 Revision eingelegt und mit dem beim Bundesfinanzhof (BFH) am 25. Juli 1989 eingegangenen Schriftsatz beantragt, die Frist zur Begründung der Revision bis zum 30. September 1989 zu verlängern. Mit Verfügung vom 27. Juli 1989 hat der Senatsvorsitzende die Frist zur Begründung der Revision bis zum 2. Oktober 1989 verlängert.

Nachdem die Revision innerhalb dieser Frist nicht begründet worden war, ist der Bevollmächtigte der Kläger mit einer am 8. November 1989 zugestellten Verfügung auf dieses Versäumnis und zugleich auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO hingewiesen worden. Am 20. November 1989 hat er sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Revisionsbegründung vorgelegt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er vorgetragen:

In dem Steuerberaterbüro sei eine seit 1979 beschäftigte kaufmännische Angestellte als Postsachbearbeiterin zuständig. Das Fristenkontrollbuch werde von einer seit 1978 beschäftigten Gehilfin in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen geführt.

Nachdem ihm, dem Bevollmächtigten, die Vorentscheidung von der Postsachbearbeiterin übergeben worden sei, habe er sie mit einem Vermerk über die Rechtsmittelbegründungsfrist an die Bearbeiterin des Fristenkontrollbuches weitergegeben und diese aufgefordert, ihn ca. eine Woche vor Ablauf der Revisionsfrist auf den Fristablauf aufmerksam zu machen. Nachdem sodann mit Schriftsatz vom 26. Juni 1989 Revision eingelegt worden sei, habe er mit Schriftsatz vom 24. Juli 1989 um Verlängerung der Frist zur Begründung der Revision bis zum 30. September 1989 gebeten. Dieser Fristverlängerungsantrag sei zwar in das Postausgangsbuch und auch in das Fristenkontrollbuch eingetragen worden; in letzterem sei aber ,,keinerlei Frist, nämlich der 30. 09. 1989, vermerkt" worden.

Die Mitteilung des BFH über die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 2. Oktober 1989 sei am 31. Juli 1989 im Büro des Bevollmächtigten der Kläger eingegangen. Es könne aber nicht nachvollzogen werden, was mit dieser Mitteilung anschließend geschehen sei; jedenfalls sei die bis zum 2. Oktober 1989 gewährte Frist nicht im Fristenkontrollbuch eingetragen worden. Auf diese Weise sei eine Vorlage an den Bevollmächtigten unterblieben, der sich in der zweiten Hälfte des Monats August und bis Anfang September 1989 in Urlaub befunden und anschließend nicht mehr an die Revisionsbegründung gedacht habe. Erst durch das Hinweisschreiben des BFH sei er auf die Fristversäumnis aufmerksam geworden.

Aus dem Geschehensablauf ergebe sich, daß die Versäumnis auf einem Büroversehen beruhe. Dieses Versehen sei entschuldbar, da der Bevollmächtigte bei der Auswahl der Mitarbeiter auf erfahrene langjährige Mitarbeiterinnen zurückgegriffen habe und diese über die Fristabläufe informiert und auch entsprechend instruiert waren. In der Steuerberatungssozietät sei bislang keinerlei Fristversäumnis vorgekommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Revision ist nicht innerhalb der gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO bis zum 2. Oktober 1989 verlängerten Frist begründet worden.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser - gesetzlichen (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Mai 1970 III R 72/69, BFHE 99, 298, BStBl II 1970, 642) - Frist gemäß § 56 FGO sind nicht gegeben. Die von dem Bevollmächtigten der Kläger zur Begründung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgetragenen Tatsachen ergeben nicht schlüssig, daß er ohne sein Verschulden das nach § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) den Klägern zuzurechnen ist, verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten.

Nach der Darstellung des Bevollmächtigten der Kläger beruhte die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist darauf, daß die ursprünglich im Fristenkontrollbuch vermerkte Frist für die Begründung der Revision nicht durch die gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO verlängerte Frist ersetzt worden ist.

Hiernach ist von einem den Klägern zuzurechnenden Verschulden bei der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bereits deshalb auszugehen, weil bei Eingang der Verfügung des BFH vom 27. Juli 1989 eine Notierung der - verlängerten - Frist im Fristenkontrollbuch unterblieben ist und insoweit keine den Bevollmächtigten entlastenden Umstände dargelegt worden sind (vgl. BFH-Beschluß vom 29. März 1990 V R 44/86, BFH/NV 1991, 687); insoweit ist von dem Bevollmächtigten der Kläger und den zuständigen Büroangestellten lediglich erklärt worden, es könne nicht mehr nachvollzogen werden, warum die verlängerte Revisionsbegründungsfrist nicht notiert worden sei.

Im übrigen ist auch nach der Darstellung der Büroorganisation davon auszugehen, daß die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf einem Organisationsmangel und nicht lediglich auf einem Büroversehen beruhte:

Die Einhaltung einer Revisionsbegründungsfrist verlangt - insbesondere von einem nicht ständig mit Revisionen befaßten Prozeßbevollmächtigten - eine besondere Sorgfalt bei der Notierung der Frist und der Überwachung des damit betrauten Personals (BFH-Beschluß vom 27. März 1984 IV R 47/81, BFHE 140, 428, BStBl II 1984, 446 im Anschluß an den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1982 8 C 159/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1983, 171). Hierzu sind in dem Fristenkontrollbuch besondere Spalten für die Überwachung von Revisionsbegründungsfristen und deren Verlängerung vorzusehen (BFH-Beschluß vom 26. Januar 1977 II R 40/72, BFHE 121, 164, BStBl II 1977, 290).

Eine wirksame Fristenkontrolle erfordert, daß eine zunächst vermerkte Revisionsbegründungsfrist im Fristenkontrollbuch erst dann gelöscht wird, wenn zugleich eine von dem Gericht mitgeteilte verlängerte Frist in die betreffende Spalte eingetragen wird. Da sich der Prozeßbevollmächtigte nicht ohne weiteres darauf verlassen darf, daß eine Revisionsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert wird (BFH-Beschluß vom 20. Dezember 1966 I R 120/66, BFHE 87, 378, BStBl III 1967, 145), muß, solange durch das Revisionsgericht noch keine verlängerte Frist mitgeteilt worden ist, die ursprüngliche Revisionsbegründungsfrist im Rahmen der regelmäßigen Fristenüberwachung (zu den Anforderungen insoweit vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1961 I 237/60 S, BFHE 73, 491, BStBl III 1961, 445 m. w. N.) beachtet und ggf. rechtzeitig eine Erkundigung nach der Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag eingeholt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 203/90, BFHE 164, 182, BStBl II 1991, 640). Nur auf diese Weise ist eine wirksame Kontrolle der Revisionsbegründungsfrist zu gewährleisten.

Diesen Anforderungen entsprach die Organisation der Fristenkontrolle im Büro des Bevollmächtigten der Kläger nach den Angaben in der Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersichtlich nicht, so daß von einem Organisationsmangel und mithin von einer schuldhaften Verursachung der Fristversäumnis auszugehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418984

BFH/NV 1993, 550

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