Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur zulassungsfreien Revision

 

Leitsatz (NV)

1. Die späte Zustellung eines Urteils ist kein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, wenn sie über zehn Monate, aber nicht später als ein Jahr nach der mündlichen Verhandlung erfolgt ist.

2. Die Rüge, die Vorentscheidung sei verspätet der Geschäftsstelle übergeben worden, vermag eine Revision ohne Zulassung nicht zu eröffnen. Überdies ist die Überschreitung der Frist des § 105 Abs. 4 FGO für sich allein kein in der Revision beachtlicher Verfahrensmangel.

 

Normenkette

FGO § 105 Abs. 4, § 116 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) mit dem Antrag, den Beklagten und Revisionsbeklagten (Senator für Finanzen) zu verpflichten, ihn als Steuerberater wieder zu bestellen, wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Die verspätet begründete Revision des Klägers verwarf der Senat mit Beschluß vom 23. Mai 1989 VII R 67/88 (BFH/NV 1990, 244) als unzulässig u. a. mit der Begründung, die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden. Diesen Beschluß hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 5. April 1990 1 BvR 941/89 mit der Begründung auf, die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages verletze den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, und verwies die Sache an den Bundesfinanzhof (BFH) zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder - auf Beschwerde - der BFH sie zugelassen hat. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Der Senat hat mit Beschluß vom 23. Mai 1989 VII B 96/89 die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers gegen diesen Beschluß hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. den zitierten BVerfG-Beschluß).

Bei dieser Sachlage könnte die Revision - unter der Voraussetzung, dem Kläger könnte unter Berücksichtigung der Gründe der zitierten BVerfG-Entscheidung wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, was der Senat unentschieden läßt - nur dann zulässig sein, wenn die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision i. S. des § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben wären. Das ist aber nicht der Fall.

Soweit der Kläger mit der Revisionsbegründung rügt, das FG habe sein Recht auf Gehör verletzt, vermag dies die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen, weil dieser Verfahrensmangel in der Aufzählung der Gründe des § 116 FGO für die zulassungsfreie Revision nicht enthalten ist und daher die Revision ohne Zulassung nicht zu eröffnen vermag (vgl. BFHBeschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654).

Das FG hat in der Vorentscheidung festgestellt, der Kläger habe nicht dargetan, daß er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes); auf den Hinweis des Senators für Finanzen, daß der Kläger im Schuldnerverzeichnis eingetragen sei, habe dieser sich erstmals in der mündlichen Verhandlung etwas konkreter eingelassen. In seiner Revisionsbegründung wendet sich der Kläger gegen die letztgenannte Feststellung mit dem Vortrag, sie treffe nicht zu; er habe bereits einen Antrag auf Wiederbestellung zum Steuerberater bei dem Senator für Finanzen am . . . gestellt und hierbei auf seine derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse hingewiesen. Falls in dieser von den Feststellungen des FG abweichenden Sachverhaltsdarstellung überhaupt eine Verfahrensrüge gesehen werden kann, erfüllt sie jedenfalls nicht die Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO. Die übrigen Ausführungen des Klägers in diesem Zusammenhang sind keine Verfahrensrügen, sondern wenden sich gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanz, vermögen also eine zulassungsfreie Revision nicht zu begründen.

Der Kläger rügt, die Vorentscheidung sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), da das FG den Tenor seines Urteils am . . . verkündet habe, bis zur Zustellung des Urteils aber mehr als sieben Wochen verstrichen seien. Diese Rüge ist nicht begründet. Die späte Zustellung eines Urteils ist selbst dann kein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 bzw. des § 119 Nr. 6 FGO, wenn sie über zehn Monate, aber nicht später als ein Jahr nach der mündlichen Verhandlung erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1989 VIII R 215/85, BFH / NV 1990, 210).

Der Kläger vermutet, daß die Vorentscheidung verspätet der Geschäftsstelle übergeben worden ist (vgl. § 105 Abs. 4 FGO). Diese Rüge - unterstellt, sie erfüllte die Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 FGO - vermag aber die Revision ohne Zulassung nicht zu eröffnen, weil dieser Mangel in der Aufzählung der Gründe für die zulassungsfreie Revision in § 116 Abs. 1 FGO nicht enthalten ist. Überdies ist die Überschreitung der genannten Frist für sich allein kein in der Revision beachtlicher Verfahrensmangel (BFH-Urteil vom 22. Februar 1980 VI R 132/79, BFHE 130, 126, BStBl II 1980, 398).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417171

BFH/NV 1990, 791

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