Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionszulassung bei Einwänden gegen Ermessensfehler des Finanzamts; Geschäftsführerhaftung

 

Leitsatz (NV)

1. Mit Einwänden gegen mögliche Ermessensfehler des Finanzamts kann die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil nicht erreicht werden. Auch die Auslegung solchen Vorbringens dahin, das FG sei seiner Pflicht zur Ermessensüberprüfung nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, rechtfertigt die Revisionszulassung nicht, wenn eine über das Interesse des Klägers am Ausgang des Verfahrens hinausreichende, für die Allgemeinheit bedeutsame, durch den BFH klärungsbedürftige und in diesem Verfahren klärungsfähige konkrete Rechtsfrage nicht formuliert ist.

2. Die Heranziehung eines Geschäftsführers einer GmbH wegen pflichtwidriger Nichtabführung der Lohnsteuer ist nicht nur nicht durch die Inanspruchnahme der GmbH als Arbeitgeberin ausgeschlossen, sie ist vielmehr insbesondere dann geboten, wenn die Durchsetzung des Anspruchs gegen die GmbH wegen Insolvenz gefährdet oder ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

AO §§ 34, 37, 44, 69, 191; FGO §§ 102, 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 42d

 

Verfahrensgang

FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 22.02.2007; Aktenzeichen 1 K 1745/05)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit dem 1. Februar 2002 Geschäftsführer einer GmbH. Auf Grund einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 1. Februar 2001 bis 31. März 2003 nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die GmbH mit Haftungsbescheid gemäß § 42d des Einkommensteuergesetzes wegen Lohnsteuern zuzüglich Nebenleistungen für den Prüfungszeitraum in Haftung. Gezahlt wurde nicht, auch mit den Lohnsteuern der Monate August bis November 2003 kam die GmbH in Rückstand.

Nachdem auf Antrag des Klägers das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, nahm das FA unter anderem (neben der Vor-Geschäftsführerin) den Kläger als ehemaligen Geschäftsführer der GmbH in Haftung. Einspruch und Klage führten zu Änderungen in der Höhe der Haftungsforderung, dem Grunde nach blieben sie erfolglos.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger als Verfahrensfehler und Verstoß gegen Treu und Glauben, dass ihn das FA mit dem streitigen Haftungsbescheid in Anspruch genommen habe, obwohl es mit der vorangegangenen unanfechtbaren Inanspruchnahme der GmbH und mit dem in der Schlussbesprechung zur Lohnsteueraußenprüfung erzielten Einvernehmen, dass wegen der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen den Kläger von einer Haftungsinanspruchnahme abgesehen werden könne, zu erkennen gegeben habe, dass es den Kläger nicht als weiteren Haftungsschuldner heranziehen werde. Auch habe das FA in beiden Haftungsbescheiden die gebotene Ermessensausübung unterlassen, da auch die Arbeitnehmer, insbesonders der ehemalige Gesellschafter der GmbH, zu dem der Kläger in Abhängigkeit gestanden habe, als Gesamtschuldner für die auf sie entfallenden Lohnsteuern hätten in Anspruch genommen werden müssen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision geltend gemacht.

Die Revision kann nur zur Überprüfung der Entscheidung des Finanzgerichts (FG) zugelassen werden, das heißt, mit der Beschwerde müssen Rechtsfehler des FG bei der Überprüfung der Entscheidung des FA gerügt werden, und diese gerügten Rechtsfehler müssen einer revisionsrechtlichen Kontrolle nach den Vorgaben des § 115 Abs. 2 FGO zugänglich sein. Die Einwände des Klägers betreffen demgegenüber nur mögliche Ermessensfehler des FA. Unter dem Gesichtspunkt der Revisionszulassung kann das Vorbringen allenfalls dahingehend gedeutet werden, das FG sei insoweit seiner Pflicht zur Ermessensüberprüfung (§ 102 FGO) nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Bei einem solchen Entscheidungsmangel handelte es sich allerdings --wenn er vorläge-- um einen materiellen Fehler, der nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2002 VII B 296/01, BFH/NV 2002, 1485) und auch sonst die Revisionszulassung nicht rechtfertigt. Denn eine über das Interesse des Klägers am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, für die Allgemeinheit bedeutsame, durch den Bundesfinanzhof (BFH) klärungsbedürftige und in diesem Verfahren klärungsfähige konkrete Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (s. dazu z.B. die BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 1999 VII B 45/98, BFH/NV 1999, 1493, und vom 20. Juli 1999 X B 10/99, BFH/NV 2000, 434; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 27 ff.) ist damit nicht formuliert.

Abgesehen davon sind die vom Kläger behaupteten Ermessensfehler des FA auch nicht ersichtlich. Die Heranziehung eines Geschäftsführers einer GmbH wegen pflichtwidriger Nichtabführung der Lohnsteuer gemäß §§ 191, 69, 34 der Abgabenordnung (AO) ist nicht nur nicht durch die Inanspruchnahme der GmbH als Arbeitgeberin für die Lohnsteuer nach § 42d EStG ausgeschlossen, sie ist vielmehr zur möglichst vollständigen Durchsetzung des Steueranspruchs unter Heranziehung aller Gesamtschuldner gemäß §§ 44, 37 AO insbesondere dann geboten, wenn die Durchsetzung des Anspruchs gegen die GmbH wegen Insolvenz gefährdet oder ausgeschlossen ist. Anhaltspunkte dafür, dass auch die Arbeitnehmer als Gesamtschuldner gemäß § 42d Abs. 3 Sätze 1 und 4 EStG in Anspruch zu nehmen waren und dass die Heranziehung des Klägers als Haftungsschuldner deshalb ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen.

 

Fundstellen

BFH/NV 2008, 737

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