Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten

 

Leitsatz (NV)

Eine "Streitigkeit über Kosten" i. S. von § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO liegt auch dann vor, wenn ein Antrag auf Prozeßkostenhilfe nicht mehr weiter verfolgt wird und es dem Antragsteller lediglich um die Erstattung seiner Kosten für das PKH-Verfahren geht.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2, § 128 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1994 hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) beantragt, ihr für eine noch zu erhebende Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 und den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1990 unter Beiordnung der Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen.

Nachdem das Finanzamt (FA) die angefochtenen Bescheide antragsgemäß geändert hatte, fragte der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) bei der Prozeßbevollmächtigten an, ob der Antrag auf Bewilligung von PKH zurückgenommen werde. Diese teilte daraufhin mit: Da das FA dem steuerlichen Begehren in vollem Umfang stattgegeben habe, werde "der Antrag auf Bewilligung von PKH ... für erledigt erklärt". Sie beantragte, die Zuziehung einer Bevollmächtigten im PKH-Verfahren für notwendig zu erklären und dem FA die Kosten der Bevollmächtigten aufzuerlegen. Ihre Kosten bezifferte sie auf ... DM.

Durch Beschluß vom 10. März 1995 stellte das FG das Verfahren entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein. Die Antragstellerin habe in ihrem Schreiben vom 24. Februar 1995 zum Ausdruck gebracht, daß das Gericht über den Antrag auf PKH und Beiordnung einer Bevollmächtigten für das Klageverfahren nicht mehr entscheiden solle. Zur Erledigung der Hauptsache könne es im -- nicht kontradiktorischen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Juli 1969 V B 29/69, BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593) -- Verfahren der Bewilligung von PKH nicht mehr kommen. Mangels Rechtsgrundlage könnten die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits nicht dem FA auferlegt werden, weil es im PKH-Verfahren keine Kostenerstattungspflicht nach § 155 FGO i. V. m. § 91 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) gebe (Bezugnahme auf Beschluß in BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593). § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sei ebenfalls nicht anwendbar. Dem Beschluß wurde eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit der Beschwerde trägt die Antragstellerin vor: Den Antrag auf Bewilligung von PKH habe sie nicht zurücknehmen wollen. Sie habe im Schriftsatz vom 24. Februar 1995 lediglich zum Ausdruck bringen wollen, daß sie den Hinweis des Gerichts, sie sei klaglos gestellt worden, verstanden habe. Infolge eines Übertragungsfehlers habe es richtig heißen sollen: "Der Antrag aus dem Klageentwurf werde für erledigt erklärt." Es gehe nicht an, daß die Entscheidung über den PKH-Antrag zurückgestellt werde, bis der Steuerpflichtige nach wiederholtem Schriftsatzwechsel und nach einer gerichtlichen Aufklärungsverfügung klaglos gestellt werde. Das FG habe es versäumt, über den längst entscheidungsreifen Antrag auf PKH zu befinden; durch die dem FG zuzurechnende Verzögerung dürften der armen Partei billigerweise keine Nachteile entstehen. Es sei daher PKH rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu bewilligen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 142 FGO i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet gegen eine ablehnende Entscheidung über die PKH die Beschwerde statt, "es sei denn, daß das Berufungsgericht die Entscheidung getroffen hat". Aus dieser Regelung wird der allgemeine Grundsatz entnommen, daß die Beschwerde in einer PKH-Sache nicht an diejenige Instanz gerichtet werden kann, an die die zugehörige Hauptsache nicht (mehr) gelangen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 134/89, BFH/NV 1991, 475; vom 29. Oktober 1993 XI B 42/93, BFH/NV 1994, 655, jeweils m. w. N. der Rechtsprechung). Solches ist z. B. dann angenommen worden, wenn die vom FG nach Erledigung der Hauptsache getroffene isolierte Kostenentscheidung gemäß Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) nicht anfechtbar ist (Beschlüsse vom 10. Januar 1985 VII B 63/84, BFH/NV 1985, 97; in BFH/NV 1991, 475). So liegt es auch im Streitfall. In Anbetracht der antragsgemäßen Änderung der angefochtenen Steuerbescheide kann der BFH als Revisionsinstanz mit einem Hauptsacheverfahren nicht mehr befaßt werden.

Allerdings hat die Rechtsprechung eine Beschwerde -- aus Billigkeitsgründen -- als statthaft angesehen, wenn das FG über einen Antrag auf PKH mit Abschluß der Instanz -- insbesondere zeitgleich mit der Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung -- entschieden hat. Dies wird mit dem Hinweis darauf begründet, das Gericht dürfe den Antragsteller nicht durch Säumigkeit um seine Rechte bringen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; in BFH/NV 1994, 655).

Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsgedanke der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt zur Zulässigkeit verhelfen könnte, daß eine Beschwerde bei zeitnaher Entscheidung durch das Gericht an den BFH gelangt wäre. Die Unzulässigkeit der Beschwerde ergibt sich jedenfalls aus folgenden Überlegungen: Zwar steht § 128 Abs. 4 FGO (früher: Art. 1 Nr. 4 BFHEntlG), nach welchem in Streitigkeiten über Kosten die Beschwerde nicht gegeben ist, einer Beschwerde in PKH-Sachen nicht entgegen, weil diese Entscheidungen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege und nicht Streitigkeiten über Kosten betreffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 1975 VII B 49/75, BFHE 116, 111, BStBl II 1975, 715; vom 5. August 1986 VII B 53/84, BFH/NV 1987, 186). Ungeachtet ihres Vortrags zu einem "Übertragungsfehler" geht es der Antragstellerin nicht mehr um die Gewährung von PKH, da auch nach ihrem eigenen Vortrag der Antrag aus dem Klageentwurf für erledigt erklärt werden sollte. Sie begehrt nunmehr der Sache nach die Erstattung ihrer eigenen Kosten für das PKH-Verfahren. Dies ist eine "Streitigkeit um Kosten" i. S. von § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO.

2. Der Unzulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, daß in der dem angefochtenen Beschluß des FG beigefügten Rechtsmittelbelehrung irrig auf die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Versagung der PKH hingewiesen wurde. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung hat nicht zur Folge, daß ein nach dem Gesetz unzulässiges Rechtsmittel als zulässig zu behandeln wäre.

3. Gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes wird wegen der dem angefochtenen Beschluß beigefügten unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren abgesehen (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Dezember 1994 VII B 170/94, BFH/NV 1995, 543).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420851

BFH/NV 1996, 62

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