Rz. 21

Beim Fifo-Verfahren ("first in – first out") wird angenommen, dass "die zuerst … angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst verbraucht oder veräußert worden sind" (§ 256 Satz 1 HGB); damit wird unterstellt, dass der bilanzielle Endbestand aus den jüngsten Zugängen besteht und die ältesten Zugänge (einschl. des Anfangsbestands) als verbraucht oder verwendet gelten. Diese Verwendungsfiktion entspricht bspw. bei verderblichen Waren oder bei Durchlaufregallagerung regelmäßig der tatsächlichen Verbrauchsfolge ("Silo-Prinzip").

 

Rz. 22

Aufgrund der unterstellten Verbrauchsfolge wird grds. der Einblick in die Vermögenslage verbessert, da eine Bewertung anhand stichtagsnaher AHK erfolgt und damit der Einfluss von Preisänderungen reduziert wird; gleichzeitig leidet der Einblick in die Ertragslage, da die Aufwandsverrechnung veraltete Wiederbeschaffungskosten zugrunde legt. Demnach ist bei steigenden Preisen die Bildung stiller Reserven – im Gegensatz zum Lifo-Verfahren (Rz 26) – nur in geringem Maß möglich (vgl. auch das Beispiel in Rz 24), während die Gefahr des Ausweises von Scheingewinnen zunimmt. Bei fallenden Preisen werden Scheingewinne eher vermieden, stille Reserven verstärkt gebildet, wobei das strenge Niederstwertprinzip gem. § 253 Abs. 4 HGB korrigierend wirkt.[1]

 

Rz. 23

Die Anwendung der permanenten Variante des Fifo-Verfahrens ist – obwohl theoretisch möglich – nicht sinnvoll. Sie ist aufzeichnungstechnisch wesentlich aufwendiger als das periodische Fifo-Verfahren, liefert aber keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn;[2] sie stellt lediglich zeitnäher sicher, dass zunächst der Anfangsbestand, dann die ältesten Zugänge als verbraucht gelten. Vergleichbar dem Vorgehen beim permanenten Lifo-Verfahren (Rz 27) wäre es beim permanenten Fifo-Verfahren zwar grds. denkbar, die Anwendung des Fifo-Prinzips (zunächst) auf den Zeitraum zwischen den letzten beiden Abgängen zu beschränken und erst bei Fehlmengen auf den früheren Zeitraum auszuweiten; diese Methodenvermischung widerspricht aber den GoB (und der Natur der Sache) und wird insofern abgelehnt.

 

Rz. 24

Der Vorteil des (periodischen) Fifo-Verfahrens liegt in seiner Einfachheit, da unterjährig lediglich eine Aufzeichnung der Zugänge erforderlich ist. Zur Ermittlung des wertmäßigen Endbestands werden die letzten Zugänge mengen- und wertmäßig so lange kumuliert, bis der mengenmäßige Endbestand erreicht ist.

 
Praxis-Beispiel

Der Kfm. bewertet das Vorratsvermögen gem. § 256 Satz 1 HGB nach dem Fifo-Verfahren. Dabei sollen die in der folgenden Tabelle aufgeführten Geschäftsvorfälle zu verzeichnen sein (analog dem Beispiel zur Gruppenbewertung (§ 240 Rz 74) und denen zu den Lifo-Verfahren (Rz 27 und Rz 29)). Aufgrund der Ausführungen unter Rz 23 kann das Beispiel sowohl für die periodische als auch für die permanente Variante des Fifo-Verfahrens herangezogen werden.

 
Datum Geschäftsvorfall Verbrauch Endbestand
Vorfall ME Preis/ME ME Wert ME Wert
1.1. Anfangsbestand 100 1,00 – 100 – 100,00    
15.1. Zugang 100 1,10 – 100 – 110,00    
31.3. Abgang – 50          
20.6. Zugang 150 1,15 – 150 – 172,50    
15.7. Abgang – 200          
10.9. Zugang 100 1,20 – 100 – 120,00    
19.11. Zugang 200 1,25 – 100 – 125,00 100 125
6.12. Abgang – 300          
27.12. Zugang 100 1,30     100 130
31.12. End­bestand 200   – 550 – 627,50 200 255

Zur Bewertung des Endbestands von 200 ME werden die Zugänge vom 27.12. (100 ME) und vom 19.11. (100 ME) zugrunde gelegt. Aufgrund des unterjährigen Preisanstiegs liegt der Wert des Endbestands mit 255,00 (erwartungsgemäß) über den entsprechenden Werten nach einfach bzw. gleitend gewogenem Durchschnitt (235,31 bzw. 250,00; § 240 Rz 74) sowie über denen des periodischen und des permanenten Lifo-Verfahrens (Rz 27 und 29). Dennoch werden infolge des Preisanstiegs (immer noch) stille Reserven gelegt. Unterstellt man den Preis vom 27.12. als Stichtagswert, belaufen sich die stillen Reserven auf 5,00 (= 200 * 1,30 ./. 255,00); eine Wertberichtigung ist nicht notwendig. Auf Basis der gleichen Wiederbeschaffungskosten wird ein Scheingewinn i. H. v. 87,50 (= 550 * 1,30 ./. 627,50) ausgewiesen.

[1] Vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 256 HGB Rn 2; Kusterer, in Glanegger u. a., Heidelberger Kommentar zum HGB, 7. Aufl. 2007, § 256 HGB Rz 5, und Mayer-Wegelin, in Küting/Weber, HdR-E, § 256 HGB Rn 73, Stand: 7/2016.
[2] Vgl. auch Tanski, in Kußmaul/Müller, HdB, Bewertungsvereinfachungsverfahren, Rn 17, Stand: 11.1.2022.

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