Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung vor dem BFH

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Rechtsmittel auf einem Briefbogen einer Beratungs-GmbH eingelegt, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß dieses von der juristischen Person eingelegt wurde.

2. Dieser Anschein wird nicht dadurch widerlegt, daß in der Rechtsmittelschrift auf eine beigefügte Prozeßvollmacht Bezug genommen wird, durch die der Geschäftsführer der Beratungs-GmbH persönlich bevollmächtigt wird und der Geschäftsführer ohne Hinweis auf seine Stellung als Vertreter der GmbH unterschrieben hat.

3. Eine nachträgliche Klarstellung ist unbeachtlich.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb durch Beschluß zu verwerfen.

Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muß sich -- wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht -- jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG -- vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932 i. d. F. des Gesetzes vom 26. November 1996, BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522). Eine von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Zwischenurteil vom 28. August 1991 I R 37/91, BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282).

Die Frage, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde von dem Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH persönlich oder namens der Gesellschaft eingelegt worden ist, beurteilt sich entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anhand des Wortlauts der abgegebenen Erklärung bzw. des Schriftsatzes ggf. unter Heranziehung von außerhalb der Erklärung liegenden Begleitumständen (vgl. Münchner Kommentar Mayer-Maly, Bürgerliches Gesetzbuch, § 133 Rdnr. 34, 44, 48; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 65 Rdnr. 14 ff.). Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, daß eine auf einem Briefbogen der juristischen Person abgegebene Erklärung als deren Erklärung und nicht als Erklärung der unterzeichnenden natürlichen Person anzusehen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die natürliche Person, die die Erklärung unterzeichnete, zugleich zur Vertretung der juristischen Person befugt ist. Zwar kann dieser Anschein durch weitere Umstände widerlegt werden, die sich aus dem Inhalt der Erklärung oder der ihr beigefügten Anlagen ergeben können. Die Umstände müssen jedoch, um den Beweis des ersten Anscheins zu widerlegen, hinreichend deutlich erkennen lassen, daß die Erklärung in Wirklichkeit im Namen der natürlichen Person und nicht in dem der juristischen Person abgegeben wurde. Insoweit verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Beschwerdeführers, weil § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG ihm die Verpflichtung aufbürdet, nicht nur die Beschwerde einzulegen, sondern sich dabei auch von einem bestimmten Personenkreis vertreten zu lassen. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist für den Streitfall davon auszugehen, daß die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am 27. November 1996 von der W Steuerberatungsgesellschaft mbH (W- GmbH) als Prozeßbevollmächtigten eingelegt wurde.

Die Nichtzulassungsbeschwerde trägt im Briefkopf nur die Angabe der W-GmbH. Der Briefkopf ist offensichtlich vorgedruckt. Anzeichen für ein Vergreifen sind nicht zu erkennen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist von einer Person unterschrieben, die im Briefkopf als Geschäftsführer der W-GmbH ausgewiesen ist. Aus den im unmittelbaren Zusammenhang mit der Nichtzulassungsbeschwerde abgegebenen Erklärungen ergibt sich kein einziger Hinweis, daß die Beschwerde im Namen des Steuerberaters E persönlich eingereicht worden sein könnte. Im Gegenteil ist im Text von einem "Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 18. 04. 1996" die Rede, worunter nur ein solcher der W-GmbH verstanden werden kann, weil nur sie die Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) vertrat.

Zwar reichte die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine Prozeßvollmacht ein. Auch war die eingereichte Prozeßvollmacht nicht auf die W-GmbH, sondern u. a. auf E ausgestellt. Schließlich wurde am Ende der Nichtzulassungsbeschwerde auf "Anlage Vollmacht" verwiesen. Jedoch handelt es sich bei der Vollmacht um eine Erklärung der Klägerin. Demgegenüber ist letztlich entscheidend, ob der Steuerberater E bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im eigenen Namen oder als Geschäftsführer der W-GmbH handeln wollte. Es hätte deshalb einer weitergehenden Bezugnahme im Text der Nichtzulassungsbeschwerde auf die Vollmacht bedurft, um dieselbe als von dem Steuerberater E persönlich eingelegt behandeln zu können. Daran fehlt es. Deshalb ist die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde unwirksam.

Die Tatsache, daß der Steuerberater E nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1996 erklärte, die Nichtzulassungsbeschwerde im eigenen Namen abgegeben haben zu wollen, rechtfertigt es zwar, ihn heute als Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu behandeln. Deshalb wird jedoch die ursprünglich unwirksame Prozeßhandlung nicht nachträglich wirksam.

Schließlich kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Beschwerdefrist gewährt werden. Insoweit fehlt es an einem Antrag der Klägerin und an der Darlegung von Tatsachen, weshalb sie ohne Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten.

Der Senat sieht von der Wiedergabe des Tatbestandes in entsprechender Anwendung des Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG ab.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 888

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