Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Betriebsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit der unmittelbaren Beschwerde an das Finanzgericht nach § 18 a VO Nr. 175 über Wiedererrichtung von Finanzgerichten, wenn das Finanzamt jemandem unter Hinweis auf § 202 AO untersagt, sich ohne Erlaubnis geschäftsmäßig als Helfer in Steuersachen zu betätigen.

 

Normenkette

AO §§ 107a, 202

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.), der früher Finanzanwärter war und im Anschluß an sein Ausscheiden aus der Finanzverwaltung (Ende September 1946) in dem Büro seines Vaters, eines Helfers in Steuersachen, beschäftigt war, unterzog sich im Jahre 1952 der Fachprüfung (Eignungsprüfung) zwecks Zulassung als Helfer in Steuersachen. Seine schriftlichen Prüfungsarbeiten wurden wie folgt beurteilt:

Einkommensteuer: ausreichend, Umsatzsteuer: -- kaum bzw. nicht ausreichend, ---------------- bedenkliche Fehler, Buchführung: --- ausreichend, abschlußsicher.

Auf Grund der mündlichen Prüfung kam jedoch der bei der Steuerabteilung der Oberfinanzdirektion eingesetzte Prüfungsausschuß einstimmig zu der Auffassung, daß der Bf. nach dem Gesamtergebnis "die Prüfung nicht bestanden habe". Dieses Ergebnis wurde dem Bf. im Anschluß an die mündliche Prüfung am 16. April 1952 mündlich bekanntgegeben.

Gleichwohl meldete der Bf. am 10. Mai 1952 bei der Gemeinde A. (Finanzamtsbezirk B.) ein Gewerbe als "Steuerhelfer" mit der Maßgabe an, daß es sich um die übernahme eines "Teilbetriebes" seines Vaters handele. Das Finanzamt untersagte ihm darauf, durch die - Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens bildende - Verfügung vom 3. Juni 1952 unter Hinweis auf § 202 der Reichsabgabenordnung (AO), selbständig geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten.

Gegen diese "Untersagung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen" legte der Bf. entsprechend der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung Beschwerde an das Finanzgericht ein.

Das Finanzgericht wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Auch der Rechtsbeschwerde muß der Erfolg versagt bleiben.

Der Einwand, es sei nicht die Zuständigkeit des Finanzgerichts (und damit des Bundesfinanzhofs), sondern der allgemeinen Verwaltungsgerichte gegeben, geht fehl. Bei der Untersagung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen durch eine nicht zugelassene Persönlichkeit handelt es sich um eine Anordnung, die das Finanzamt im Besteuerungsverfahren im weiteren Sinne innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse getroffen hat und deren Befolgung es u. a. durch Auferlegung eines Erzwingungsgeldes nach § 202 AO erforderlichenfalls erzwingen kann (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs IV 218/51 U vom 7. Februar 1952, Slg. Bd. 56 S. 190, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 76). Gegen diese Anordnung ist daher nach § 18 a der bisher nicht aufgehobenen und daher nach wie vor in der bisherigen britischen Zone geltenden Verordnung Nr. 175 über Wiedererrichtung von Finanzgerichten (vgl. zu der Weitergeltung Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 1/54 vom 15. September 1954, Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 1521) die unmittelbare Beschwerde an das Finanzgericht gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in den Gründen des Urteils IV C 01.53 vom 13. November 1953 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 1 S. 21 ff.) die Anwendbarkeit des § 202 AO für das Zulassungsverfahren unter anderem mit der Begründung verneint, daß die Entscheidung über die Zulassung als Helfer in Steuersachen nichts mit der "Besteuerung von Personen" zu tun habe. Dieser etwa engen Auslegung des § 202 AO vermag der erkennende AO-Senat des Bundesfinanzhofs jedoch nicht zu folgen, da unter "Besteuerungsverfahren" im Sinne der genannten Vorschrift - wie die Erläuterung in der Klammer des Abs. 1 des § 202 AO zeigt - auch die "Vorbereitung, Sicherung und Nachprüfung der Besteuerung" zu verstehen ist; dazu gehören aber auch Anordnungen, die solche Personen von der steuerlichen Beratung der Steuerpflichtigen fernhalten, denen es an der erforderlichen Sachkunde fehlt und die deshalb nicht als Helfer in Steuersachen zugelassen sind (§ 107 a Abs. 1 AO). übrigens läßt das Bundesverwaltungsgericht es in dem angeführten Urteil dahingestellt, ob nicht eine "Ergänzungsverfügung" aus § 202 AO zulässig ist, wenn - wie im Streitfalle - ein Verbot einer unerlaubter Weise ausgeübten Tätigkeit als Helfer in Steuersachen ausgesprochen ist. Das Bundesverwaltungsgericht kommt überdies unter anderem dem Gesichtspunkt des "Sachzusammenhangs" auch seinerseits zu dem Ergebnis, daß für die Fragen der Zulassung der Helfer in Steuersachen nicht der Rechtsweg vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten, sondern vor den besonderen Finanzgerichten gegeben ist. Das entspricht im Ergebnis der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der für die Angelegenheiten, welche die Zulassung (und die Entziehung der Zulassung) zu den steuerberatenden Berufen betreffen, schlechthin die Steuergerichte (Finanzgericht und Bundesfinanzhof) zuständig sind (vgl. unter anderem Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 47/51 S vom 25. Juli 1951, Slg. Bd. 55 S. 432, BStBl. 1951 III S. 173; II 113/52 U vom 1. Oktober 1952 Slg. Bd. 56 S. 832, BStBl. 1952 III S. 319). Der erkennende Senat hält auch für den Streitfall daran fest, daß entsprechend dem angeführten Beschluß des früher für die AO-Sachen zuständigen IV. Senats IV 218/51 U vom 7. Februar 1952 (zu 1. der Begründung) die Steuergerichte als die besonderen Verwaltungsgerichte im Sinne des § 22 Abs. 3 der in der britischen Zone für die Verwaltungsgerichtsbarkeit geltenden Verordnung Nr. 165 nicht nur in ausgesprochenen Steuersachen - im engeren Sinne - (siehe Gutachten des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951, Slg. Bd. 55 S. 277, BStBl. 1951 III S. 107), sondern auch in allen Fällen zuständig sind, in denen es sich um Verfügungen von Finanzbehörden handelt, die diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen.

Auch in sachlicher Hinsicht hat das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum die Verfügung des Finanzamts bestätigt, weil jemand, dem das Finanzamt nicht die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach § 107 a Abs. 1 AO erteilt hat, nicht befugt ist, sich als Helfer in Steuersachen zu betätigen und insoweit ein "Gewerbe" anzumelden. Es stellt auch keine Rechtsverletzung dar, daß das Finanzamt den Bf. deshalb nicht als Helfer in Steuersachen zugelassen hat, weil er die Fachprüfung nicht bestanden hat. Die Rechtsgrundlage für das Prüfungserfordernis bildet der insoweit mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG - vereinbare § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107 a der Reichsabgabenordnung vom 11. Januar 1936 (Reichsgesetzblatt 1936 S. 11, Reichssteuerblatt 1936 S. 65), nach dem die Erlaubnis zur Betätigung als Steuerhelfer nach § 107 a Abs. 1 AO nur erteilt werden darf, wenn der Gesuchsteller die für den Beruf genügende Sachkunde besitzt. Im Hinblick auf diese Vorschrift ist es nicht zu beanstanden, wenn in den § 2 Ziff. 7, § 3 Abs. 1 des Erlasses der Gemeinsamen Steuer- und Zollabteilung - der sogenannten "Zulassungs- und Prüfungsordnung für Helfer in Steuersachen" - vom 7. März 1949 (Steuer- und Zollblatt 1949 S. 97) grundsätzlich eine Prüfung für den Nachweis der Sachkunde vorgeschrieben ist (so ausdrücklich das angeführte Urteil II 113/52 U vom 1. Oktober 1952). Allerdings handelt es sich - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners (Finanzamt) - bei dieser Zulassungs- und Prüfungsordnung nach der Rechtsprechung des Senats nicht um eine Rechtsverordnung, sondern nur um einen Verwaltungserlaß (vgl. unter anderem Beschluß des Bundesfinanzhofs II 31/53 U vom 3. Dezember 1953, Slg. Bd. 58 S. 301, BStBl. 1954 III S. 28 unter Ziff. 4 der Begründung). Daher kann in dem Verlangen der Prüfung im Einzelfall eine Ermessensverletzung liegen, wenn von einem Bewerber, der seine Sachkunde anderweitig nachgewiesen hat, die Ablegung einer Prüfung verlangt wird, ohne daß es dabei darauf ankommt, ob die im § 3 Abs. 2 des genannten Verwaltungserlasses vorgesehenen Ausnahmen von dem Prüfungserfordernis gegeben sind oder nicht. Im Streitfall kann jedoch die Betätigung des Bf. als Finanzanwärter (also während der Ausbildung bei Finanzämtern) nicht als ausreichender anderweitiger Nachweis der Sachkunde angesehen werden, zumal auch der zeitweise Einsatz als Bezirksbearbeiter und Betriebsprüfer nach der glaubhaften Darstellung des Beschwerdegegners (Finanzamt) nur kriegsbedingt war bzw. zum Teil in einer übergangszeit vorwiegend zu Ausbildungszwecken erfolgte. Auch die Betätigung im Büro des Vaters reicht nach Lage des Streitfalles nicht aus, um den einwandfreien Nachweis der zur selbständigen Ausübung des freien Berufs eines Helfers in Steuersachen erforderlichen Sachkunde zu führen.

In diesem Verfahren, das sich gegen die Untersagungsverfügung des Finanzamts vom 3. Juni 1952 richtet, kann nicht darüber entschieden werden, ob die Einwendungen des Bf. gegen die Würdigung seiner Prüfungsleistungen gerechtfertigt sind oder nicht.

Selbst wenn man die Beschwerde aber dahin auslegen wollte, daß der Bf. durch den in der Beschwerdeschrift vom 26. Juni 1952 enthaltenen Hinweis auf die Notwendigkeit der überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 16. April 1952 zugleich ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einzulegen beabsichtigte, so wäre jedenfalls dem Finanzgericht darin zu folgen, daß insoweit ein etwa gegebenes Rechtsmittel verspätet eingelegt wäre. Denn zur Zeit der Einlegung der Beschwerde (27. Juni 1952) wäre die nach § 245 AO einen Monat betragende Rechtsmittelfrist gegenüber der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (16. April 1952) bereits abgelaufen gewesen. Da nach dem Grundsatz-Urteil des erkennenden Senats II 235/53 S vom 1. Dezember 1954, BStBl. 1955 III S. 26 (Rechtsatz 1) keine allgemeine gesetzliche Verpflichtung für die Finanzverwaltungsbehörden der Länder besteht, die Beteiligten über den Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 GG zu belehren, so würde auch § 246 Abs. 3 AO der Rechtskraft des Prüfungsentscheides nicht entgegen stehen. Gründe für eine Nachsichtgewährung würden nicht gegeben sein.

Nach alledem war die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408139

BStBl III 1955, 121

BFHE 1955, 317

BFHE 60, 317

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge