Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassungsfreie Revision

 

Leitsatz (NV)

Eine zulassungsfreie Revision kommt nicht in Betracht, wenn dem Beteiligten die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nur aus in seiner Person liegenden Gründen unmöglich war. Eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs führt nicht zu einer zulassungsfreien Revision.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine OHG. Da für sie trotz mehrfacher Aufforderung keine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Streitjahr 1989 eingereicht wurde, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen.

Gegen den entsprechenden Feststellungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den sie nicht begründete.

Nach Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet erhob die Klägerin Klage. Nachdem das Finanzgericht (FG) die Klägerin mehrfach vergeblich aufgefordert hatte, die Klage zu begründen, bestimmte es mit am 9. Januar 1992 zugestellter Verfügung als Termin zur Durchführung der mündlichen Verhandlung den 29. Januar 1992. Für die Klägerin erschien zum Termin niemand. Das FG wies die Klage daraufhin ab. Es führte aus, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin entgegen § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Streitgegenstand nicht bezeichnet habe. Die Klägerin habe trotz wiederholter Aufforderungen nicht angegeben, inwiefern der angefochtene Bescheid sie in ihren Rechten verletze. Die Revision hat das FG nicht zugelassen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs und trägt im wesentlichen vor, der geschäftsführende Gesellschafter hätte die Klage im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem FG selbst begründen wollen. Am 19. Januar 1992 habe er jedoch einen schweren Herzinfarkt erlitten, aufgrund dessen er gehindert gewesen sei, den Termin selbst wahrzunehmen oder rechtzeitig eine andere Person mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Da er die OHG nicht habe vertreten und an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können, liege ein Verfahrensmangel vor, der nach § 115 FGO zur Revisison berechtige. Es liege insoweit ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr.3 FGO vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Sie ist gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen.

1. Gemäß Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 5. Juli 1975 (BGBl I, 1861, BStBl I, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl I, 2288, BStBl I 1992, 44) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Weder das FG noch der BFH haben die Revision im Streitfall zugelassen.

2. Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision nach § 116 FGO liegen im Streitfall nicht vor.

Der Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO gerügt wird. Ein solcher liegt nach § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO vor, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn das Gericht bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den gesetzlichen Vorschriften nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Beteiligte an der mündlichen Verhandlung aus einem in seiner Person liegenden Grund nicht teilnehmen konnte. So liegt der Fall hier. Die Abweisung der Klage als unzulässig beruht auf der fehlenden Angabe des Streitgegenstands. Die Klägerin hat die diesbezüglichen Anfragen des FG, auch die unter Fristsetzung vom 21. November 1991 gemäß Art.3 § 3 Abs. 1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG - (Frist bis 22.Dezember 1991) unbeantwortet gelassen. Das Gericht hat daraufhin am 6. Januar 1992 zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei unter Hinweis auf § 91 Abs. 2 FGO darauf hingewiesen, daß auch ohne Erscheinen der Kläger mündlich verhandelt und entschieden werden könne. Das FG hat damit die gesetzlichen Vorschriften beachtet (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 1988 IV R 14/86, BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447). Eine etwaige Verletzung des § 119 Nr.3 FGO stellt keinen absoluten Revisionsgrund dar, der zu einer zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO führt. Ob im Streitfall eine unverschuldete Säumnis anzunehmen gewesen wäre, hätte nur in einem Beschwerdeverfahren nach § 115 Abs. 2 Nr.3 FGO (Geltendmachung von Verfahrensmängeln) geklärt werden können. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht erhoben worden.

Eine Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht möglich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291; vom 29. September 1989 VI R 47/89, BFH/NV 1990, 516).

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 482

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