Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (NV)

Ein Sachverständiger kann nicht mit der Begründung als befangen abgelehnt werden, das von ihm erstellte Gutachten sei mangelhaft.

 

Normenkette

FGO § 82; ZPO §§ 42, 406

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Kfz-Sachverständiger. Mit seiner Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1976, 1977 und 1979 hat er beantragt, seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Kfz-Sachverständiger als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu behandeln. Das Finanzgericht (FG) hat über die Klage noch nicht entschieden.

Durch Beschluß vom . . . beauftragte das FG Prof. Dr. X mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen, ob der Kläger über eine Ausbildung verfügt, die mit der Berufsausbildung eines Ingenieurs, wie sie die Ingenieursgesetze vorschreiben, verglichen werden kann, und ob die berufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren an sich schon so geartet war, daß sie zumindest gelegentlich Kenntnisse erforderte, wie sie eine der Berufsausbildung des Ingenieurs ähnliche Ausbildung vermittelt. Mit Schreiben vom 24. September 1985 legte der Sachverständige eine Stellungnahme zu den Fragen des Beweisbeschlusses und eine ,,Kurzfassung der bearbeiteten Gutachten mit Einzelbewertung" vor.

Der Sachverständige beantwortete die vom FG gestellten Fragen dahingehend, daß die vom Kläger nachgewiesene Ausbildung nicht der Ingenierausbildung nach dem Ingenieurgesetz entspreche. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten setzten keine Kenntnisse voraus, die einer Ingenieurausbildung i. S. der Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage und fachlicher Breite entsprächen. Mit Schriftsatz vom . . . lehnte der Kläger den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte er aus, das von diesem vorgelegte Gutachten sei kein schriftliches Gutachten i. S. von § 82 FGO i. V. m. § 411 ZPO, da eine Begründung, weshalb bei den untersuchten Arbeiten des Klägers eine Ingenieurausbildung nicht erforderlich sei, fehle. Jedenfalls sei das Gutachten wegen grober Mängel unbrauchbar. Es bestehe die Gefahr, daß der Sachverständige bei der erforderlichen Neubegutachtung oder bei der Erläuterung seiner Darlegungen im Schreiben vom 24. September 1985 versuchen werde, seine bereits geäußerte Meinung zu stützen. Es sei zu besorgen, daß dieser zu einer objektiven Begutachtung nicht mehr in der Lage sei.

Das FG hat den Ablehnungsantrag als unbegründet abgewiesen.

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, hat der Kläger beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Sachverständigen für befangen zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 82 FGO i. V. m. § 406 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigten, abgelehnt werden. Wird - wie im Streitfall - schriftliche Begutachtung angeordnet, so ist das Ablehnungsgesuch grundsätzlich nur bis zum Eingang des Gutachtens zulässig (§ 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 2 S. 1, 411 ZPO). Nach der schriftlichen Begutachtung ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Beteiligte glaubhaft macht, daß er den Sachverständigen nicht früher ablehnen konnte. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist, weil der Kläger den Ablehnungsgrund aus dem Gutachten selbst herleitet (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl., § 406 Anm. 3 B).

Der Kläger hat jedoch keine Gründe vorgetragen, die geeignet wären, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen und damit dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (§ 82 FGO i. V. m. §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO). Insbesondere kann ein solches Mißtrauen nicht aus der Tatsache hergeleitet werden, daß der Sachverständige ein unbrauchbares Gutachten vorgelegt haben soll (Thomas / Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 11. Aufl., § 406 Anm. 1). Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen ist Sache des Gerichts (§ 82 FGO i. V. m. §§ 404, 405 ZPO); es ist nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht unter Angabe konkreter Tatsachen behauptet worden, dem Gericht sei insoweit ein Ermessensfehler unterlaufen. Unzulängliche Sachkunde des Sachverständigen kann im übrigen zwar zu Fehlern und unrichtigen Schlußfolgerungen im Gutachten führen, nicht aber die Besorgnis der Befangenheit (im Sinne einer bewußt falschen Darstellung) rechtfertigen. Das FG hat im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung (§ 96 FGO) das Sachverständigengutachten zu prüfen. Ist das Gutachten nach Auffassung des Gerichts unvollständig, widersprüchlich, nicht überzeugend oder aus einem anderen Grund ungenügend, so kann das Gericht unabhängig von den Anträgen der Beteiligten weitere Gutachten desselben Sachverständigen oder ein Obergutachten einholen (§ 82 FGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO). Auch bleibt es den Beteiligten ohne Rücksicht auf die Wertungen des Gerichts unbenommen, die nach ihrer Auffassung bestehenden Mängel des Gutachtens aufzuzeigen und mit überzeugenden Gründen zu rügen.

Auch das weitere Vorbringen des Klägers, der abgelehnte Sachverständige habe sich abschließend zum Beweisthema geäußert und sei aus diesem Grunde voreingenommen, rechtfertigt bei vernünftiger Betrachtung und verständiger Würdigung nicht die Befürchtung, der Sachverständige stehe dem Kläger nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber.

Das FG hat in dem angefochtenen Beschluß zutreffend darauf hingewiesen, daß es Aufgabe des Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren ist, seine tatsächlichen Feststellungen und die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen darzulegen. Ein Ablehnungsgesuch kann deshalb nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, daß der Sachverständige bei der Beurteilung der zu begutachtenden Punkte zu einem bestimmten dem Kläger möglicherweise nachteiligen Ergebnis gelangt ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Sachverständige insoweit einem Richter, der seine Rechtsauffassung bereits vor Schluß der mündlichen Verhandlung zu erkennen gibt, nicht vergleichbar. Bei einem Richter, der sich in einem frühen Abschnitt des Verfahrens mit Bestimmtheit zu den Erfolgsaussichten der Klage äußert, kann unter Umständen die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt sein (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Richter seinem Urteil das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen hat (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da das Gesamtergebnis des Verfahrens in der Regel erst am Schluß der letzten mündlichen Verhandlung feststeht, kann sich das Gericht auch erst zu diesem Zeitpunkt eine abschließende Meinung über die Beurteilung des Falles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bilden. Diese Erwägungen treffen jedoch für den Sachverständigen nicht zu.

Die Ausführungen des Klägers zu der Frage, ob das mit Schreiben vom 24. September 1985 vorgelegte Gutachten als ein schriftliches Gutachten i. S. von § 82 FGO i. V. m. § 411 ZPO gewertet werden kann und ob eine Ergänzung dieses Gutachtens möglich ist, haben keine Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob das FG den Befangenheitsantrag zu Recht als unbegründet abgelehnt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415277

BFH/NV 1988, 167

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