Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit einer Streitwertrevision

 

Leitsatz (NV)

1. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274, BStBl I, 496) ist eine Streitwertrevision nur zulässig, wenn sie ausdrücklich zugelassen worden ist.

2. Seit Inkrafttreten des BFHEntlG kann eine Steuerberatungsgesellschaft Prozeßerklärungen vor dem BFH nicht wirksam abgeben.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nrn. 1, 5

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Ehemann betreibt ein Schuhwarengeschäft. Aufgrund einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die mit den minderjährigen Kindern geschlossenen stillen Gesellschaften steuerrechtlich nicht an und setzte für die Streitjahre 1975 bis 1979 die als Betriebsausgaben verbuchten Gewinnanteile nebst Zinsen dem steuerpflichtigen Gewinn der Kläger wieder hinzu. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 11. Juni 1985 ist der Prozeßbevollmächtigten der Kläger - der R-GmbH, Steuerberatungsgesellschaft - am 24. und dem FA am 23. Juli 1985 an Stelle einer Verkündung zugestellt worden. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Innerhalb der Revisionsfrist hat die oben genannte Steuerberatungsgesellschaft namens der Kläger Revision eingelegt. Die Revisionsschrift trägt den Briefkopf der Gesellschaft, ist in der ,,Wir"-Form gehalten, bezeichnet die Steuerberatungsgesellschaft als die Prozeßbevollmächtigte, schließt mit der Firmenbezeichnung der Gesellschaft ab und ist mit ,,R, Steuerberater", der laut Briefbogen Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft ist, unterschrieben. Die Revisionsbegründungsschrift vom 20. September 1985 weist die gleichen Merkmale auf. Ihr ist eine auf die Steuerberatungsgesellschaft lautende Prozeßvollmacht der Kläger für die Revisionsinstanz beigefügt. In der Revisionsbegründung wenden sich die Kläger dagegen, daß das FG ebenso wie das FA die stillen Gesellschaften mit den Kindern steuerrechtlich nicht anerkannt hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist aus mehrfachen Gründen unzulässig.

1. Die Revision hätte zugelassen werden müssen. Darauf ist in der Rechtsmittelbelehrung des finanzgerichtlichen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861, BStBl I, 932) in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274, BStBl I, 496) findet eine Revision im Sinne des § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur statt, wenn sie das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat. Diese Neuregelung tritt nach Art. 5 des Gesetzes zur Beschleunigung der genannten Verfahren am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft. Das Gesetz ist in der Nr. 36 des BGBl Teil I vom 16. Juli 1985 verkündet worden. Die angefochtene Entscheidung des FG ist den Verfahrensbeteiligten nach diesem Zeitpunkt an Stelle einer Verkündung zugestellt worden. In diesem Fall ist das bisherige Recht - zulassungsfreie Streitwertrevision nach § 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG in der bisherigen Fassung, wenn der Streitwert wie hier mehr als 10 000 DM beträgt - nicht mehr anzuwenden, wie sich aus der Übergangsvorschrift des Art. 3 des Beschleunigungsgesetzes ergibt. Die Kläger haben, wie sich dem Inhalt ihrer Revisionsbegründung entnehmen läßt, zweifelsfrei eine Streitwertrevision im Sinne des § 115 Abs. 1 FGO und nicht etwa eine nach § 116 Abs. 1 FGO zulassungsfreie Verfahrensrevision - wegen eines der dort näher bezeichneten schweren Verfahrensfehler - eingelegt. Die nicht ausdrücklich zugelassene Revision der Kläger erweist sich damit als unzulässig.

2. Für die Kläger ist vor dem BFH eine Steuerberatungsgesellschaft als Prozeßbevollmächigte aufgetreten. Das ergibt sich aus der Fassung der hier maßgeblichen bestimmenden Schriftsätze (Revisionsschrift und Revisionsbegründungsschrift) sowie aus der für die Revisionsinstanz eingereichten Prozeßvollmacht der Kläger. Eine Steuerberatungsgesellschaft kann vor dem BFH Prozeßerklärungen nicht wirksam abgeben. Gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Steuerberatungsgesellschaften fallen nicht unter diesen Personenkreis (BFH-Beschluß vom 23. November 1978 V B 21/77, BFHE 126, 270, BStBl II 1979, 99, mit Rechtsprechungsnachweisen). Seit Inkrafttreten des BFHEntlG gilt somit vor dem BFH, soweit nicht Art. 1 Nr. 1 Satz 3 BFHEntlG eingreift, ein mit § 78 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vergleichbarer Vertretungszwang, unbeschadet der anderen Abgrenzung des vor dem BFH vertretungsbefugten und damit postulationsfähigen Personenkreises. Ebenso wie zu § 78 Abs. 1 ZPO folgt daraus die Unwirksamkeit der von einer nichtpostulationsfähigen Person vorgenommenen Prozeßhandlungen oder abgegebenen Prozeßerklärungen (BFH-Beschluß vom 28. Juli 1982 V R 64/82, BFHE 136, 199, BStBl II 1982, 641). Der Vertretungszwang gilt, wie Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG ausdrücklich bestimmt, auch für die Einlegung der Revision.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 420

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge