Leitsatz (amtlich)

Die vom Vorsitzenden des Senats nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO auf Antrag verlängerte Revisionsbegründungsfrist ist eine gesetzliche Frist im Sinne des § 56 Abs. 1 FGO.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 120 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtigen (Kläger und Revisionskläger) waren zusammen mit ihrer 1954 verstorbenen Mutter, die sie beerbt haben, am 21. Juni 1948 Eigentümer eines Grundstücks.

Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) hatte durch Bescheid vom 10. Juli 1951 den Einheitswert des Grundstücks zum 21. Juni 1948 auf 27 300 DM festgesetzt. Die Steuerpflichtigen legten gegen den Bescheid mit Schreiben vom 9. März 1966 Einspruch ein. Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig, weil der Einheitswertbescheid bereits am 13. August 1951 unanfechtbar geworden sei. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der Bevollmächtigte der Steuerpflichtigen legte gegen das Urteil des FG Revision ein. Auf seinen Antrag verlängerte der Vorsitzende des Senats die Revisionsbegründungsfrist bis 20. September 1969.

Der Vorsitzende des Senats wies den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 2. Oktober 1969 darauf hin, daß die Revisionsbegründung dem Senat noch nicht vorliege, obwohl die Frist zur Begründung der Revision am 22. September 1969 abgelaufen sei. Er stellte ihm anheim, nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zu beantragen. Die Anträge des Bevollmächtigten vom 9. und 17. Oktober 1969, nunmehr durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine neue Fristverlängerung für die Revisionsbegründung zu gewähren, wurden vom Senatsvorsitzenden abgelehnt.

Der Bevollmächtigte begründete mit Schreiben vom 5. Februar 1970 die Revision und bat wegen der Verspätung der Revisionsbegründung um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim FG einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Frist für die Revisionsbegründung kann nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden.

Der Bevollmächtigte der Steuerpflichtigen hat die Frist zur Begründung der Revision versäumt. Das Urteil des FG wurde ihm am 21. Mai 1969 rechtswirksam zugestellt. Die Revision mußte, da der 21. Juni 1969 ein Samstag war, bis zum 23. Juni 1969 eingelegt und bis zum 21. Juli 1969 begründet werden. Der Bevollmächtigte hat die Revision am 16. Juni 1969 fristgerecht eingelegt und vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Er hat jedoch die ihm vom Vorsitzenden des Senats gesetzte Frist, die Revisionsbegründung bis zum 20. September 1969 dem Senat einzureichen, nicht eingehalten. Da der 20. September 1969 ein Samstag und der 21. September 1969 ein Sonntag war, hätte es genügt, wenn die Revisonsbegründung am 22. September 1969 beim BFH eingegangen wäre. Der Bevollmächtigte begründete die Revision aber erst mit Schriftsatz vom 5. Februar 1970, beim BFH eingegangen am 6. Februar 1970. Er hat vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keinen Antrag auf Verlängerung dieser Frist gestellt. Seine erst am 9. und 17. Oktober 1969 eingereichten Anträge auf Fristverlängerung konnten keinen Erfolg haben, da das Gesetz in § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO die Möglichkeit einer Fristverlängerung nur bei Anträgen vorsieht, die vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gestellt wurden.

Der Senat kann dem Steuerpflichtigen wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 56 Abs. 1 FGO voraus, daß jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Eine gesetzliche Frist ist auch die vom Vorsitzenden des Senats nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO verlängerte Revisionsbegründungsfrist, da sie auf Antrag durch den Vorsitzenden des Senats nur auf einen verlängerten Zeitraum konkretisiert wird (vgl. auch Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Aufl., § 57 RdNr. 2 und § 139 RdNr. 17).

Im Streitfall beruht die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf einem Verschulden des Bevollmächtigten der Steuerpflichtigen. Denn dieser hat es schuldhaft unterlassen, wegen der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 22. September 1969 beim Vorsitzenden des Senats eine Verlängerung der Frist zu beantragen. Das Verschulden des Bevollmächtigten ist gemäß dem BFH-Beschluß VI R 155/66 vom 27. Januar 1967 (BFH 86, 106, BStBl III 1967, 290) den Steuerpflichtigen als eigenes Verschulden zuzurechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68779

BStBl II 1970, 642

BFHE 1970, 298

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