Leitsatz (amtlich)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, daß Einheitswerte forstwirtschaftlicher Betriebe, die bei der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1935 keine Bewertungsstützpunkte waren, zum 1. Januar 1961 und 1. Januar 1963 wegen des Aufrückens von Holzbeständen in höhere Altersklassen fortgeschrieben werden dürfen.

2. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung von Einheitswertbescheiden kann darauf gestützt werden, daß die Vollziehung der auf den Einheitswertbescheiden beruhenden Verwaltungsakte für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben würde.

2. Die unbillige Härte kann nicht allein mit dem Hinweis auf die schlechte Ertragslage der Forstwirtschaft begründet werden. Es sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Einzelfalls darzulegen.

 

Normenkette

FGO § 69; BewDV § 1 Abs. 2, § 3a Abs. 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Beschwerdegegner) ist Eigentümer eines forstwirtschaftlichen Betriebes. Das FA (Beschwerdeführer) schrieb den zum 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswert des Betriebes zum 1. Januar 1961 wegen des Aufrückens der Holzbestände in höhere Altersklassen und wegen Flächenänderungen fort und erhöhte den Einheitswert zum 1. Januar 1963 wegen Errichtung eines Wohnhauses auf.

Der Steuerpflichtige legte gegen die Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1961 und 1. Januar 1963 Einsprüche ein, über die das FA nach den dem Senat vorliegenden Akten noch nicht entschieden hat.

Der Antrag des Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einheitswertbescheide wurde vom FA abgelehnt. Der Steuerpflichtige beantragte daraufhin nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung beim FG. Er trug vor, es beständen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, da Wertfortschreibungen von Einheitswerten forstwirtschaftlicher Betriebe wegen Zustandsänderungen des Holzbestandes nicht zulässig seien. Bei der fortschreitend schlechten Ertragslage der Forstwirtschaft bedeute die Vollziehung der Bescheide für ihn auch eine unzumutbare Härte. Das Rundholz sei wegen des durch Windbruch und andere Kalamitäten entstandenen Überangebots zur Zeit kaum absetzbar. Seine Betriebsmittel seien daher äußerst angespannt.

Das FG setzte die Vollziehung der Einheitswertbescheide zum 1. Januar 1961 und 1. Januar 1963 aus, soweit diese den Einheitswert zum 21. Juni 1948 übersteigen. Es meint, die Rechtmäßigkeit der Einheitswertbescheide zum 1. Januar 1961 und 1. Januar 1963 sei ernstlich zweifelhaft. Denn es sei mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, daß die FÄ nur bei einzelnen forstwirtschaftlichen Betrieben die Einheitswerte wegen des sogenannten Aufrückens der Holzbestände in höhere Altersklassen fortschrieben, obwohl die gleichen Voraussetzungen auch bei anderen Betrieben vorlägen. Es schwebe wegen dieser Frage unter dem Aktenzeichen 1 BvR 687/62 ein Verfahren beim BVerfG.

Das FA rügt mit der Beschwerde unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Es begehrt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Abweisung des Aussetzungsantrags.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das Gericht hat auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO die Vollziehung eines angefochtenen Bescheids auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Der Steuerpflichtige kann einen solchen Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO schon vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) beim FG stellen. Er muß jedoch den Verwaltungsakt, dessen Vollziehung ausgesetzt werden soll, bereits mit einem außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruch oder Beschwerde nach §§ 228 ff. AO) angegriffen haben (vgl. Beschluß des BFH I B 16/66 vom 15. November 1966, BFH 87, 270, BStBl III 1967, 130; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Anm. 27, und Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. und 3. Aufl., § 69 FGO, Anm. 4 Abs. 1). Diese Auffassung liegt auch der Entscheidung des Großen Senats des BFH Gr. S. 4/67 vom 4. Dezember 1967 (BFH 90, 461, BStBl II 1968, 199) zur Auslegung des § 69 FGO zugrunde.

Das FG hatte im Streitfall die Vollziehung der angefochtenen Einheitswertbescheide ausgesetzt, weil ihm die Zulässigkeit von Einheitswertfortschreibungen forstwirtschaftlicher Betriebe wegen des Aufrückens der Holzbestände in höhere Altersklassen ernstlich zweifelhaft erschien.

Der Senat hebt die Vorentscheidung auf, da die vom FG geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Fortschreibungen nicht mehr bestehen. Der Senat hat stets die Ansicht vertreten, daß Änderungen im Wert des Holzbestandes eines forstwirtschaftlichen Betriebes aufgrund des natürlichen Holzzuwachses die Fortschreibung der betrieblichen Einheitswerte rechtfertigen, falls die Fortschreibungsgrenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 gültigen Fassung überschritten sind (vgl. Urteile des Senats III 42/54 S vom 13. Dezember 1957, BFH 66, 148, BStBl III 1958, 60, und III 237/60 S vom 20. Juli 1962, BFH 75, 721, BStBl III 1962, 530). Das BVerfG hat die Rechtsprechung des Senats inzwischen im Beschluß 1 BvR 687/62 vom 12. Februar 1969 (BStBl II 1969, 364) ausdrücklich bestätigt und die vom FG erwähnte Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats III 237/60 S (a. a. O.) als unbegründet zurückgewiesen. Es ist der Ansicht des Senats auch darin beigetreten, daß § 1 Abs. 2 und § 3a Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz rechtsgültig erlassen sind und daß die in ihnen getroffene Regelung, nämlich das Aufschieben der nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die Durchführung von Einheitswertfortschreibungen nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935, jedenfalls zum 1. Januar 1948 nicht dem GG widersprach. In der Entscheidung des Senats III 237/60 S (a. a. O.) und in dem Beschluß des BVerfG 1 BvR 687/62 (a. a. O.) blieb allerdings die Frage offen, ob die Anwendung der obigen Vorschriften auf spätere Stichtage ebenfalls mit dem GG vereinbar sei, da es hierauf im damaligen Streitfall nicht ankam. Der Senat hat diese Frage später jedoch im Urteil III 97/65 vom 29. April 1966 (BFH 86, 4, BStBl III 1966, 360) bejaht. Die Rechtmäßigkeit der vom Steuerpflichtigen angefochtenen Einheitswertbescheide zum 1. Januar 1961 und 1963 ist daher wegen dieser Frage nicht mehr ernstlich zweifelhaft.

Der Steuerpflichtige begehrte beim FG die Aussetzung der Vollziehung auch wegen unbilliger Härte, weil seine Betriebsmittel bei der fortschreitend schlechten Ertragslage der Forstwirtschaft äußerst angespannt seien. Die angefochtenen Einheitswertbescheide fordern zwar keine Steuern an; sie sind nur die Grundlage für andere, auf Zahlung von Steuern gerichtete Bescheide, wie z. B. für Grundsteuerbescheide. Der Steuerpflichtige kann jedoch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung von Einheitswertbescheiden auch mit der bei Vollziehung von Folgebescheiden auftretenden unbillige Härte begründen, da bei Aussetzung der Vollziehung von Feststellungs- und Steuermeßbescheiden automatisch die Vollziehung der aufgrund dieser Verwaltungsakte ergangenen Steuerbescheide nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO mit auszusetzen ist (so im Ergebnis auch BFH-Beschluß IV B 3/66 vom 19. April 1968, BFH, 92, 314, BStBl II 1968, 538, bezüglich der Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermeßbescheiden wegen unbilliger Härte). Der Aussetzungsantrag ist in diesem Punkt aber ebenfalls unbegründet. Ob die Vollziehung von Folgebescheiden für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat, kann der Senat nur beurteilen, wenn ihm die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen nach Einkommen, Liquidität, leicht verwertbaren Vermögensteilen, Beleihungsgrenzen usw. im einzelnen bekannt ist. Es ist Sache des Steuerpflichtigen, diese aus den Einheitswertakten nicht ersichtlichen Umstände dem Gericht vorzutragen und glaubhaft zu machen. Dies hat der Steuerpflichtige im Streitfall unterlassen. Der allgemeine Hinweis auf die schlechte Ertragslage der Forstwirtschaft kann für sich allein die Aussetzung der Vollziehung nicht rechtfertigen (vgl. auch BFH-Beschluß VI S 9/66 vom 31. Januar 1967, BFH 87, 600, BStBl III 1967, 255).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68289

BStBl II 1969, 547

BFHE 1969, 117

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