Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit; Prüfbeamter bei FG als Sachverständiger

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Sachverständiger kann ebenso wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Gründe für ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten.

2. Der aufgrund eines förmlichen Beweisbeschlusses eingesetzte Prüfungsbeamte bei einem Finanzgericht ist Sachverständiger.

 

Normenkette

FGO § 82; ZPO § 42 Abs. 1-2, § 406 Abs. 1 S. 1, Abs. 5

 

Tatbestand

Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) sind Gesellschafter der A- OHG, die sich in den Streitjahren 1979 bis 1984 mit dem Vertrieb und ab 1981 zunehmend auch mit der Herstellung von ... Waren befaßte. Die Waren bezog die OHG -- was streitig ist -- von der Firma X in Hongkong, die sie ihrerseits von der in Bangkok ansässigen Herstellerfirma Y bezog. Die Y kaufte das zur Produktion notwendige Messing von der in B/Pazifik ansässigen Z.

Im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß die X eingeschaltet worden sei, um durch überhöhte Wareneingangsrechnungen Gewinne der inländischen Besteuerung zu entziehen und sie in Hongkong unversteuert abzuschöpfen.

Das FA erließ entsprechend geänderte gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Jahre 1979 bis 1984 und über die Einheitswerte des Betriebsvermögens der OHG auf den 1. Januar 1981, 1. Januar 1982 und 1. Januar 1983. Die von den Klägern eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren beschloß das Finanzgericht -- FG -- (Beweisbeschluß vom 29. April 1994), über die Rechtmäßigkeit der von den Finanzbehörden vorgenommenen Erhöhungen des Gewinns aus Gewerbebetrieb für 1979 bis 1984 sowie der Einheitswerte des Betriebsvermögens der OHG durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben. Es beauftragte den dort beschäftigten Buchsachverständigen. Der Gutachter sollte sich im wesentlichen auf die Auswertung der vorhandenen Buchführungsunterlagen und anderer Belege beschränken und auch zur Höhe des wegen fehlender Buchführung für die Jahre 1979 und 1980 von den Finanzbehörden neu ermittelten Wareneinkaufs Stellung nehmen. Des weiteren gab das FG den Beteiligten auf, dem Sachverständigen alle notwendigen Auskünfte zu erteilen und die zur Begutachtung von ihm für erforderlich gehaltenen Unterlagen auszuhändigen. Den Prozeßbeteiligten sollte Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Ergebnissen der Ermittlung zu äußern. Offen gebliebene Einwendungen sollten im Bericht gesondert ausgeführt werden.

Der Sachverständige besprach am 18. Oktober 1994 mit einem der Prozeßbevollmächtigten der Kläger das weitere Vorgehen, vor allem wie Einsicht in die Buchführung der OHG genommen werden sollte. Er sichtete am 24. und 25. Oktober 1994 die vom Kläger zu 1 und dessen Buchhalterin zur Verfügung gestellten Unterlagen. Im Rahmen einer ausführlicheren Besprechung mit dem Kläger zu 1 am 25. Oktober 1994 sprach der Sachverständige u. a. die von den Finanzbehörden vorgenommene Einordnung der X und Z als sog. Briefkastenfirmen an. Zum Ablauf des Gesprächs im einzelnen hat sich der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 22. November 1994 geäußert. Darin heißt es: "Ich sagte sinngemäß: Besteht Übereinstimmung darin, daß auch Z und X Briefkastenfirmen waren? Ich kann aber auch gesagt haben: Z und X waren doch auch Briefkastenfirmen."

Unbestritten räumte der Kläger zu 1 dies bezüglich der Z ein. Hinsichtlich der X wendete der Kläger zu 1 ein, es habe sich um eine "aktive Firma" gehandelt. Der Gutachter wies unter auszugsweiser Verlesung des Steuerfahndungsberichts darauf hin, daß schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß die X -- obwohl keine Briefkastenfirma -- bezüglich der Fertigung von Rechnungen von Deutschland aus gesteuert worden sei. Unbestritten erklärte er, er werde jedem Argument der Kläger im einzelnen nachgehen und wenn sie recht hätten, bekämen sie Recht. Schließlich fragte er den Kläger zu 1, ob möglicherweise eine einvernehmliche außergerichtliche Regelung gewünscht werde.

Bei einer anschließenden Erörterung des Sach- und Streitstandes mit dem FA erfuhr der Sachverständige, daß sich die Beweismittel- und Ermittlungsakten bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts befinden. Daraufhin nahm er in diese Akten in der Zeit vom 3. bis 15. November 1994 Einsicht.

Der Kläger zu 1 wandte sich unter dem 28. Oktober 1994 schriftlich an seinen Prozeßbevollmächtigten und lehnte weitere Gespräche mit dem Sachverständigen ab. Mit Schriftsatz vom 2. November 1994 lehnten die Prozeßbevollmächtigten der Kläger unter Bezugnahme auf das vorgenannte Schreiben den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Rechtmäßigkeit der Gewinnerhöhung hänge u. a. von der bislang von der Steuerfahndung bejahten Frage ab, ob insoweit eine Steuerhinterziehung vorliege. Wenn der Sachverständige indessen bereits seine feste Auffassung dahingehend geäußert habe, aus dem Telex-Verkehr mit der X und der Y sei klar ersichtlich, daß es sich bei diesen Firmen um Briefkastenfirmen handele und deren Tätigkeit vom Inland aus von den Klägern gesteuert worden sei, so erwecke dies Zweifel an der Objektivität des Sachverständigen. Dieser Eindruck werde durch das Angebot verstärkt, auf eine einvernehmliche Erledigung hinzuwirken. Denn eine solche tatsächliche Verständigung mache nur Sinn, wenn dem Grunde nach das Vorliegen einer Steuerhinterziehung und folglich eine Gewinnkorrektur bejaht und lediglich noch eine Einigung über die Höhe angestrebt werde. Ergänzend führen die Prozeßbevollmächtigten zur Stellungnahme des Sachverständigen u. a. aus, abweichend vom Beweisbeschluß habe sich der Sachverständige nicht auf die Überprüfung der Buchführungsunterlagen und damit im Zusammenhang stehender Unterlagen beschränkt. Er habe offensichtlich das Beweisthema verkannt.

Das FG lehnte den Antrag mit am 14. Februar 1995 den Klägervertretern zugestelltem Beschluß vom 1. Februar 1995 als unbegründet ab. Es führt zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, bei vernünftiger Würdigung aller Umstände bestehe kein Anlaß an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Buchsachverständigen zu zweifeln. Zum Prozeßstoff gehöre der gesamte Akteninhalt. Dem Sachverständigen seien grundsätzlich die dem Gericht vorliegenden Akten zugänglich zu machen. Der Sachverständige habe seinen Auftrag, den Sachverhalt mit vielen Geschäftsvorfällen auch im Interesse der Kläger möglichst umfassend aufzuklären, ohne die Einsichtnahme in die Beweismittel- und Ermittlungsakten auch gar nicht erfüllen können. Der Senat habe eine solche Einsichtnahme keineswegs ausschließen wollen. Der Sachverständige habe sich auch nicht zuungunsten der Kläger bereits in jenem frühen Verfahrensstadium festgelegt. Die Sichtung des umfangreichen sichergestellten Aktenmaterials im Anschluß an das Gespräch vom 25. Oktober 1994 mache gerade deutlich, daß er eine weitere Sachaufklärung für nötig gehalten habe. Unbedenklich sei es, wenn ein Sachverständiger vor Abfassung seines Gutachtens den Beteiligten Gelegenheit zur Klarstellung und Gegenäußerung gebe. Aus diesem Grunde habe der Sachverständige offensichtlich den Kläger zu 1 gebeten, die entsprechenden Akten nochmals zu lesen. Ebensowenig lasse sich aus dem Vermittlungsangebot eine endgültige Festlegung ableiten. Eine tatsächliche Verständigung sei gerade bei schwierigen Ermittlungen von der Rechtsprechung als zulässig anerkannt worden. Den Betroffenen stehe eine Zustimmung frei.

Schließlich erlaube auch ein Irrtum über verfahrensrechtliche Befugnisse noch nicht den Schluß, der Sachverständige werde nunmehr zu Lasten der Kläger ermitteln. Die abschließende Beweiswürdigung und Entscheidung obliege dem Senat (§ 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und nicht dem Sachverständigen.

Mit der am 27. Februar 1995 beim FG eingelegten Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, machen die Kläger geltend, maßgebend sei die Sicht des Ablehnenden, ob das Verhalten des Abgelehnten berechtigten Anlaß zu Mißtrauen in dessen Unparteilichkeit gebe. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei nicht nachvollziehbar. Das FG habe in seinem Beweisbeschluß den Auftrag des Sachverständigen gerade beschränkt. Dies sei aber sinnlos, wenn man gleichwohl -- wie das FG -- eine umfassende Prüfung des gesamten Prozeßstoffes verlange. Verkenne ein Sachverständiger das Beweisthema, könne er schon deshalb seinem Auftrag nicht gerecht werden und der Sache nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen. Der Sachverständige habe sich bei seinem Gespräch am 25. Oktober 1994 bereits eine feste Auffassung hinsichtlich der Einordnung der Z und X als Briefkastenfirmen gebildet gehabt, und zwar aufgrund von außerhalb der Ermittlungen am 24. und 25. Oktober 1994 in Augenschein genommener Unterlagen. Die Frage des Sachverständigen belege eindeutig, daß er sich nicht mehr im Ermittlungsstadium befunden habe.

Die Finanzverwaltung sei offenbar nicht von der Möglichkeit einer tatsächlichen Verständigung, sondern von einem hinreichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Unterbreite ein Sachverständiger in einem solchen Verfahrensstadium ein Vermittlungsangebot, könne dies nur so verstanden werden, daß der Sachverständige von der Rechtmäßigkeit dem Grunde nach ausgehe und die klägerische Auffassung, die streitigen Gewinnerhöhungen seien in vollem Umfang rechtswidrig, für unbegründet halte. Träfe die Hilfserwägung des FG zu, könne schließlich kein Sachverständiger mehr abgelehnt werden, weil der Betroffene es in der Hand habe, durch entsprechendes prozessuales Verhalten der Gefahr einer unzutreffenden Entscheidung vorzubeugen.

Das FA hat sich inhaltlich der Begründung des angefochtenen Beschlusses angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

a) Nach § 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Sachverständiger kann nur dann mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten. Unerheblich ist, ob der Sachverständige tatsächlich voreingenommen ist, ob er sich als befangen fühlt oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob ein Verfahrensbeteiligter nach den äußeren Umständen einen vernünftigen Grund für die Annahme hat, der Sachverständige werde sich aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus bei seiner Entscheidung von nicht sachgerechten Rücksichten leiten lassen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. September 1989 IV B 3/89, BFH/NV 1990, 378, m. w. N.; vom 22. August 1988 III B 104/87, BFH/NV 1989, 121, 122, mit umfangreichen Nachweisen; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 6. Dezember 1974 III C 81/70, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1975, 464; Beschluß des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 15. April 1975 X ZR 52/73 -- BPatG --, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1975, 1363; Skouris, Grundfragen des Sachverständigenbeweises im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsprozeß, Archiv des öffentlichen Rechts -- AöR -- 1982, 215, 238).

b) Das FG hat unter Anlegung dieses Maßstabes überzeugend ausgeführt, daß die Kläger bei vernünftiger Betrachtung und verständiger Würdigung keine Gründe geltend gemacht haben, die die Befürchtung rechtfertigten, der Sachverständige stehe den Klägern nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber und hat deshalb das Ablehnungsgesuch mit Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die Kläger haben mit der Beschwerde keine Gründe vorgetragen, die entweder bereits jeweils für sich oder aber zumindest in ihrer Gesamtwürdigung (vgl. Damrau in Münchener Kommentar -- MünchKomm -- zur Zivilprozeßordnung, § 406 Rz. 4) geeignet wären, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen und damit dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen.

aa) Der aufgrund eines förmlichen Beweisbeschlusses eingesetzte Prüfungsbeamte beim FG ist Sachverständiger (BFH-Urteile vom 18. Februar 1966 VI 326/65, BFHE 85, 535, BStBl III 1966, 496, 498 a. E.; vom 7. Mai 1965 VI 128, 129/64, HFR 1965, 487, 488; vom 30. Juni 1965 VI 248/64, HFR 1965, 537, 538; vom 18. Dezember 1962 I 155/61 U, BFHE 76, 451, BStBl III 1963, 164; Seer, Der Einsatz von Prüfungsbeamten durch das Finanzgericht, 1993, S. 145ff.; Koch/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 81 Rz. 13, 19; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 81 FGO Rz. 5) und nicht lediglich Augenscheinsgehilfe oder -sachverständiger- Zeuge, dessen Ablehnung nicht zulässig wäre (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl., § 414 Rz. 2; Fezer, Juristische Rundschau -- JR -- 1990, 397).

bb) Die Einsichtnahme des Sachverständigen in die Beweismittel- und Ermittlungsakten beim Landgericht hat das FG zutreffend als keinen geeigneten Ablehnungsgrund angesehen.

Bereits im Beweisbeschluß vom 29. April 1994 war dem Gutachter unter Ziffer 1, 3. Absatz lediglich vorgegeben, er solle sich im wesentlichen auf die Auswertung der vorhandenen Buchführungsunterlagen und andere Belege beschränken. Im wesentlichen heißt indessen nicht ausschließlich. Der Senat hat dies erklärtermaßen auch nicht ausschließen wollen, sondern lediglich die Einvernahme von anderen Personen im Rahmen des Zeugenbeweises dem Senat vorbehalten. Ein zur Ablehnung berechtigender Verstoß gegen gerichtliche Weisungen oder eine Überschreitung der dem Gutachter erteilten Befugnisse (vgl. § 404a Abs. 4 ZPO; dazu Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 19. Aufl., § 406 Rz. 2) liegt danach nicht vor. Bereits im Schriftsatz vom 4. Juli 1991 hatte das FA (S. 10 sub Ziff. II) zudem darauf hingewiesen, daß sich die den Streitfall betreffenden Beweismittel in den dem Landgericht vorliegenden Strafakten des FA sowie in den Ermittlungs- und Beweismittelakten der Steuerfahndung beim FA befänden und deren Beiziehung beantragt. Ziel des Gutachtens sollte gerade die umfassende Überprüfung der von dem FA vorgenommenen Gewinnerhöhung und dementsprechend die Beurteilung des Wareneingangs sein. Dies erforderte -- worauf das FG zutreffend ab gehoben hat -- zwangsläufig eine auch zugunsten der Kläger möglichst umfassende Auswertung sämtlicher Buchführungsunterlagen und Beweismittel. Überdies hat das FG grundsätzlich alle ihm vorliegenden Akten dem Sachverständigen als Gehilfen des Gerichtes zugänglich zu machen (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1990, 378). Ferner hat der BFH (Urteil vom 26. März 1980 II R 67/79, BFHE 130, 366, BStBl II 1980, 515, 516) es nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der (formellen) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO gewertet, wenn ein Sachverständiger eigene Ermittlungen vornimmt, soweit es zu seinen Aufgaben gehört, Wahrnehmungen zu machen, zu denen er allein kraft seiner Sachkunde in der Lage ist und soweit er das Sammeln dieser tatsächlichen Angaben als Material für sein Gutachten für erforderlich hält. Die prozessualen Rechte der Verfahrensbeteiligten werden dann hinreichend dadurch gewahrt, daß sie eine entsprechende Beweisaufnahme beantragen können, sofern der Sachverständige sein Gutachten auch auf dem Gericht selbst mögliche Feststellungen stützt.

Nicht ersichtlich ist, wieso der Sachverständige durch eine derartige umfassende Ermittlung das Beweisthema verkannt haben sollte (vgl. dazu Beschlüsse des Oberlandesgerichts -- OLG -- Köln vom 25. Juli 1990 27 W 18/90, Versicherungsrecht 1992, 255; vom 30. Dezember 1986 20 W 65/86, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht -- NJW-RR -- 1987, 1198). Allenfalls könnte der Sachverständige seine verfahrensrechtlichen Befugnisse überdehnt haben. Indessen gibt eine unrichtige Auffassung, sei es in prozeßrechtlicher, sei es in materiell-rechtlicher Hinsicht, einem Beteiligten in aller Regel keinen Anlaß für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Juli 1985 IV B 35/85, BFH/NV 1987, 513, 514), es sei denn, der Irrtum ist so schwerwiegend, daß er dem Anschein nach als Zeichen von Voreingenommenheit angesehen werden muß (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, 558; Beschluß des erkennenden Senats vom 13. August 1987 VIII B 67/86, BFH/NV 1988, 167, 168). Ein derartiger schwerwiegender Fall liegt hier indessen nach den obigen Ausführungen nicht vor.

cc) Ebensowenig ist ersichtlich, daß sich der Sachverständige in dem erkennbar noch der Orientierung und Klärung des weiteren Vorgehens dienenden Gespräch vom 25. Oktober 1995 mit dem Kläger zu 1 bereits endgültig auf ein für die Kläger ungünstiges Ergebnis festgelegt gehabt hätte. Von einer derartigen endgültigen Rechtsauffassung in bezug auf die Qualifizierung der Z und der X als sog. Briefkastenfirmen seitens des Sachverständigen kann bei verständiger Würdigung der von den Klägern insoweit auch gar nicht bestrittenen Stellungnahme des Gutachters vom 2. November 1994 nicht ausgegangen werden. Bereits die insoweit verwendete Frageform legt ein solches Verständnis nicht nahe. Unbestritten hatte der Kläger zu 1 die Zuordnung der Z als Briefkastenfirma selbst bejaht. Die Verlesung bestimmter Fernschreiben, die einen entsprechenden gewichtigen Anhaltspunkt bieten konnten und die weitere Bitte an den Kläger zu 1, nochmals die Akten insoweit zu lesen, berechtigen ebensowenig zur Annahme eines Ablehnungsgrundes. Denn darin kommt die Notwendigkeit weiterer Aufklärung und Prüfung unter Einbeziehung der Betroffenen zum Ausdruck. Vor allem aber hat der Sachverständige un widersprochen erklärt, er werde jedem klägerischen Argument im einzelnen nach gehen und die Kläger erhielten Recht, wenn sie Recht hätten. Auch aus der Sicht der betroffenen Kläger konnten diese im Zusammenhang zu würdigenden Erklärungen und Verhaltensweisen gerade nicht als eine endgültige Festlegung auf eine bestimmte rechtliche Würdigung verstanden werden.

Eine solche endgültige Festlegung läßt sich schließlich vernünftigerweise auch nicht aus dem ohne jeden Druck oder weitere Bemerkungen unterbreiteten Angebot ableiten, bei einer außergerichtlichen Einigung gegebenenfalls behilflich zu sein. Der Sachverständige weist in seiner Stellungnahme zutreffend darauf hin, daß eine Vielzahl von Streitfällen der hier vorliegenden Art nicht zuletzt im Interesse der Vermeidung weiterer langwieriger und kostenaufwendiger Ermittlungen mit einer außergerichtlichen Einigung beendet wird. Auf eine solche außergerichtliche Einigung hinzuwirken mag zwar primär Aufgabe des Gericht sein. Indessen kann eine bloße Frage nach Einigungsbereitschaft durch einen außerhalb der Finanzverwaltung stehenden Prüfer noch nicht als Ausdruck einer Voreingenommenheit verstanden werden. Aus den vorgenannten Erwägungen kann, unbeschadet der steuerrechtlichen Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung bei schwierig zu ermittelnden Sachverhalten (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354, 357; Tipke/Kruse, a. a. O., § 38 AO 1977 Tz. 3, m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung) und unbeschadet des aufrechterhaltenen Rechtsstandpunktes auch in bereits langdauernden und streitigen Verfahren eine derartige Einigung zustande kommen. Allein aus dem Angebot zur Vermittlung läßt sich entgegen der Wertung der Beschwerde nicht entnehmen, der Anbietende gehe von der Rechtmäßigkeit der Gewinnerhöhung dem Grunde nach aus und halte lediglich noch deren Umfang für fraglich (vgl. auch Beschluß des OLG München vom 5. März 1991 1 W 896/91, NJW 1992, 1569).

dd) Die Hilfserwägung des FG bezieht sich allein auf den Fall eines Rechtsirrtums des Sachverständigen, dessen prozessuales Fehlverhalten nicht auf eine durch Parteilichkeit beeinflußte unzureichende Berücksichtigung des Verfahrensrechts zurückzuführen ist (vgl. auch BFH/NV 1987, 513, 514). Sollten indessen -- anders als im Streitfall -- die gesamten Umstände nahelegen, der Rechtsirrtum beruhe letztlich auf einer Voreingenommenheit des Sachverständigen, so könnte der Ablehnende nicht auf andere prozessuale Abwehrmöglichkeiten verwiesen werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 344

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