Rz. 29

Zur Klärung der Frage der Bilanzierung des Anteils an der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft dem Grunde nach, also die Frage des Ansatzes des Anteils in der Bilanz, sind dessen abstrakte und dessen konkrete Bilanzierungsfähigkeit zu prüfen, wobei diese als Nominalgüter den materiellen Vermögensgegenständen zuzurechnen sind. Konkrete Bilanzierungsfähigkeit erfordert den Nachweis, dass es sich bei dem Anteil an der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft um einen Vermögensgegenstand i. S. d. HGB handelt; der Gesetzgeber hat allerdings auf eine abschließende Definition des Begriffes verzichtet, so dass die begriffsbestimmenden Merkmale aus den GoB abzuleiten sind:[1]

  • Selbstständige Verkehrsfähigkeit: Anteile an (ausländischen) Tochtergesellschaften – ob Tochterkapital- oder Tochterpersonengesellschaft – sind nicht nur vor dem Hintergrund des unterstellten Kapitalgesellschaftskonzepts unstreitig abstrakt einzelveräußerbar und damit selbstständig übertragbar.
  • Vorhandensein eines Vorteils: Der Vorteil liegt in dem über den Abschlussstichtag hinausgehenden wirtschaftlichen Wert des Anteils, der in dem Gegenwert bei Veräußerung des Anteils, zudem in dem Wert der daraus (potentiell) zufließenden Erträge (Gewinnanteile, Dividenden) begründet ist.
  • Selbstständige Bewertbarkeit: Der Anteil ist einzeln bewertbar und von anderen Werten aufgrund der gesellschaftsvertraglichen und -rechtlichen Erfordernisse abgrenzbar und damit objektivierbar; sowohl im Zugangszeitpunkt (z. B. Anschaffungskosten) als auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen kann dem Anteil ein Wert beigemessen werden (z. B. Börsenwert, im Rahmen einer Unternehmensbewertung).
 

Rz. 30

Die konkrete Bilanzierungsfähigkeit des Anteils an der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft setzt voraus, dass der Anteil wirtschaftlich dem Betriebsvermögen der Spitzeneinheit zurechenbar ist und kein explizites Bilanzierungsverbot besteht; aus dem Vollständigkeitsgrundsatz des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB lässt sich eine Pflicht zur Bilanzierung des Anteils dem Grunde nach direkt ableiten:[2]

  • Wirtschaftliches Eigentum im Betriebsvermögen: Annahmegemäß ist die Spitzeneinheit rechtliche Eigentümerin der Anteile an der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft infolge einer Gründung oder eines Anteilskaufs; zudem wird angenommen, dass die Anteile auch im wirtschaftlichen Eigentum der Spitzeneinheit stehen und beispielsweise nicht treuhänderisch gehalten werden. Bei Spitzeneinheiten in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft existiert kein Privatvermögen; annahmegemäß halten auch die übrigen Rechtsformen der gewerblich tätigen Spitzeneinheit die Anteile im Betriebsvermögen.
  • Kein Bilanzierungsverbot: § 248 HGB enthält keine Bilanzierungsverbote für Unternehmensanteile, zudem wird angenommen, dass es sich bei der Gründung bzw. beim Anteilserwerb um kein schwebendes Geschäft handelt.
  • Kein Bilanzierungswahlrecht: Die Aktivierungswahlrechte der §§ 248, 250 und 274 HGB beziehen sich nicht auf Unternehmensanteile.

Aus der (uneingeschränkten) Bejahung der abstrakten und der regelmäßig vorliegenden konkreten Bilanzierungsfähigkeit folgt nach dem Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 HGB) Bilanzierungspflicht, konkreter die Aktivierungspflicht, für Anteile an ausländischen Tochter(kapital)gesellschaften im Jahresabschluss der Spitzeneinheit.

[1] Vgl. zu den allgemeinen Merkmalen "Wirtschaftsgut/Vermögensgegenstand/Schuld", Rz. 2 ff.
[2] Vgl. hierzu "Jahresabschluss nach HGB: Überblick", Rz. 39 ff.; vgl. ergänzend die Abbildung bei Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012, S. 80.

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