Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

Die Postzustellungsurkunde erbringt vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen. Die bloße Behauptung des Klägers, er habe die Mitteilung über die Niederlegung der Ladung bei der Post und damit die Ladung selbst nicht erhalten, vermag folglich die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung nicht zu entkräften.

 

Normenkette

FGO §§ 53, 82, 134; VwZG § 3; ZPO §§ 182, 418 Abs. 2, § 580

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Antragstellers (Kläger) wegen Einkommensteuer 1966 abgewiesen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 1. Dezember 1988 als unzulässig verworfen. Das Urteil des FG ist somit rechtskräftig.

Der Kläger erhob gegen dieses rechtskräftige Urteil Restitutionsklage. Er begründete diese Restitutionsklage im wesentlichen mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung und mit Mängeln der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides 1966 und des zugrundeliegenden Gewinnfeststellungsbescheides.

Das FG wies die Restitutionsklage als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus, daß die Restitutionsklage nach § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 582 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nur subsidiären Charakter habe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, weshalb der Kläger außerstande gewesen sein solle, evtl. Restitutionsgründe im früheren Verfahren (u. a. dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren) geltend zu machen. Außerdem habe der Kläger in dem Restitutionsklageverfahren keine Restitutionsgründe geltend gemacht.

Das FG ließ die Revision nicht zu. Hiergegen wendet sich der Kläger mit einer persönlich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde. Gleichzeitig beantragt er unter Vorlage einer formgerechten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. In der Begründung für seine Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger weiterhin geltend, daß der Einkommensteuerbescheid 1966 nicht rechtswirksam bekanntgegeben worden sei. Durch die Bekanntgabe an Dritte sei zudem das Steuergeheimnis grob verletzt worden. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Einkommensteuerbescheid nicht aufgehoben werden könne, weil er seine Grundlage in einem Gewinnfeststellungsbescheid habe. Auch dieser Gewinnfeststellungsbescheid 1966 sei falsch adressiert. Der Gewinnfeststellungsbescheid habe nämlich als Mitinhaber der Firma seinen - des Klägers - Vater genannt, der mehrere Jahre vorher verstorben gewesen sei.

Gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde richtete der Kläger ein Schreiben an das FG, in dem er ,,Wiederaufnahme" des Restitutionsklageverfahrens beantragte. Diesen Antrag begründete er damit, daß er keine Ladung zur mündlichen Verhandlung erhalten habe. Er sei in einem Übergangsheim untergebracht, und vor einiger Zeit sei sein Briefkasten aufgebrochen worden. Deshalb sei ein Brief der . . . ohne Briefumschlag in den Briefkasten eingeworfen worden. Ein Brief des Amtsgerichts F sei auf der Rückseite so aufgeschlitzt gewesen, daß man ihn habe herausnehmen können. Außerdem sei ein Kontoauszug in einem neutralen und unverschlossenen Briefumschlag ohne Briefmarke und Poststempel in den Briefkasten eingelegt worden. Die Heimleitung habe er jeweils verständigt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf PKH ist unbegründet.

Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO kann PKH nur gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann. Die vom Antragsteller beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das die Restitutionsklage abweisende Urteil des FG verspricht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zwar noch nicht deshalb aussichtslos, weil sie vom Kläger persönlich eingelegt worden ist. Im Falle der Bewilligung der PKH könnte dem Kläger nämlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, um die von ihm persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu wiederholen und damit für die Zukunft wirksam zu machen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291). Die auf diese Weise wiederholte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers könnte aber nach § 115 Abs. 2 FGO nur Erfolg haben, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht oder wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.

2. Im Streitfall ist weder aus der vom Kläger persönlich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde oder aus dem Antrag an das FG auf Wiederaufnahme des Verfahrens noch aus dem Urteil des FG einer dieser Gründe ersichtlich, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

a) Der Antrag an das FG auf Wiederaufnahme des Verfahrens könnte zwar als die Rüge eines Verfahrensfehlers angesehen werden, da der Kläger behauptet, die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten zu haben. Diese Behauptung vermag aber einen Verfahrensmangel nicht erfolgreich zu begründen.

Ein hier in Betracht kommender Verfahrensmangel der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) läge nämlich nur dann vor, wenn der Kläger nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden wäre (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 91 Tz. 14). Die Ladung des Klägers zur mündlichen Verhandlung war jedoch ordnungsgemäß. Dies hat das FG zu Beginn der mündlichen Verhandlung laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung ausdrücklich festgestellt.

Diese Feststellung des FG ist nicht zu beanstanden. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist dem Kläger gemäß § 53 FGO i. V. m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) durch die Post mit Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt worden. Ausweislich dieser PZU hat der Postbedienstete den Kläger in seiner Wohnung nicht angetroffen. Er hat dort auch nicht einen zur Familie des Klägers gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder einen im Dienst der Familie stehenden Erwachsenen angetroffen. Auch eine Übergabe an den Hauswirt oder Vermieter war nicht möglich. Gemäß § 3 Abs. 3 VwZG i. V. m. § 182 ZPO hat der Postbedienstete daher eine Mitteilung über die Niederlegung der Ladung beim zuständigen Postamt in der wie bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise in den Hausbriefkasten der Wohnung des Klägers eingelegt. Dieser Verfahrensablauf reicht für die Wirksamkeit der Zustellung der Ladung aus (Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 3 VwZG Tz. 7, m. w. N.).

Die PZU erbringt gemäß § 82 FGO i. V. m. § 418 Abs. 2 ZPO vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen. Die bloße Behauptung des Klägers, er habe die Mitteilung über die Niederlegung der Ladung bei der Post und damit die Ladung selbst nicht erhalten, vermag folglich die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung nicht zu entkräften. Im Grunde bestreitet der Kläger den in der PZU bezeugten Verfahrensablauf auch nicht. Er vermutet lediglich, daß Unberechtigte zu dem Hausbriefkasten Zugang gehabt und daher die Mitteilung entnommen hätten. Selbst wenn diese Vermutung zutreffen sollte, könnte damit die Wirksamkeit der Zustellung nicht beeinträchtigt werden. Entscheidend ist nach obigen Ausführungen vielmehr, daß die Mitteilung über die Niederlegung der Ladung bei der Post in den Hausbriefkasten eingelegt worden ist. Nicht erforderlich ist, daß der Kläger die Mitteilung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (Tipke/Kruse, a.a.O.).

Ungeachtet dessen hätte die Durchführung der mündlichen Verhandlung selbst bei unverschuldeter Versäumung des Verhandlungstermins noch nicht zwangsläufig eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Folge (s. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948). Dies gilt im Streitfall um so mehr, als der Kläger nichts vorgetragen hat, wozu er sich noch hätte äußern wollen.

b) Über das Bestreiten des Empfangs der Ladung hinaus trägt der Kläger nur Gründe vor, die nach seiner Auffassung gegen die Richtigkeit des rechtskräftigen Urteils sprechen, dessen Wiederaufrollung er im Wege der vom FG abgewiesenen Restitutionsklage erreichen will. Die Restitutionsklage ist aber kein Mittel, um rechtskräftige Urteile nochmals allgemein auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Sie ist vielmehr nach § 134 FGO i. V. m. § 580 ZPO nur in ganz bestimmten besonderen Fällen zulässig. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, daß einer der in § 580 ZPO genannten Fälle vorliegen könnte.

Noch weniger kommt in Betracht, daß durch die Zulassung einer Revision gegen das die Restitutionsklage abweisende Urteil des FG Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geklärt werden könnten oder daß ein anderer Zulassungsgrund für die Revision vorliegen könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416859

BFH/NV 1991, 322

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