Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Verfahrensmängel

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sich die der Entscheidung zugrunde zu legenden Rechtssätze ohne weiteres aus dem Gesetz und der vorliegenden Rechtsprechung des BFH ergeben. Die Frage ob, in dem Verzicht auf Herausgabe von durch Geschäftsbesorgung Erlangtem ein Entgelt für die Geschäftsbesorgung gesehen werden kann, ist durch das BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88 (BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046) geklärt. Daß ein solcher Verzicht sowohl ausdrücklich als auch durch schlüssiges Verhalten ("konkludent") erklärt werden kann, ergibt sich aus den Vorschriften des BGB über Willenserklärungen. Für die Bejahung eines Entgelts ist es unerheblich, ob der rechtsgeschäftliche Vertreter des Leistungsempfängers mit der Aufwendung (§10 Abs. 1 Satz 2 UStG) seine Vertretungsmacht mißbraucht ("Kollusion").

2. Eine Divergenz ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn abstrakte Rechtssätze der Entscheidungen des FG und des BFH gegenübergestellt werden und dargelegt wird, daß sie sich widersprechen.

3. Macht der Beschwerdeführer geltend, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist darzulegen, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3; UStG § 10 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, war in den Streitjahren (1981 bis 1988) Verwalter zweier Gemeinschaften von Wohnungseigentümern. Nach den Teilungserklärungen hatte sie die Berechtigung, im Namen aller Wohnungseigentümer Ansprüche der Gemeinschaft gegenüber dem Mieter (X) geltend zu machen. Laut den zwischen ihr und den Wohnungseigentümergemeinschaften abgeschlossenen Verwalterverträgen sollte sie die Rechte der Wohnungseigentümer aus dem Mietvertrag wahrnehmen, insbesondere laufend die Miete vereinnahmen. Sie war verpflichtet, einmal jährlich den Eigentümern eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben zu übergeben.

Die Klägerin erzielte neben den Erlösen für ihre Verwaltertätigkeit sog. Mietmehreinnahmen, die sie bis einschließlich 1985 in der Bilanz als außerordentliche Erträge auswies. Ab 1986 wurden die Mietmehreinnahmen als sonstige Verbindlichkeiten (Mietüberschüsse) ausgewiesen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Mietmehreinnahmen als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt, weil sie der Klägerin im Rahmen ihrer Verwaltertätigkeit zugeflossen und bei ihr verblieben seien. Die Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Mietmehreinnahmen seien der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer hinzuzurechnen, weil die Wohnungseigentümer sie der Klägerin für die Verwaltertätigkeit als zusätzliches, über das Geschuldete hinausgehendes Entgelt hingegeben hätten. Mietvertragsbeziehungen hätten nur zwischen den Wohnungseigentümern und X bestanden. Die Klägerin sei nicht als Zwischenmieterin eingeschaltet gewesen. Die Klägerin sei demnach gemäß §667 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verpflichtet gewesen, den Wohnungseigentümern alles herauszugeben, was sie aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe. Da die Wohnungseigentümer sich mit der Zahlung der im Verkaufsprospekt zugesagten Miete von ... DM pro Quadratmeter monatlich begnügt hätten, sei konkludent auf die Herausgabe der darüber hinausgehenden Beträge verzichtet worden. Wenn auch die Wohnungseigentümer sich des Verzichts nicht bewußt gewesen seien, so reiche es doch, daß die Gesellschaft, die für die Bauherrengemeinschaften die Mietverträge mit X abgeschlossen und die Höhe des darin vereinbarten Mietzinses gekannt habe, Kenntnis von dem Verzicht gehabt habe. Das Handeln und Wissen ihres rechtsgeschäftlichen Vertreters werde den Wohnungseigentümern zugerechnet. Demnach sei es als ihnen bekannt anzusehen, daß in den jährlichen Abrechnungen der Einnahmen und Ausgaben nur der in den Verkaufsprospekten zugesicherte, nach Quadratmetern bemessene Mietzins und nicht der in den Mietverträgen vereinbarte Mietzins berücksichtigt worden ist.

Die Klägerin sei selbst von einer Überlassung dieser Mietmehreinnahmen ausgegangen. Sie habe die eingegangenen Mieten auf ihrem eigenen Konto vereinnahmt. Nur die Beträge, die laut dem Verkaufsprospekt an die Eigentümer auszuzahlen waren, habe sie auf das Verwalterkonto überwiesen.

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, Divergenz und Verfahrensfehlern.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision gemäß §115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach dieser Vorschrift ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), oder das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich ohne weiteres aus dem Gesetz und der vorliegenden Rechtsprechung beantworten.

Die Klägerin hat die Frage aufgeworfen, ob ein Entgelt angenommen werden kann, wenn konkludent auf die Herausgabe von durch eine Geschäftsbesorgung Erlangtem verzichtet wird. Diese Frage sei insbesondere für den Fall, daß der Verzicht auf einem verbotswidrigen Verhalten eines Vertreters des Leistungsempfängers beruht, klärungsbedürftig.

Der Senat hat im Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88 (BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046) ausgeführt, daß in dem Verzicht auf Herausgabe von durch Geschäftsbesorgung Erlangtem ein Entgelt für die Geschäftsbesorgung gesehen werden kann. Daß ein solcher Verzicht sowohl ausdrücklich als auch durch schlüssiges Verhalten ("konkludent") erklärt werden kann, ergibt sich aus den Vorschriften des BGB über Willenserklärungen. Für die Bejahung eines Entgelts ist es unerheblich, ob der rechtsgeschäftliche Vertreter des Leistungsempfängers mit der Aufwendung (§10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980) seine Vertretungsmacht mißbraucht ("Kollusion").

Ob das FG im Einzelfall diese Grundsätze zutreffend angewandt hat, betrifft nur das individuelle Interesse der Klägerin an einer richtigen Entscheidung, nicht das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts. Unter diesen Umständen besteht kein Bedürfnis an einer Klärung durch eine Revisionsentscheidung.

Mit ihren weiteren Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung greift die Klägerin lediglich die Richtigkeit der Vorentscheidung an. Materielle Rechtsfehler in der Vorentscheidung rechtfertigen jedoch keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Falls die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom ... weitere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung hat aufwerfen wollen, könnten diese nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgebrachten Darlegungen nicht berücksichtigt werden. Nur die innerhalb der Beschwerdefrist geltend gemachten Zulassungsgründe sind Entscheidungsgegenstand (vgl. ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschluß vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858).

2. Soweit die Klägerin als Zulassungsgrund Divergenz i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geltend macht, entspricht die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Wird die Beschwerde auf Divergenz gestützt, so muß die Entscheidung des BFH, von der nach Behauptung des Klägers das Urteil des FG abweicht, "bezeichnet" werden. Dazu ist nicht nur eine genaue Angabe der BFH-Entscheidung erforderlich. Es muß darüber hinaus aus der angefochtenen Entscheidung des FG ein abstrakter Rechtssatz oder ein rechtlicher Obersatz herausgestellt werden, der zu einem abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des BFH in Widerspruch stehen könnte. Die (möglicherweise) voneinander abweichenden Rechtsauffassungen sind dabei erkennbar oder zumindest in ohne weiteres nachvollziehbarer Weise gegenüberzustellen. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin stellt keine sich möglicherweise widerstreitenden allgemeinen Rechtssätze aus der von ihr bezeichneten BFH-Entscheidung und aus dem FG-Urteil gegenüber. Ihre Darlegung geht vielmehr dahin, die Entgeltsvoraussetzungen nach der von ihr angegebenen BFH- Entscheidung lägen im Streitfall nicht vor bzw. seien vom FG zu Unrecht angenommen worden. Damit wird nur dargetan, das FG habe im Streitfall sachlich falsch entschieden. Es wird jedoch nicht dargelegt -- wie es zur Begründung einer Abweichung unerläßlich wäre --, das FG habe seinem Urteil eine der BFH-Entscheidung widersprechende Rechtsauffassung zugrunde gelegt.

3. Die Klägerin rügt ferner Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG. Nach ihrer Auffassung hätte das FG den Geschäftsführer der Y-GmbH als Zeugen vernehmen müssen.

Mit diesem Vorbringen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht den formellen Anforderungen aus §115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützt wird (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der Verfahrensmangel zu bezeichnen. Die Tatsachen, die den Mangel ergeben, sind so vollständig anzugeben, daß es dem Revisionsgericht möglich ist, allein anhand der Beschwerdeschrift zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die Behauptungen zutreffen. Da die Klägerin sinngemäß geltend macht, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, wäre darzulegen gewesen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Rz. 40), welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

Die Klägerin hat diese Anforderungen ordnungsgemäßer Darlegung nicht erfüllt.

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom ... weitere Verfahrensmängel gerügt hat, kann diese nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgebrachte Rüge nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH in BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858).

4. Mit ihrer Rüge, das FG habe gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, macht die Klägerin keinen Verfahrensmangel geltend. Verstöße der genannten Art sind materielle Rechtsfehler, die nicht zur Zulassung der Revision führen können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67596

BFH/NV 1998, 1383

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