Leitsatz (amtlich)

Einstellung des Verfahrens ist in der Revisionsinstanz infolge Klagerücknahme auch dann noch möglich, wenn die Prozeßbeteiligten beim FG die Hauptsache für erledigt erklärt haben und das FG demgemäß nur über die Kosten des Verfahrens entschieden hatte.

 

Normenkette

FGO §§ 72, 136 Abs. 2, §§ 138, 144

 

Tatbestand

Das FA hat gegen den Beschluß des FG, durch den ihm nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Kosten auferlegt wurden, Beschwerde eingelegt.

Streitgegenstand der Hauptsache vor dem FG war die Erstattung überzahlter Vermögensabgabe an die Klägerinnen (Beschwerdegegnerinnen) als Erben eines rückerstattungsberechtigten Grundstückseigentümers. Das FA hatte durch Bescheid den Antrag auf Erstattung gezahlter Vermögensabgabe zurückgewiesen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klägerinnen legten Berufung ein. Nachdem das FA den ablehnenden Bescheid nach § 94 AO a. F. aufgehoben und die Erstattung vorgenommen hatte, erklärten die Klägerinnen und das FA übereinstimmend die Hauptsache für erledigt.

Das FG legte durch Beschluß dem Beklagten (FA) die Kosten des Rechtsstreits nach § 138 Abs. 2 FGO auf. Es wies in den Gründen darauf hin, die Klägerinnen und das FA hätten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Erledigung sei dadurch eingetreten, daß dem Erstattungsantrage durch Aufhebung des angefochtenen Ablehnungsbescheides voll stattgegeben worden sei. Gleichzeitig wurde durch das FG die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Das FA (Beschwerdeführer) legte gegen den Beschluß Beschwerde ein mit dem Antrag, die Kosten des Verfahrens den Klägerinnen (Beschwerdegegnerinnen) aufzuerlegen. Es rügte Verletzung des § 138 FGO und führte zur Begründung aus: Das FG habe hinsichtlich der Kosten so entscheiden müssen, wie wenn die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden sei. Es sei rechtlich bedenklich anzunehmen, der Rechtsstreit sei im Sinne des § 138 Abs. 2 FGO in der Hauptsache erledigt. Denn dem Begehren der Klägerinnen sei lediglich im Ergebnis, nicht der Sache nach entsprochen worden. Während diese den Erstattungsanspruch auf Rückerstattungsrecht und die Regelung bei der Soforthilfeabgabe (SHA) gestützt hätten, sei der ablehnende Bescheid vom April 1965 deswegen aufgehoben worden, weil sich die am Verfahren beteiligten Dritten mit der Erstattung der überzahlten Vermögensabgabe an die Klägerinnen einverstanden erklärt hätten. Da § 138 Abs. 2 FGO hinsichtlich der Kostenpflicht auf die Gründe der Erledigung abstelle, sei dies wesentlich für die Entscheidung. Aber auch bei anderer Beurteilung seien die Kosten nicht dem FA aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung des FG sei unbillig und widerspreche dem Rechtsempfinden.

Der Prozeßbevollmächtigte der Beschwerdegegnerinnen beantragte Zurückweisung der Beschwerde. Während des Beschwerdeverfahrens legte er seine Vertretung nieder. Die Beschwerdegegnerinnen selbst teilten dem BFH mit, sie möchten sich nicht mehr wegen der Kosten streiten und zögen die Klage zurück. Sie baten zugleich um Bekanntgabe des in Frage kommenden Betrages.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Das Verfahren wird infolge Klagerücknahme durch Beschluß gemäß § 72 Abs. 2 FGO eingestellt.

Da im Streitfall das FA die Beschwerde an den BFH eingelegt hat, konnten die Beschwerdegegnerinnen die Beschwerde nicht zurücknehmen. Es kann sich also bei der Erklärung der Beschwerdegegnerinnen, die beim FG als Klägerinnen auftraten, nur um eine Klagerücknahme handeln. Sie haben ihre prozessuale Willenserklärung auch als eine Zurücknahme der Klage bezeichnet.

Nach § 72 FGO kann der Kläger bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen, unter Umständen nur noch mit Einwilligung des Beklagten (§ 72 Abs. 1 Satz 2 FGO). Eine rechtskräftige Entscheidung lag im Streitfall noch nicht vor, als die Prozeßbeteiligten ihre prozessualen Willenserklärungen abgaben. Die Erklärungen, die Hauptsache sei erledigt, stehen prozessual der Klagerücknahme nicht entgegen. Der Rechtsstreit wurde dadurch nicht ohne weiteres erledigt, sondern blieb anhängig. Die Klage beim FG war auch die prozessuale Grundlage des beim BFH schwebenden Beschwerdeverfahrens. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde des FA bestehen keine Bedenken.

Die Klägerinnen (Beschwerdegegnerinnen) haben im Streitfall die Rücknahme ihrer Klage ohne Einschränkung und unmißverständlich erklärt. Das FA hat der Rücknahme zugestimmt. Damit ist die Klagerücknahme auf jeden Fall wirksam geworden, ohne daß im einzelnen darauf eingegangen zu werden braucht, ob diese Einwilligung überhaupt erforderlich gewesen wäre. Infolge der wirksamen Klagerücknahme war das Verfahren gemäß § 72 Abs. 2 FGO durch Beschluß einzustellen (vgl. Beschluß VI R 314/66 vom 24. Februar 1967, BFH 88, 111, BStBl III 1967, 294). Damit wird der vom FA angefochtene Beschluß des FG gegenstandslos, insbesondere entfällt auch die Erklärung des FG nach § 139 Abs. 3 FGO über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren.

Nach § 136 Abs. 2 FGO hat derjenige, der eine Klage zurücknimmt, die Kosten zu tragen; mit deren Übernahme haben sich die Klägerinnen (Beschwerdegegnerinnen) übrigens auch ausdrücklich einverstanden erklärt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412881

BStBl II 1968, 202

BFHE 1968, 18

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