Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit der Personenidentität bei Spaltung von Kapitalgesellschaften; Veräußerungsgewinne als Bestandteil des Gewerbeertrages bei Kapitalgesellschaften

 

Leitsatz (NV)

1. Die Voraussetzungen einer erfolgsneutralen Spaltung von Kapitalgesellschaften liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn an der übertragenden Kapitalgesellschaft und an den Nachfolgegesellschaften nicht dieselben Personen beteiligt sind (Grundsatz der Personenidentität).

2. Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs im ganzen, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung gehören bei einer Kapitalgesellschaft zum Gewerbe ertrag.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; UmwStG 1977 §§ 14-16, 19; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; GewStG § 2 Abs. 2, § 7

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH mit Sitz in A, deren Gegenstand die gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitnehmern auf Zeit ist, wurde mit notariellem Vertrag vom 19. März 1985 gegründet. Sie unterhielt eine unselbständige Zweigniederlassung M. An ihrem Stamm kapital waren X und -- zunächst -- Y mit jeweils ... DM beteiligt.

Im Streitjahr 1989 kam es zu Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern. Sie beschlossen, das Unternehmen zum 30. Juni 1989 zu spalten. X sollte alleiniger Gesellschafter der Antragstellerin bleiben, Y sollte Alleingesellschafter einer neu zu errichtenden GmbH werden und mit dieser die Zweigniederlassung der Antragstellerin in M übernehmen. Beide Betriebe waren etwa gleich groß.

Dem entsprechend übertrug die Antragstellerin ihre Zweigniederlassung in M zum 30. Juni 1989 auf die von Y mit einem Stammkapital von ... DM neu gegründete GmbH, die insoweit die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fortführte. Im Gegenzug veräußerte die Ehefrau von Y, die zum 13. Juni 1989 dessen Geschäftsanteile an der Antragstellerin übernommen hatte, mit notariellem Vertrag vom 26. Juli 1989 diese Anteile zum Nennwert an X.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) sah in der unentgeltlichen Übertragung der Zweigniederlassung in M auf die neu gegründete GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und setzte die Körperschaftsteuer sowie den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für 1989 unter Hinzurechnung des Wertes dieser Niederlassung fest. Über die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ist noch nicht entschieden.

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung der Bescheide gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) lehnte das Finanzgericht (FG) ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Die Voraussetzungen für eine gewinnneutrale Abspaltung von Körperschaften lägen schon deshalb nicht vor, weil weder die Antragstellerin noch ihr Gesellschafter X -- wie aber analog § 14 Abs. 1 und § 16 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG 1977) erforderlich (Thiel, Steuerberater-Jahrbuch -- StbJb -- 1989/90, 71, 90; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2. Aufl., Rdnr. 6556.27; a. A. Schulze zur Wiesche, Finanz-Rundschau -- FR -- 1992, 396; Loos, der Betrieb -- DB -- 1990, 1359, 1365; Herzig, DB 1986, 1401, 1405) -- Gesellschafter der neu gegründeten GmbH in M geworden sei. Der Gewinn aus der Veräußerung des Teilbetriebs einer Kapitalgesellschaft unterfalle auch der Gewerbeertragsteuer (Abschn. 41 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien -- GewStR -- 1984). Soweit im Schrifttum von Glanegger/Güroff (Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., § 2 Rdnr. 187) eine abweichende Auffassung vertreten werde, sei dem nicht zu folgen. Wegen der offensichtlich fehlenden Erfolgsaussichten der Antragstellerin im Hauptverfahren komme schließlich keine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte in Betracht.

Ihre Beschwerde stützt die Antragstellerin im wesentlichen darauf, daß vor Ergehen des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 9. Januar 1992 IV B 7 -- S 1978 -- 37/91 (BStBl I 1992, 47) keine entsprechende Verlautbarung der Finanzverwaltung über die steuerrechtliche Behandlung der Abspaltung von Kapitalgesellschaften bestanden habe, die einschlägigen Fragen im Schrifttum aber kontrovers diskutiert worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Daran fehlt es im Streitfall.

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).

Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat sie zutreffend angewandt. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß der Körperschaftsteuer- und der Gewerbesteuermeßbescheid 1989 rechtmäßig sind.

a) Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (z. B. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434). Im Streitfall ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die unentgeltliche Übertragung der Zweigniederlassung der Antragstellerin in M auf die von ihrem Gesellschafter Y neu gegründete GmbH eine vGA darstellt, weil die Voraussetzungen einer erfolgsneutralen Abspaltung der Zweigniederlassung nicht vorliegen.

aa) Gesetzliche Regelungen zur Spaltung einer Kapitalgesellschaft in zwei oder mehrere Kapitalgesellschaften enthält das Umwandlungs-Steuergesetz 1977 nicht. Ebenso fehlt hierzu bislang eine höchstrichterliche Rechtsprechung.

Im Schrifttum ist die steuerrechtliche Behandlung von Spaltungsvorgängen kontrovers. Im Vordergrund steht hierbei die Frage, ob sie die Aufdeckung stiller Reserven nach sich ziehen. Versteht man die Spaltung als Umkehrung zur Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und wendet auf sie die Vorschriften der §§ 14 bis 16 und 19 UmwStG 1977 entsprechend an (so z. B. Widmann/Mayer, a. a. O., Rdnr. 6556.4 und 27; Thiel, StbJb 1989/90, 71, 90; Schulze zur Wiesche, FR 1992, 396, 397 f.; grundsätzlich auch Herzig, DB 1986, 1401, 1404 ff.; Loos, DB 1990, 1359, 1362 f., jeweils m. w. N.), so müssen, um die Besteuerung der stillen Reserven zu vermeiden, an der übertragenden Kapitalgesellschaft und den Nachfolgegesellschaften dieselben Personen beteiligt sein (siehe auch Widmann/Mayer, a. a. O., Rdnr. 6556.27). Auf der einen Seite dürfen also Personen, die noch nicht an der übergehenden Gesellschaft beteiligt waren, an einer der Nachfolgegesellschaften nicht beteiligt sein; auf der anderen Seite müssen die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft an wenigstens einer der Nachfolgegesellschaften beteiligt sein. Im Ergebnis entspricht dies -- allerdings erst mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an und damit nicht für das Streitjahr -- der Auffassung der Finanzverwaltung, die zwar nicht von der analogen Anwendung der §§ 14 bis 16 UmwStG 1977 ausgeht, sie aber aus Gründen sachlicher Billigkeit anwendet (BMF- Schreiben in BStBl I 1992, 47, dort unter 2. c; zu der vergleichbaren Verwaltungspraxis vor Ergehen dieses BMF-Schreibens siehe Ott, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1989, 755, 757, zur Rechtslage vom 1. Januar 1995 an § 15 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1994). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch, wer (wie z. B. Küblböck, Die Spaltung von Kapitalgesellschaften, 1989, S. 207 ff.) von der teleologischen Reduktion der Gewinnrealisierungstatbestände ausgeht und hiernach die Fortführung des betrieblichen Organismus der übergehenden Gesellschaft in anderer rechtlicher Form sowie die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven sowohl auf der Gesellschafts- als auch der Gesellschafterebene fordert.

Stellt man sich angesichts der fehlenden gesetzlichen Regelungen im Umwandlungs-Steuergesetz 1977 statt dessen auf den Standpunkt, Kapitalgesellschaften ließen sich grundsätzlich nicht erfolgsneutral spalten (so z. B. Finkbeiner, Deutsche Steuer- Zeitung/Ausgabe A -- DStZ/A -- 1985, 118; Bedenken äußern auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 7. Aufl., S. 750; dieselbe sowie Döllerer, Sarrazin und Woerner in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht -- JbFStR -- 1983/84, 413, 444 ff., 451; Hahn, Steuerliche Vierteljahresschrift -- StVj -- 1990, 211, 226 ff.; ferner Hörger/von Gronau, DStR 1992, 93, 95; Blumers, DB 1992, 1317; im Grundsatz auch die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 1992, 47), käme es ohnehin nicht mehr darauf an, in welcher Weise die Spaltung im Einzelfall vollzogen wird, insbesondere ob die Personenidentität bei der übertragenden und bei den übernehmenden Gesellschaften gewahrt worden ist.

Welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist, kann im Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Dies müßte dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben.

bb) Eine abschließende Entscheidung über diese Kontroverse ist im Streitfall allerdings auch nicht erforderlich. Denn gleichviel, welcher Auffassung man folgt (und welcher Auffassung sich die Finanzverwaltung im Falle der Einholung einer verbindlichen Auskunft durch die Antragstellerin vor Durchführung der Spaltung angeschlossen hätte), kann die Antragstellerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg haben. Entweder scheitert die Erfolgsneutralität in Anbetracht der fehlenden gesetzlichen Regelungen von vornherein. Oder aber die Personenidentität zwischen den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft und den Gesellschaftern der Nachfolgegesellschaften ist unverzichtbare Voraussetzung für die Erfolgsneutralität des Spaltungsvorgangs. Dann fehlt es im Streitfall am Tatbestand, weil hier an der zu spaltenden Gesellschaft X und die Ehefrau von Y, an den Nachfolgegesellschaften hingegen X und Y beteiligt waren. Daß die zuvor von Y gehaltenen Anteile an der Klägerin erst kurz vor der Anteilsübertragung auf die neu gegründete GmbH von dessen Ehefrau übernommen worden sind, tut insofern nichts zur Sache. Allerdings wird auch vertreten, strikte Personenidentität zwischen der zu spaltenden Kapitalgesellschaft und den aufnehmenden Nachfolgegesellschaften sei nicht erforderlich. Eine erfolgsneutrale Aufspaltung lasse sich ebenso erreichen, wenn Anteile an den Nachfolgegesellschaften von Dritten gehalten würden. Da diese Nachfolgegesellschaften unmittelbar im Anschluß an die vollzogene Spaltung mit jener Gesellschaft fusionieren könnten, deren Anteile von dem oder den Dritten gehalten würden, ergäbe sich andernfalls eine "Umständlichkeit", für die kein wirtschaftlich vernünftiger Grund bestünde (so Loos, DB 1990, 1359, 1365; siehe auch Herzig, DB 1986, 1401, 1406 für den Fall einer Zwergbeteiligung). Diese Ansicht vermag indes keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu begründen. Das Erfordernis der Personenidentität trägt dazu bei, die spätere Besteuerung der stillen Reserven der zu spaltenden Gesellschaft sicherzustellen. Es ist angesichts der fehlenden gesetzlichen Regelungen nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, auf welcher Grundlage und nach welchen Maßstäben hierauf verzichtet werden könnte. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie die Antragstellerin annimmt, liegt darin jedenfalls nicht. Die Ansicht von Loos hat im Schrifttum dementsprechend keine Gefolgschaft gefunden.

b) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheides, weil das FA -- in Einklang mit Abschn. 41 Abs. 2 GewStR 1984 -- den Gewinn aus der Veräußerung der Zweigniederlassung in M in die Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes -- GewStG --) als vGA einbezogen hat. Zwar handelte es sich, wie nach den Feststellungen des FG und unter den Beteiligten unstreitig ist, bei dieser Zweigniederlassung um einen Teilbetrieb der Antragstellerin. Es entspricht allerdings gefestigter Ansicht, daß bei Kapitalgesellschaften auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung zum Gewerbeertrag gehört (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 5. März 1940 I 40/40, RStBl 1940, 476; vom 13. Januar 1942 I 261/41, RStBl 1942, 274; BFH- Urteil vom 18. November 1970 I R 116/69, BFHE 101, 112, BStBl II 1971, 182). Hiervon ist auch angesichts vereinzelter Kritik im Schrifttum (z. B. von Glanegger/Güroff, a. a. O., § 2 Rdnr. 187) nicht abzuweichen. Die Gewerbesteuerpflicht knüpft bei Kapitalgesellschaften allein an die Rechtsform an (§ 2 Abs. 2 GewStG). Deshalb gehören auch Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung zum Gewerbe ertrag.

2. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide kann auch nicht wegen unbilliger Härte gewährt werden. Die Aussetzung der Vollziehung scheitert insoweit bereits daran, daß die Antragstellerin ihre wirtschaftliche Lage nicht im einzelnen vorgetragen und glaubhaft gemacht hat. Dies wäre aber erforderlich gewesen (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 9. Mai 1969 III B 4/67, BFHE 96, 117, BStBl II 1969, 547; vom 9. Januar 1990 VII B 127/89, BFH/NV 1990, 473, 476). Dazu genügte es nicht, sich lediglich auf die -- ihrer Ansicht nach -- existenzbedrohenden finanziellen und wirtschaftlichen Nachteile zu berufen, die ihr durch die Vollziehung der Bescheide entstehen könnten. Im übrigen hat die Antragstellerin ausgeführt, derzeit noch nicht über große Gewinne zu verfügen, um die festgesetzten Steuern "sofort" bezahlen zu können. Insofern mag ihr gegebenenfalls durch Stundungsgewährung (§ 222 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) geholfen werden können.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 366

GmbHR 1996, 552

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