Rz. 20

Grundlegende Voraussetzung für die Bilanzierung des Anlagevermögens ist dessen vollständige Erfassung am Bilanzstichtag durch eine Inventur.[1] Die Pflicht zur jährlichen Inventur und zur Erstellung eines Inventars ergibt sich aus § 240 Abs. 1 HGB. In das Inventar sind sämtliche Gegenstände des Anlagevermögens aufzunehmen. Aufgrund des unterschiedlichen Charakters der einzelnen Gegenstände des Anlagevermögens – immaterielle und körperliche Vermögensgegenstände sowie Finanzanlagen – können Bestandserfassung und -nachweis nicht nach einem einheitlichen Schema erfolgen, vielmehr richten sie sich nach den einzelnen Gruppen des Anlagevermögens.

3.1 Erfassung und Nachweis von Sachanlagen

 

Rz. 21

Das Sachanlagevermögen ist anhand eines jährlich zu erstellenden Bestandsverzeichnisses – auch Inventar oder Anlagenverzeichnis genannt – nachzuweisen. In dieses Verzeichnis müssen aufgrund des Vollständigkeitsgebotes des § 246 Abs. 1 HGB sämtliche, auch bereits vollständig abgeschriebene Vermögensgegenstände einzeln und geordnet aufgenommen werden. Das Bestandsverzeichnis ist auch steuerrechtlich nach R 5.4 Abs. 1 Satz 4 EStR auf der Grundlage einer jährlichen körperlichen Bestandsaufnahme zu erstellen und muss

  • die genaue Bezeichnung des Gegenstandes und
  • seinen Bilanzwert am Bilanzstichtag

enthalten.

 

Rz. 22

Da die Einzelerfassung sämtlicher Vermögensgegenstände sehr aufwändig wäre, kann auf eine Reihe von Erleichterungen zurückgegriffen werden, die, obwohl steuerrechtlich verankert, über die GoB auch handelsrechtlich gelten:

  • Gegenstände, die eine geschlossene Anlage bilden, z. B. Hochöfen, Überlandleitungen oder Anlagen von Gas- und Wasserwerken, können zu einer Position zusammengefasst werden, wenn die Gegenstände einheitlich abgeschrieben werden.[1]
  • Gegenstände der gleichen Art können unter Angabe der Stückzahl zusammengefasst werden, wenn Zugangsjahr, Nutzungsdauer, Anschaffungskosten und Abschreibungsverfahren gleich sind.[2]
  • Kann für bestimmte Gegenstände nach § 240 Abs. 3 HGB ein Festwert angesetzt werden, genügt die Angabe des Festwerts.[3]
  • Geringstwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nicht mehr als 250 EUR (bis 2017: 150 EUR; jeweils Nettowerte) sind nicht in das Bestandsverzeichnis aufzunehmen.
  • Geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten über 250 EUR müssen nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen werden, wenn diese Angaben aus der Buchführung ersichtlich sind. Nach § 6 Abs. 2a EStG dürfen geringwertige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten 250 EUR (bis 2017: 150 EUR) überschreiten, 1.000 EUR Anschaffungs- oder Herstellungskosten aber nicht übersteigen, in einen wirtschaftsjahrbezogen zu bildenden Sammelposten zusammengefasst werden, der über 5 Jahre abzuschreiben ist (Poolabschreibung). Alternativ dürfen auch nach § 6 Abs. 2 EStG Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bis 800 EUR (bis 2017: 410 EUR) sofort abgeschrieben werden. Diese steuerlichen Regelungen werden über die Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchhaltung auch für Vermögensgegenstände in die HGB-Bilanzierung übernommen.
 

Rz. 23

Grundsätzlich ist eine körperliche Bestandsaufnahme für materielle Vermögensgegenstände durchzuführen; Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte sowie Anzahlungen sind anhand von Urkunden bzw. von dokumentierenden Belegen nachzuweisen.

 

Rz. 24

Von einer jährlichen körperlichen Inventur kann jedoch abgesehen werden, wenn ein fortlaufendes Bestandsverzeichnis bzw. eine Anlagenkartei geführt wird. Sämtliche Zu- und Abgänge des Anlagevermögens sind darin zu erfassen, sodass zum Bilanzstichtag alle Gegenstände des Anlagevermögens ermittelt werden können. Dazu muss das Bestandsverzeichnis nach R 5.4 Abs. 4 EStR folgende Angaben enthalten:

  • die genaue Bezeichnung des Gegenstandes,
  • den Tag der Anschaffung oder Herstellung des Gegenstandes,
  • die Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten,
  • den Bilanzwert am Bilanzstichtag,
  • den Tag des Abgangs.

3.2 Erfassung und Nachweis immaterieller Vermögensgegenstände

 

Rz. 25

Infolge der Aktivierungspflicht für entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens müssen diese ebenfalls in das Bestandsverzeichnis aufgenommen werden. Für immaterielle Vermögensgegenstände gelten dabei im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie für Sachanlagen. Auch wenn einzelne Positionen bereits voll abgeschrieben sind, sollten sie im Bestandsverzeichnis bis zum Zeitpunkt des Erlöschens fortgeführt werden. Der Bestandsnachweis kann jedoch regelmäßig nur in Form von Urkunden und dokumentierenden Belegen wie Verträgen geführt werden. In bestimmten Fällen, etwa bei Patenten, kann ein Auszug aus öffentlichen Registern vorgelegt werden.[1]

 

Rz. 26

Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht bestehen bezüglich selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Während nach § 248 Abs. 2 HGB e...

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