Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfristung wegen Beschwerdeeinlegung beim FG statt BFH

 

Leitsatz (NV)

1. Ist die Verfristung darauf zurückzuführen, dass die Klägerin die Beschwerdeschrift entgegen der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung nicht an den BFH, sondern an das FG gerichtet hat, so trägt die Beschwerdeführerin das Risiko des verspäteten Eingangs der Beschwerde.

2. Zwar muss das FG, das mit der Sache bereits befasst gewesen war, den bei ihm eingereichten fristgebundenen Schriftsatz für das Beschwerdeverfahren an den BFH als das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten. Einem Beteiligten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber nur zu gewähren, wenn ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwartet werden kann.

3. Die Klägerin kann nicht erwarten, dass ein fristgebundener Schriftsatz noch am selben Tag von der Geschäftsstelle des unzuständigen FG an den BFH abgesendet wird.

 

Normenkette

FGO § 54 Abs. 2, § 56 Abs. 1, § 116 Abs. 1, 2 S. 1, § 155; BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2; ZPO § 85 Abs. 2, § 222

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 14.08.2008; Aktenzeichen 16 K 85/07)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig; sie ist verspätet beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.

1. Nach § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO).

Das Urteil vom 14. August 2008 wurde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am 1. September 2008 zugestellt. Die Einlegungsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO endete mit Ablauf des 1. Oktober 2008 (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), die Beschwerde ging beim BFH aber erst am 2. Oktober 2008 und damit verspätet ein.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) war der Klägerin nicht zu gewähren. Sie war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten.

a) Die verspätete Einlegung der vorliegenden Beschwerde ist der Klägerin als Verschulden anzulasten. Die Verfristung ist darauf zurückzuführen, dass die Klägerin die Beschwerdeschrift entgegen § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO und der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des Finanzgerichts (FG) nicht an den BFH, sondern an das FG gerichtet hat. Als Klägerin trägt sie das Risiko des verspäteten Eingangs der Beschwerde beim BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563, m.w.N.). Ein etwaiges Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist ihr zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

b) Eine Mitverantwortung der Geschäftsstelle des FG für die Fristversäumnis mit der Folge, dass sich das Verschulden der Klägerin nicht auswirkt, ist nicht gegeben. Zwar musste das FG, das mit der Sache bereits befasst gewesen war, den bei ihm eingereichten fristgebundenen Schriftsatz für das Beschwerdeverfahren an den BFH als das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten. Einer Partei ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 563, m.w.N.). Dies ist im Streitfall zu verneinen.

Nachdem die Beschwerde erst am 1. Oktober 2008 um 13.16 Uhr per Fax beim FG eingegangen war, konnte die Klägerin nicht erwarten, dass der Schriftsatz noch am selben Tag von der Geschäftsstelle des FG an den BFH abgesendet würde. Selbst wenn die Geschäftsstelle des FG die Beschwerdeschrift bereits am 1. Oktober 2008 an den BFH weitergeleitet hätte, wäre diese bei normalem Postlauf wegen des Fristablaufs am selben Tag nicht mehr rechtzeitig dorthin gelangt. Zu einer Übermittlung vorab durch Telefax war das FG im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs nicht verpflichtet (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 563, m.w.N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 2009, 778

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