Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

 

Leitsatz (NV)

1. Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist kann schon dann nicht gewährt werden, wenn der Prozeßbevollmächtigte es versäumt hat, rechtzeitig einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen.

2. Zur Glaubhaftmachung von Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1-2, § 120 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) am 11. Januar 1986 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger mit am 10. Februar 1986 beim FG eingegangenem Schreiben Revision eingelegt. Am 21. März 1986 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers ein, in dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wurde. Zur Begründung führte der Prozeßbevollmächtigte aus, der Kläger habe ihm das Mandat am 27. Januar 1986 übertragen. Die Revision sei mit Schreiben vom 7. Februar 1986 eingelegt worden. Sowohl die Revisionsfrist als auch die Frist nach § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien am 27. Januar und am 7. Februar 1986 in das Fristenkontrollbuch eingetragen worden. In der Zeit von Anfang Januar bis zum 20. März 1986 seien seine Büroangestellten in erheblichem Maße erkrankt; Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien als Beweis beigefügt. Die größten Belastungen des normalen Arbeitslaufs seien in der Zeit vom 7. bis 21. Februar 1986 aufgetreten. Hier seien seine ganztägig tätigen Fachgehilfen A und B erkrankt gewesen. Zu dieser Zeit seien von ihm, dem Prozeßbevollmächtigten, alle im Büro anfallenden Arbeiten zusätzlich zu den von ihm normalerweise zu erledigenden Aufgaben ausgeführt worden. Seine Arbeitszeit habe auch hier das normale Maß übertroffen. Dieser Umstand sei nicht ohne Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand geblieben. Am 5. März 1986 sei es ihm nicht möglich gewesen, sich auf den Beinen zu halten: Schwindel, Übelkeit und ein zusammengebrochener Kreislauf hätten es ihm unmöglich gemacht, seinen Arbeitsplatz im Büro aufzusuchen. Am schwerwiegendsten sei der Krankheitszustand am Montag, dem 10. März 1986, gewesen. Am Donnerstag, dem 13. März 1986, habe er erstmals wieder versucht, sein Büro aufzusuchen. Da habe er erfahren, daß sein Angestellter B mehrfach versucht habe, ihn auf die eingetragene Frist für die Revisionsbegründung hinzuweisen. Infolge seines schlechten Gesundheitszustandes sei es diesem Angestellten jedoch nicht gelungen, ihn, den Prozeßbevollmächtigten, zu erreichen. Der Heilpraktiker C habe ihn in der Zeit vom 5. bis 12. März 1986 behandelt und mehrfach im Hause besucht. Die Bescheinigung des Heilpraktikers füge er bei.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag holte der Prozeßbevollmächtigte ,,den versäumten Antrag auf Fristverlängerung gemäß § 120 FGO" nach und beantragte Fristverlängerung für die Revisionsbegründung bis zum 31. März 1986.

Die Revisionsbegründung ist am 24. März 1986 beim BFH eingegangen. Darin beantragt der Kläger in der Sache, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1977 unter Berücksichtigung der mit dem Klageantrag geltend gemachten Werbungskosten abzuändern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt sinngemäß, die Revision als unzulässig zu verwerfen, und hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Frist zur Begründung der gegen das am 11. Januar 1986 dem Kläger zugestellte Urteil eingelegten Revision ist am 11. März 1986 abgelaufen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dem Kläger nicht gewährt werden. Denn sein Prozeßbevollmächtigter, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muß, war nicht gemäß § 56 Abs. 1 FGO ohne Verschulden verhindert, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden ist nämlich schon dann anzunehmen, wenn ein Antrag, die Revisionsbegründungsfrist gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO zu verlängern, nicht rechtzeitig gestellt wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. August 1977 II R 59/77, BFHE 123, 13, BStBl II 1977, 768, und vom 14. August 1986 VIII R 241/84, BFH / NV 1987, 170; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 120 FGO Tz. 45). Daß der Prozeßbevollmächtigte, der für die Zeit vom 5. März bis 12. März 1986 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines Heilpraktikers mit der Diagnose ,,Kreislaufinsuffizienz, Tachycardie" vorgelegt hat, so plötzlich und schwer erkrankt war, daß es ihm nicht einmal möglich gewesen wäre, einen derartigen Fristverlängerungsantrag zu stellen, hat er selbst nicht behauptet, geschweige denn gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO glaubhaft gemacht. Vielmehr geht der Vortrag des Prozeßbevollmächtigten dahin, daß ihn sein Angestellter B - wegen der vorgetragenen Erkrankung - nicht habe erreichen können. Wäre der Prozeßbevollmächtigte infolge seiner Erkrankung nicht einmal zur Stellung eines Fristverlängerungsantrages in der Lage gewesen, so käme es aber auf etwaige vergebliche Bemühungen dieses Angestellten, den Prozeßbevollmächtigten zu erreichen, nicht an.

Es kann auch nicht etwa zugunsten des Bevollmächtigten davon ausgegangen werden, daß er den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ohne Verschulden nicht kannte. Denn er hat nicht einmal glaubhaft gemacht, daß in seinem Büro überhaupt ein Fristenkontrollbuch geführt wurde, was zum Ausschluß eines den Prozeßbevollmächtigten belastenden Organisationsmangels erforderlich gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1977 V R 139/73, BFHE 122, 251, BStBl II 1977, 643). Auf diesen Gesichtspunkt - Nichtvorlage eines Auszugs aus dem Fristenkontrollbuch - hat bereits das FA in seiner Beschwerdeerwiderung hingewiesen, ohne daß der Prozeßbevollmächtigte darauf reagiert hätte.

Im übrigen bemängelt das FA zu Recht Ungereimtheiten im Vortrag des Prozeßbevollmächtigten. Denn wenn dieser - wie er offenbar vortragen will - infolge seiner Erkrankung das Haus nicht verlassen konnte, ist nicht ersichtlich, weshalb sein Angestellter B ihn dort nicht erreicht haben soll.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415212

BFH/NV 1988, 99

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