Rz. 3

Die Entscheidung über die niederlassungs- bzw. gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung einer (auf Dauer ausgelegten) Präsenz im Ausland wird i. d. R. nicht vorrangig aus steuerlichen Gründen (laufende Steuerbelastung, Besteuerung der Gründung, Umwandlung oder Beendigung) getroffen, sondern berücksichtigt auch andere wichtige betriebswirtschaftliche Kriterien wie Haftungsbegrenzung, Leitungsorganisation, Möglichkeiten des Gesellschafterwechsels, Finanzierungsoptionen, Gewinn- und Verlustbeteiligung, Umfang und Form der Rechnungslegung sowie Publizitätspflichten; zudem können auch marketingrelevante Einflüsse wie z. B. die Bevorzugung lokaler Produkte eine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass grenzüberschreitende Engagements vorzugsweise in der Form der im jeweiligen Ausland zivilrechtlich möglichen juristischen Person durchgeführt werden, die allerdings nicht regelmäßig der deutschen Rechtsform einer GmbH, AG oder KGaA entsprechen muss. Eine europäische Auslandskapitalgesellschaft kann auch in der Rechtsform der Europäischen (Aktien-)Gesellschaft (SE) geführt werden; zu Fragen der Rechnungslegung im Falle einer "Tochter-SE" sind allerdings regelmäßig die Rechtsnormen der Aktiengesellschaften des Sitzstaates der SE anzuwenden.[1]

 

Rz. 4

Für die Einordnung der ausländischen rechtlichen Einheit (einschließlich der Tochter-SE) zum Zwecke der Besteuerung in Deutschland ist ausschließlich das innerstaatliche deutsche Steuerrecht relevant; die ausländische zivilrechtliche Einordnung kann zur Orientierung dienen, ist aber nicht bindend. So kann es z. T. schon aufgrund der zivilrechtlichen Einordnung zu Abweichungen bei der Steuersubjektqualifikation kommen. Beispielsweise können den deutschen Personenhandelsgesellschaften vergleichbare Rechtsformen im Ausland schon zivilrechtlich wie juristische Personen gewertet und besteuert werden, oder Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit werden im Ausland transparent besteuert; manche Staaten sehen – ähnlich der neu eingeführten Option des § 1a KStG in Deutschland – eine Wahl zwischen transparenter und getrennter Besteuerung vor.[2] Die steuerliche Einordnung der ausländischen Rechtsform basiert bis heute auf dem vom RFH und BFH entwickelten zweistufigen Rechtstypenvergleich. Zur Vereinfachung kann für viele ausländische Rechtsformen auf die Tabellen 1 und 2 des Anhangs der "Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze" des BMF zurückgegriffen werden; dort sind die Rechtsformen zahlreicher Länder und die aus Sicht der Finanzverwaltung jeweils vergleichbare deutsche Rechtsform aufgelistet.[3] Danach entsprechen regelmäßig die ausländischen Gesellschaften mit "beschränkter Verantwortung" (responsabilité limitée) der deutschen GmbH und die "anonymen Gesellschaften" der deutschen AG, während "Partnerschaften" bzw. "Kollektivgesellschaften" mit der OHG und "Kommanditgesellschaften" mit der KG vergleichbar sind. Eine Tochter-SE wird steuerlich der deutschen AG gleichgestellt.

 

Rz. 5

Zur Durchführung des Rechtstypenvergleichs werden die durch das ausländische Gesellschaftsrecht gegebenen Eigenschaften der ausländischen Rechtsform gewürdigt und der Grad der Übereinstimmung mit deutschen Gesellschaftsformen festgestellt (1. Stufe, gesellschaftsrechtliche Ebene), um danach eine Zuordnung zu den Gestaltungsformen des deutschen Steuerrechts – Körperschaften, Mitunternehmerschaften oder Einzelunternehmen – nach rechtlichem Aufbau und wirtschaftlicher Struktur vorzunehmen (2. Stufe, steuerrechtliche Ebene).[4]

Für den Vergleich ist das Gesamtbild der vorhandenen Merkmale entscheidend, folgende Kriterien sind dabei zu prüfen:[5]

  • zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung,
  • beschränkte Haftung,
  • freie Übertragbarkeit der Anteile,
  • Gewinnzuteilung,
  • Kapitalaufbringung,
  • unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft,
  • Gewinnverteilung sowie
  • formale Gründungsvoraussetzungen.

Im Ergebnis des Rechtstypenvergleichs, ob durch einfachen Listenvergleich oder stufenweisen Typenvergleich, steht die Zuordnung der ausländischen Personen- oder Kapitalgesellschaft zu den deutschen Besteuerungskonzeptionen der Mitunternehmerschaft (Transparenzprinzip) bzw. Kapitalgesellschaft (Trennungsprinzip) und damit zu den Besteuerungsmodellen der Auslandsbetriebsstätte oder der Auslandskapitalgesellschaft.[6]

Infolge des Rechtstypenvergleichs kann es zu einem sog. Qualifikationskonflikt kommen, wenn die ausländische Gesellschaft aus Sicht des deutschen und des ausländischen Steuerrechts unterschiedlich eingeordnet werden, so dass in einem Land transparent nach dem Mitunternehmerkonzept (Personengesellschaft) und in dem anderen Land nach dem Trennungsprinzip (Kapitalgesellschaft) besteuert wird. Die Abweichung bei der Steuersubjektqualifikation kann sowohl zur Doppelbesteuerung führen, die steuersystematisch weder unilateral noch DBA-rechtlich (vollständig) vermieden werden kann, als auch zu sog. "weißen Einkünften" (Keinmalbesteuerung bzw. doppelte Freistellung), denen unilateral (Treaty Override) o...

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