Rz. 62

Die Wahlrechte hinsichtlich der Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren und ihrer Auswahl werden nur durch das Erfordernis der Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eingeschränkt. Diese Einschränkung soll vor der missbräuchlichen Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren schützen.

 

Rz. 63

Grundsätzlich liegt kein Missbrauch vor, wenn das gewählte Verbrauchsfolgeverfahren nicht mit der Reihenfolge der tatsächlichen Lagerbewegungen übereinstimmt. Ein Verstoß gegen die GoB soll nur dann vorliegen, wenn die Verbrauchsfolge im Einzelfall unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse völlig undenkbar ist. Dies kann beispielsweise bei schnell verderblicher Ware der Fall sein,[1] bei der die Anwendung des Lifo-Verfahrens auszuschließen ist, da bei diesen Waren stets die ältesten Waren zuerst verbraucht werden, um deren Verderben auszuschließen. Auch bei Saisonbetrieben, die unterjährig immer ihren gesamten Warenvorrat verbrauchen, scheidet ein periodisches Verbrauchsfolgeverfahren oder das gewogene Durchschnittsverfahren (nicht jedoch ein permanentes Verbrauchsfolgeverfahren oder das gleitende Durchschnittsverfahren) aus. Dagegen wird wegen einer nur zufälligen Lagerräumung die Anwendung eines Verbrauchsfolgeverfahrens nicht unzulässig.[2]

 

Rz. 63a

Gegen die h. M., dass für die Anwendung des Lifo-Verfahrens eine entsprechende Lagerorganisation mindestens denkbar sein müsse, sind m. E. Bedenken angebracht. Der Gesetzgeber lässt bewusst die Unterstellung einer Verbrauchsfolge zu, ohne hierzu Einschränkungen zu nennen;[3] so kann es keinen Unterschied machen, ob ein Unternehmen tatsächlich keine Lifo-Lagerorganisation hat oder diese Lagerorganisation nicht haben kann. Der Unterschied zwischen tatsächlichem Wert, z. B. aus einer Einzelbewertung, und dem bilanziellen Wertansatz wird stets der gleiche sein. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei erheblichen Bewertungsunterschieden eine Angabepflicht gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB besteht. Das im Gesetz genannte GoB-Erfordernis bezieht sich dagegen auf die Einhaltung des Niederstwertprinzips[4] und auf die Einhaltung von Rahmengrundsätzen wie z. B. der Klarheit.[5]

 

Rz. 64

Eine missbräuchliche und damit nicht GoB-gerechte Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren wird auch bei sehr teuren Gütern oder bei Gütern mit extrem unterschiedlichen Preisen gegeben sein. Bei sehr teuren Gütern wird regelmäßig ein Einzelnachweis in der Lagerbuchführung aus Sicherungsgründen erfolgen, sodass es dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nicht widerspricht, diese Güter auch einzeln zu bewerten. Liegen extreme Preisspannen vor, so kann dies ein Indiz dafür sein, dass es sich nicht um gleichartige Vermögensgegenstände handelt, sodass die Anwendbarkeit von Bewertungsvereinfachungsverfahren an dem Erfordernis der Gleichartigkeit scheitern würde.[6]

[2] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1987, § 256 Rz. 19.
[3] Vgl. Biener/Bernecke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, S. 122.
[4] Vgl. Brönner/Bareis, Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. Aufl. 1991, Rz. 353.
[5] Vgl. Grottel/Huber, in Grottel u. a., Beck´scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 256 Rz. 30 ff.

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