Rz. 55

Die steuerrechtliche Rechnungslegung zur laufenden Besteuerung hat die geordnete Zusammenstellung der erfolgsrelevanten Größen zum Ziel, um daraus den steuerrelevanten Gewinn (bzw. Verlust), also die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage, abzuleiten. Wie schon zu den steuerlichen Pflichten ausgeführt, hängen Art und Umfang der steuerrechtlichen Rechnungslegung davon ab, ob über ein Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtliche Jahresabschluss zum Ausgangspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung erklärt wird.[1]

 

Rz. 56

Insb. im kontinentaleuropäischen Raum findet man einige Staaten mit einem dem deutschen vergleichbaren Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). So ist beispielsweise in Belgien, Italien ("verstärkte Maßgeblichkeit"), Luxemburg, Norwegen, Österreich, Slowakei, Spanien und Tschechien die Handelsbilanz – sofern erstellt – für die Steuerbilanz und damit für die steuerliche Gewinnermittlung "maßgeblich".[2]

 

Rz. 57

Ohne konkret eine Maßgeblichkeit zu benennen, wird auch in Brasilien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Niederlande, Polen, Schweden und der Schweiz – sofern vorhanden – in zahlreichen Bilanzierungsfragen auf die Daten der handelsrechtlichen Rechnungslegung zurückgegriffen.[3]

 

Rz. 58

In Japan hingegen wirken sich die steuerrechtlichen Vorschriften stark auf die handelsrechtliche Bilanzierung aus, es existiert die sog. "umgekehrte Maßgeblichkeit",[4] während in China, Dänemark, Finnland, Indien, Irland, Kanada, Mexiko, Portugal, der Russischen Förderation, der Türkei und den USA keine (kodifizierte oder faktische) Verbindung zwischen Handels- und Steuerbilanz besteht (vgl. auch die Übersicht in Abbildung 6).[5]

 

Rz. 59

Streng genommen bedeutet Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, dass "alle handelsrechtlichen Aktivierungs- und Passivierungsgebote, -verbote und -wahlrechte und alle Bewertungswahlrechte auch für die Steuerbilanz gelten, soweit keine zwingenden steuerrechtlichen Vorschriften eine andere Bilanzierung verlangen."[6]

Infographic

Abb. 6: Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz im weltweiten Vergleich

 

Rz. 60

Wie auch in Deutschland sehen ausländische Steuergesetze im Falle einer Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz regelmäßig sog. Bilanzierungs- und Bewertungsvorbehalte, also steuerliche Vorrangsregelungen bzgl. des Ansatzes und der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden vor. Umfang und Intensität der Vorbehalte können dabei sehr unterschiedlich ausfallen. So findet man beispielsweise in Luxemburg ein "liberales" Handelsrecht, das auch den Ansatz folgender Bilanzpositionen in der Steuerbilanz zulässt ("starke Maßgeblichkeit"):[7]

  • Gründungskosten,
  • Forschungs- und Entwicklungskosten,
  • Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen sowie ähnliche Rechte und Werte, wenn sie vom Unternehmen selbst geschaffen wurden.
 

Rz. 61

Hingegen sieht z. B. das deutsche Steuerrecht als Vertreter einer "schwachen Maßgeblichkeit" folgende Einschränkungen für handelsrechtlich zulässige Bilanzpositionen vor:[8]

  • Ansatzverbot selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens,
  • Einschränkung oder Verbot der Rückstellungsbildung für besondere Sachverhalte (Verletzung von Schutzrechten, Dienstjubiläum, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, spätere Anschaffungs- oder Herstellungskosten, Be- oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen, im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen),
  • Abweichungen bei der Erfassung von Rechnungsabgrenzungsposten.
 

Rz. 62

Bewertungsvorbehalte können vielfältige Bereiche umfassen; neben Sonderregelungen zu Entnahmen und Einlagen und Bilanzänderungen stehen vor allem steuerliche Einschränkungen bei der Erfassung von gewinnmindernden Aufwendungen (Betriebsausgaben und Abschreibungen) im Vordergrund. Folgende Regelungen seien beispielhaft zu nennen:[9]

  • Steuerlich nicht oder eingeschränkt abzugsfähige Betriebsausgaben (Geschenke, Bewirtung, Jagd, Fischerei, Jachten, Geldbußen, Schmier- und Bestechungsgelder, Ertragsteuern),
  • Festlegung einer Untergrenze für die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer,
  • Begrenzung der steuerlichen Abschreibung durch Einschränkung des Methodenwahlrechts (nur lineare Abschreibung oder Begrenzung des Abschreibungsprozentsatzes bzw. -betrags bei degressiven Abschreibungsmethoden) oder durch strengere Voraussetzungen für außerplanmäßige Abschreibungen,
  • Begrenzung der aktivierungsfähigen Kostenbestandteile bei der Ermittlung der Herstellungskosten,
  • Einschränkungen bei der Wahl von Bewertungsvereinfachungsverfahren,
  • Festlegung einer Untergrenze für den Abzinsungsprozentsatz zur Bewertung (langfristiger) Rückstellungen,
  • zeitwertorientierte Bewertung von Entnahmen und Einlagen.
 

Rz. 63

Der steuerrechtliche Gewinn, wie er für die Ermittlung der ausländischen Ertragsteuern zugrunde gelegt wird, basiert bei Bestehen einer Maßgeblichkeit auf dem aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung abgeleiteten Jahresüberschuss unter Berücksichtigung landesspezifischer steuerrechtli...

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