Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten NZB; von Amts wegen zu berücksichtigende Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Die Zulassung der Revision durch den BFH auf Grund vorhandener Divergenz ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn nach Einlegung einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten NZB eine BFH-Entscheidung ergeht, mit der das angefochtene Urteil nicht in Einklang steht.

2. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Beschwerdeführer seinen formellen Obliegenheiten aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, die grundsätzliche Bedeutung darzulegen, nachgekommen ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kl.) betreibt ein Bauunternehmen. Bei einer Betriebsprüfung sowie einer USt-Sonderprüfung kamen die Prüfer für die Streitjahre (1978 bis 1981) u. a. zu dem Ergebnis, der Kl. habe Subunternehmer eingesetzt, die Rechnungen über Werkleistungen (Verblendungen, Verschalungen, Maurerarbeiten usw.) ausgestellt hätten, um die in Wirklichkeit gegebene Überlassung von Arbeitnehmern zu verschleiern. Es hätten zum Teil keine schriftlichen bzw. nur unklar gefaßte Werkverträge vorgelegen. Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Subunternehmer sei zu versagen; denn die Rechnungen erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 15 UStG 1973 bzw. 1980 hinsichtlich der Bezeichnung des Leistungsgegenstandes.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das FA) schloß sich der Auffassung der Prüfer an und erließ entsprechend geänderte USt-Bescheide 1978 und 1979 sowie entsprechende erstmalige Bescheide 1980 und 1981.

Im Einspruchsverfahren hatte der Kl. u. a. ausgeführt, aufgrund einer Auskunft der Finanzverwaltung seien die Rechnungen, die ursprünglich auf der Basis von erbrachten Arbeitsleistungen nach Stunden ausgestellt worden seien, von den Subunternehmern berichtigt und nach Aufmaß erstellt worden.

Mit seiner Klage hatte der Kl. im wesentlichen vorgetragen, die Leistungen, ob nach Aufmaß oder nach Stunden berechnet, seien von den Subunternehmern aufgrund schriftlicher bzw. mündlicher Verträge über die Durchführung von Maurer-, Verblendungs- und Verschalungsarbeiten für sein Unternehmen erbracht worden.

Das FG hat der Klage stattgegeben und die Steuerfestsetzungen im Umfang der umstrittenen Vorsteuerbeträge ermäßigt. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, dem Kl. ständen die geltend gemachten Vorsteuerbeträge zu. Entgegen der Auffassung des FA seien die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 bzw. 1980 erfüllt. Dem Kl. seien unstreitig von anderen Unternehmern für sein Unternehmen sonstige Leistungen erbracht worden. Die Vorsteuerbeträge seien in den Rechnungen gesondert ausgewiesen. Soweit die Vertragsunternehmen des Kl. in diesen Rechnungen die erbrachten Leistungen nicht - wie vertraglich vereinbart und geleistet - als Überlassung von Arbeitskräften, sondern als Werkleistung ausgewiesen hätten, führe dies nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs. Entgegen der Auffassung des FA brauchten die in § 14 Abs. 1 UStG 1973 bzw. 1980 bezeichneten Angaben nicht Inhalt der für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers erforderlichen Rechnung des Leistenden zu sein. Es sei vielmehr ausreichend, wenn - wie im Entscheidungsfall - durch Angaben tatsächlicher Art zum Ausdruck gekommen sei, daß die gesondert ausgewiesene Steuer auf sonstigen Leistungen des Rechnungsausstellers an den Kl. als Leistungsempfänger beruhe (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 24. April 1986 V R 138/78, BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581). Dies sei eindeutig auch dann der Fall, wenn die Rechnungen an den Kl. statt Leistungen aus Arbeitnehmerüberlassung Werkleistungen auswiesen. Denn es sei für Zwecke des Vorsteuerabzugs unerheblich, ob die unstreitig tatsächlich erbrachten Leistungen nach Arbeitsstunden oder nach Aufmaß abgerechnet würden. In beiden Fällen seien die erbrachten Leistungen zweifelsfrei beschrieben.

Eine genaue rechtliche Einordnung (Arbeitnehmerüberlassung oder Werkleistungsvertrag) in der Rechnung sei für die Angabe des Leistungsgegenstandes nicht erforderlich. Daß die Leistung der Subunternehmer für private Zwecke des Kl. oder überhaupt nicht erbracht worden wären (Scheingeschäfte zum Zwecke des Vorsteuerabzugs), werde auch vom FA nicht behauptet. Ferner seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Arbeitskräfte der Subunternehmer etwa Arbeitnehmer des Kl. geworden seien.

Das Urteil enthält keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision.

Hiergegen hat das FA Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, der vom FG nicht abgeholfen worden ist. Zur Begründung hat das FA ausgeführt, das FG-Urteil weiche von der gefestigten Verwaltungsauffassung ab (s. u. a. Einführungserlaß zu § 15 UStG 1980 vom 30. Juni 1981, Tz. 24, BStBl I 1981, 508, und Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 6. Dezember 1985 IV A 1 - S 7300 - 41/85, BStBl I 1985, 697) und sei daher von grundsätzlicher Bedeutung. Über eine gleichliegende Sache habe der BFH bisher noch nicht entschieden.

Der Kl. beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig; sie war zu verwerfen.

Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß, wenn sich der Beschwerdeführer auf grundsätzliche Bedeutung als Zulassungsgrund beruft, in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden. Wie der Senat ständig entschieden hat (vgl. Beschluß vom 31. Juli 1987 V B 36/87, BFH/NV 1988, 172, m.w.N.), erfordert dies substantiierte und konkrete Angaben darüber, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann. Dies bedeutet, daß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen muß, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Das FA hat noch nicht einmal die ihm grundsätzlich bedeutsam erscheinende Rechtsfrage benannt. Abgesehen davon, ist die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht mit der bloßen Bemerkung dargetan, daß der BFH bisher noch nicht über eine gleichliegende Sache entschieden habe (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 62; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Tz. 56).

Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob das angefochtene Urteil Divergenzen zu den BFH-Urteilen vom 24. September 1987 V R 50/85 (BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688) und V R 125/86 (BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694) aufweist, in denen der Senat sich mit dem Vorsteuerabzug in solchen Fällen befaßt hat, in denen eine Arbeitnehmerüberlassung in Betracht kommt. Es ist zwar anerkannt, daß eine Zulassung der Revision aufgrund vorhandener Divergenz auch dann möglich ist, wenn nach Einlegung einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde eine BFH-Entscheidung ergeht, mit der das angefochtene FG-Urteil nicht im Einklang steht, wobei das Fehlen der Bezeichnung der Divergenz (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) als unschädlich angesehen wird (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 69, m.w.N.). Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Beschwerdeführer seinen formellen Obliegenheiten aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nachgekommen ist, indem er die grundsätzliche Bedeutung dargelegt hat (vgl.BFH-Beschluß vom 29. Juli 1976 V B 10/76, unter 2., BFHE 119, 380, BStBl II 1976, 684). Ist dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde mangels zureichender Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung unzulässig, so kommt eine amtswegige Berücksichtigung einer nach Einlegung entstandenen Divergenz nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415790

BFH/NV 1989, 312

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