Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, daß bei Streit um die Gewinnverteilung im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert immer mit 25 % des streitigen Gewinnbetrags zu bemessen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138), gilt nicht nur, wenn die Gesellschaft klagt, sondern auch, wenn ein Gesellschafter klagt.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Durch Vertrag vom 7. September 1962 vereinbarten die Gesellschafter der KG, an der bis dahin A und sein Sohn B als geschäftsführende Komplementäre sowie sein Sohn C als Kommanditist beteiligt waren, mit Wirkung vom 1. Oktober 1961 die Umwandlung der Gesellschafterstellung des A in die eines Kommanditisten unter Übertragung der alleinigen Geschäftsführungsbefugnisse auf B und einen anderen Gewinnverteilungsschlüssel. Auf Grund einer Betriebsprüfung im Jahre 1966 erkannte der Beklagte und Beschwerdeführer (FA) den neuen Gewinnverteilungsschlüssel nicht an. Es nahm eine andere Gewinnverteilung vor.

Der gegen die Berichtigungsbescheide erhobenen Sprungklage des Kommanditisten A gab das FG in vollem Umfange statt. Es erlegte die Kosten des Verfahrens dem FA auf. Auf Antrag des Klägers und Beschwerdegegners (Kläger) setzte es den Streitwert auf 92 868 DM fest, den es, wie folgt, errechnete:

Gewinnanteile A B C Streitig

DM DM DM DM

1962: lt. Bescheid 197 302 375 053 23 791

lt. Antrag 118 102 373 021 105 023

in Streit 79 200 2 032 81 232 81 232

1963: lt. Bescheid 176 051 366 843 23 487

lt. Antrag 108 602 360 985 96 794

67 449 5 858 73 307 73 307

1964: lt. Bescheid 185 032 361 482 22 983

lt. Antrag 111 028 357 855 100 614

74 004 3 627 77 631 77 631

232 170

Streitwert 40 % = 92 868 DM

Es meinte, da die Gewinnantelle 15 000 DM überstiegen, sei der Regelsatz von 25 v. H. zu erhöhen; ein Satz von 40 v. H. erscheine angemessen. Der Sonderfall der Beteiligung von Ehegatten sei hier nicht gegeben (Urteil des BFH vom 6. November 1964 VI 210/63 U, BFHE 81, 147, BStBl III 1965, 52, 54, letzter Absatz).

Mit seiner Beschwerde gegen den Streitwertbeschluß beantragt das FA den Ansatz des Regelsatzes von 25 v. H. bei der Streitwertberechnung. Auch im Falle des vom FG zitierten Urteils VI 210/63 U habe der BFH einen Satz von 25 v. H. für angemessen angesehen, obgleich der streitige Gewinnanteil 136 075 DM betragen habe. Da der Streitwert für das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren den einkommensteuerlichen Auswirkungen anzupassen sei (Urteil vom 12. März 1970 IV 4/64, BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547), müsse, wenn es nur um die Gewinnverteilung gehe, berücksichtigt werden, daß die Gewinnminderung bei einem Gesellschafter zu einer Gewinnerhöhung beim anderen Gesellschafter führe; es sei also davon auszugehen, daß eine Mehrsteuer abgesehen von einer etwaigen Auswirkung des progressiven Einkommensteuertarifs nicht anfalle. Auch Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 5. Aufl., § 140 FGO, Tz. 42, verträten diese Ansicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. den Beschluß vom 25. August 1966 IV 3/64, BFHE 86, 569, BStBl III 1966, 611, mit weiteren Nachweisen) ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert nach den vermutlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen zu schätzen. Dabei ist, um das Verfahren zu vereinfachen und insbesondere schwierige und oft nicht ohne Verletzung des Steuergeheimnisses durchführbare Berechnungen der einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den betroffenen Gesellschaftern auszuschließen, anzunehmen, daß diese Auswirkungen in der Regel 25 % des streitigen Teils des Gewinns ausmachen. Bei höheren Gewinnanteilen ist wegen des progressiven Einkommensteuertarifs eine höhere einkommensteuerliche Auswirkung zu erwarten und daher der Satz von 25 % angemessen zu erhöhen.

Das FA stellt an sich nicht in Frage, daß eine solche Schätzung mit einem Prozentsatz des streitigen Gewinnbetrages auch dann erfolgen muß, wenn nicht die Höhe des Gewinns, sondern nur seine Verteilung streitig ist.

Der Senat hat in dem Beschluß vom 8. November 1973 IV B 6/72 (BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138) ausgeführt, daß diese Ansicht richtig ist. Er verweist auf die dort gemachten Ausführungen.

2. Das FA ist der Auffassung, der somit notwendigerweise einer Schätzung zugrunde zu legende Prozentsatz des streitigen Gewinnbetrages müsse immer 25 betragen. Darin ist ihm ebenfalls zuzustimmen. Der Senat verweist auch insoweit auf seinen Beschluß in der Sache IV B 6/72. Diesem lag allerdings insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort nicht einer der Gesellschafter in Ausübung der ihm nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zustehenden Klagebefugnis auf Minderung des auf ihn entfallenden Gewinnanteils, sondern die Gesellschaft selbst auf eine andere Verteilung des Gewinns klagte (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Insofern kann jedoch kein Unterschied bestehen.

Auch wenn nur ein einzelner Gesellschafter klagt, müssen die Gesellschaft selbst und die durch eine abweichende Gewinnverteilung möglicherweise betroffenen Gesellschafter nach den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 und 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beigeladen werden, so wie umgekehrt bei einer Klage der Gesellschaft die betroffenen Gesellschafter beizuladen sind (vgl. das Urteil des Senats vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). Es sind also immer dieselben Gesellschafter am Verfahren beteiligt, und zwar deshalb, weil ihnen allen gegenüber die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs. 3 FGO). Hinsichtlich der Höhe des Streitwerts können daher keine Verschiedenheiten bestehen, je nachdem, wer das Verfahren als Kläger eingeleitet hat. In jedem Falle wird über die Neuverteilung des Gewinns auf alle Gesellschafter entschieden.

3. Der vorliegende Fall enthält die Besonderheit, daß der klagende Gesellschafter A nicht nur beantragt hat, einen Teil des auf ihn selbst entfallenden Gewinns, sondern auch einen Teil des auf den Gesellschafter B entfallenden Gewinns auf den Gesellschafter C zu verlagern. Das FG hat bei der Festsetzung des Streitwerts auch die Gewinne berücksichtigt, die von B auf C verlagert werden sollten. Das ist richtig, weil auch Anträge, die sich - was hier nicht weiter zu klären ist - als unzulässig erweisen könnten, bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen sind.

4. Der Streitwert ist nach den vorstehenden Ausführungen auf 25 % von 232 170 DM = 58 040 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

BStBl II 1974, 140

BFHE 1974, 491

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