Entscheidungsstichwort (Thema)

Unvereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen i. S. von Art. 19 Satz 2 EinigVtr

 

Leitsatz (NV)

Mit lediglich allgemeinen Ausführungen zur ideologischen Ausrichtung und Instrumentalisierung des Steuerrechts der DDR und mit dem pauschalen Hinweis "auf die systematisch betriebene Verfolgung" wird die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht ausreichend dargestellt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3 S. 3; EinigVtr Art. 19 S. 2

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Erklärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muß sich um eine aus rechts systematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m. w. N.). Diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Erforderlich ist vielmehr die schlüssige und substantiierte Darlegung der bezeichneten Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Der Beschwerdeführer muß dabei konkret auf die Rechtsfrage und auf ihre Klärungsbedürftigkeit sowie auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).

Diesen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt die Beschwerdeschrift nicht.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hebt in erster Linie hervor, die Außenprüfung sei mit dem Ziel durchgeführt worden, Druck im Hinblick auf die Verstaatlichung seines privaten Handwerksbetriebs auf ihn auszuüben. Diesem Ziel habe die Besteuerung der Privatbetriebe generell gedient.

Mit diesen Ausführungen hat der Kläger nicht hinreichend konkret eine klärungsbedürftige Rechtsfrage herausgestellt. Daß das Steuerrecht der DDR ideologisch ausgerichtet und im Sinne einer sozialistischen Gesetzlichkeit instrumentalisiert war, ist allgemein anerkannt (BFH-Urteil vom 25. Januar 1995 X R 146/93, BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686, m. w. N.). Es ist nicht erkennbar, welche Rechtsfrage im einzelnen der Kläger in diesem Zusammenhang geklärt wissen will. Soweit er darauf hinweist, das Finanzgericht (FG) habe diesen Aspekt zu wenig berücksichtigt, erhebt er lediglich Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Würdigung des FG, die die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (BFH-Beschluß vom 26. April 1995 II B 111/94, BFH/NV 1995, 1074).

Ferner betont der Kläger, die ergangenen Steuerfestsetzungen beruhten auf einer politisch motivierten Ungleichbehandlung, weil bei Unternehmen in privater Hand im Gegensatz zu anderen Unternehmensformen bestimmte Ausgaben, z. B. übertarifliche Löhne, nicht gewinnmindernd berücksichtigt worden seien. Diese Rüge erscheint bereits nicht schlüssig.

Für das FG war dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungserheblich. Denn es stützte seine Entscheidung, die vom Kläger angegriffenen Steuerfestsetzungen seien nicht rechtsstaatswidrig, auch auf den Gesichtspunkt, der Kläger habe seine Behauptung, ihm seien bisher nicht berücksichtigte erhebliche zusätzliche betriebliche Aufwendungen (Lohnzahlungen sowie Materialkosten) entstanden, nicht nachvollziehbar substantiiert.

Auch soweit der Kläger schließlich geltend macht, es sei klärungsbedürftig, ob in Fällen von Zwangskollektivierung über eine steuerrechtliche Beurteilung hinaus Gesichtspunkte der systematisch betriebenen Verfolgung in die Würdigung einzubeziehen seien, fehlt es an ausreichenden Darlegungen.

Es versteht sich von selbst und ist deshalb nicht klärungsbedürftig, daß in die steuerrechtliche Würdigung eines Sachverhalts sämtliche Umstände des Falles einzubeziehen sind. Im übrigen enthält der Hinweis des Klägers auf die "systematisch betriebene Verfolgung jener Jahre" lediglich Angriffe gegen die Würdigung des FG, die die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nicht rechtfertigen (vgl. Beschluß des Senats vom 17. März 1988 III B 82/95, BFH/NV 1988, 512). Darüber hinaus ist der Einwand so allgemein, daß eine nach Meinung des Klägers klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht erkennbar ist. Der Kläger hat nicht hinreichend konkret angegeben, in welcher Weise die eingeleiteten Besteuerungsmaßnahmen im einzelnen der politischen Verfolgung gedient haben und inwieweit in diesem Zusammenhang in rechtlicher Hinsicht Klärungsbedarf besteht.

Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob das angefochtene Urteil Divergenzen zu dem Urteil in BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686, aufweist, in dem der BFH grundlegend zur Auslegung von Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrags Stellung genommen hat. Es ist zwar anerkannt, daß eine Zulassung der Revision aufgrund vorhandener Divergenz auch dann möglich ist, wenn nach Einlegung einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde eine BFH-Entscheidung ergeht, mit der das angefochtene FG-Urteil nicht im Einklang steht, wobei das Fehlen der Bezeichnung der Divergenz (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) als unschädlich angesehen wird (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 69, m. w. N.). Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Beschwerdeführer seinen formellen Obliegenheiten aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nachgekommen ist, indem er die grundsätzliche Bedeutung dargelegt hat (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Mai 1988 V B 36/88, BFH/NV 1989, 312, m. w. N.). Ist dagegen -- wie hier -- die Nichtzulassungsbeschwerde mangels zureichender Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung unzulässig, so kommt eine amtswegige Berücksichtigung einer nach Einlegung entstandenen Divergenz nicht in Betracht.

Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236) ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 822

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