Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Revisionsschrift

 

Leitsatz (NV)

Ein Schriftsatz, der den Briefkopf einer Wirtschaftsprüfungs-GmbH trägt, in dem die GmbH als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet wird und der von einem Rechtsanwalt mit dem Zusatz "für die Klägerin i. A. X-GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" unterzeichnet wurde, ist als ein Schriftsatz der Wirtschaftsprüfungs-GmbH auszulegen. Die durch den Schriftsatz eingelegte Revision ist wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwangs gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 126 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Mit Urteil vom 25. Oktober 1995 hat das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) -- einer GmbH -- abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Das Urteil wurde der seinerzeitigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, der X-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH (X-GmbH), am 9. November 1995 zugestellt. Am 11. Dezember 1995 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom gleichen Tag gegen das Urteil Revision eingelegt. Gleichzeitig hat sie in einem weiteren Schriftsatz wegen Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt. Der Schriftsatz trägt den Briefkopf der X-GmbH, bezeichnet diese als Prozeßbevollmächtigte und ist von Rechtsanwalt R, einem der jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, mit dem Zusatz "für die Klägerin ... i. A. X-GmbH" unterzeichnet.

Zur Zulässigkeit der Revision hat die Klägerin vorgetragen: Die Revision sei entgegen der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) vertretenen Auffassung nicht von der X-GmbH, sondern von R für die Klägerin eingelegt worden und daher zulässig. R habe zwar im Schriftsatz vom 11. Dezember 1995 die Formulierung verwendet "legen wir hiermit im Auftrag der Klägerin ... Revision ein". Die Verwendung der "wir"- Form besage aber nicht, daß R den Schriftsatz für die X-GmbH verfaßt habe. Vielmehr habe er die "wir"-Form verwendet, da die Klägerin ihm und dem Wirtschaftsprüfer T -- am 19. Januar 1996 -- die Prozeßvollmacht für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) erteilt habe. Der Schriftsatz vom 11. Dezember 1995 trage nur deshalb den Briefkopf der X-GmbH, weil R kein eigenes Briefpapier benutze. Weder die Verwendung des Briefkopfs der X-GmbH noch die "wir"- Form stehe nach dem BFH-Urteil vom 28. August 1991 I R 37/91 (BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282) der Zulässigkeit der Revision entgegen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide für 1988 bis 1990 vom 3. Januar 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. September 1994 dahingehend zu ändern, daß bei der Festsetzung der Steuern weitere abzugsfähige Betriebsausgaben in Höhe von ... DM und die sich daraus ergebenden Minderungen der Gewerbesteuerrückstellung berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Sie war daher durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

a) Gemäß Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 -- BFHEntlG -- (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) muß sich jeder Beteiligte, der keine juristische Person des öffentlichen Rechts oder Behörde ist, vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung einer Revision oder Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Prozeßhandlungen eines nicht ordnungsgemäß vertretenen Beteiligten, der nicht selbst Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist, sind unwirksam und führen zur Unzulässigkeit des durch die Prozeßhandlung eingelegten Rechtsmittels (s. BFH-Beschluß vom 9. April 1986 II B 56/86, BFH/NV 1987, 316; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 62 Rz. 76 f.).

Eine Vertretung durch eine Wirtschaftsprüfungs- und/oder Steuerberatungsgesellschaft erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG (ständige BFH- Rechtsprechung, z. B. Entscheidungen vom 9. November 1988 II R 20/86, BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109; in BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282; vom 1. Juni 1994 II B 34/94, BFH/NV 1995, 144).

b) Die Klägerin hat sich bei der Einlegung der Revision nicht von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, sondern von der X-GmbH als Bevollmächtigte vertreten lassen. Der Schriftsatz vom 11. Dezember 1995, durch den sie das Rechtsmittel der Revision eingelegt hat, stammt von der X-GmbH und wurde für diese von R verfaßt und unterzeichnet. Das ergibt sich eindeutig aus der Tatsache, daß allein die X-GmbH in dem Schriftsatz als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet wird und R den Schriftsatz nicht im eigenen Namen, sondern "i. A." der X-GmbH unterzeichnet hat. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats in BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282 zugrunde liegt.

Die T und R erteilte Prozeßvollmacht läßt nicht den Schluß zu, R habe den Schriftsatz vom 11. Dezember 1995 im eigenen Namen und zugleich im Auftrag des T verfaßt. Diese Vollmacht wurde erst am 19. Januar 1996 und somit einen Monat nach Abfassung des Schriftsatzes erteilt. Zuvor -- am 11. Oktober 1994 -- hatte die Klägerin bereits der X-GmbH eine Prozeßvollmacht erteilt, die diese auch zur Einlegung von Rechtsmitteln bevollmächtigte. Die Angabe im Schriftsatz vom 11. Dezember 1995, die X-GmbH sei zur Prozeßbevollmächtigten bestellt worden, entsprach somit den Tatsachen. Daß in diesem Zeitpunkt bereits T und R von der Klägerin bevollmächtigt worden waren, läßt sich weder dem Schriftsatz vom 11. Dezember 1995 noch der Vollmacht vom 19. Januar 1996 entnehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421553

BFH/NV 1996, 844

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