Leitsatz

1. Nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601) ist der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen.

  • Es ist zunächst zu klären, ob der betreffende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. insbesondere Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8.12.1997, GrS 1-2/95, BStBl II 1998, 193) eine betriebliche oder private Schuld ist.
  • Sodann ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 abziehbar sind.

2. Private Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, sind bei der Ermittlung der Entnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen (vgl. BMF, Schreiben vom 22.5.2000, IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, 588, Tz. 6 und 7).

3. Werden eingehende Betriebseinnahmen zur Tilgung eines Sollsaldos verwendet, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich dadurch erhöht hat, liegt hierin im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4 und 4a EStG

 

Sachverhalt

Das FA erhöhte in dem angegriffenen Einkommensteuerbescheid 2001 den vom Kläger erklärten und durch Bestandsvergleich (§§ 5, 4 Abs. 1 EStG) ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb um nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen. Das FG bestätigte die Verwaltungsentscheidung (vgl. EFG 2005, 179). Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidung

Das FG werde im zweiten Rechtsgang die betriebliche Veranlassung des Zinsanfalls als primäre Voraussetzung des Betriebsausgabenabzugs zu klären haben. In einem zweiten Schritt werde zu prüfen sein, ob der Schuldzinsenabzug durch § 4 Abs. 4a EStG begrenzt sei. Dabei seien die privaten Verbindlichkeiten nicht bei der Ermittlung der Entnahmen zu berücksichtigen. Zudem könne der Steuerpflichtige auch nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG bestimmen, dass für die Berechnung der Zinsen für ein gemischtes Kontokorrentkonto, das einen Schuldsaldo aufweise, jede Habenbuchung zunächst dem Unterkonto gutzuschreiben sei, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen erfasst würden. Durch die Tilgung des durch private Vorgänge entstandenen Sollsaldos mit eingehenden Betriebseinnahmen würden betriebliche Mittel zur Tilgung einer privaten Schuld verwendet. Hierin liege eine Entnahme, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen sei.

 

Hinweis

1. Durch das StBereinG 1999 wurde für ab 1.1.1999 endende Wirtschaftsjahre § 4 EStG durch einen Abs. 4a erweitert und dadurch der betriebliche Schuldzinsenabzug neu geregelt.

2. Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH die in der Literatur rege umstrittene Frage beantwortet, ob sich der betriebliche Schuldzinsenabzug nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG ausschließlich nach dieser Bestimmung richtet (so eine im Schrifttum vertretene Minderheitsauffassung; vgl. z.B. Groh, DStR 2001, 105; Jakob, DStR 2000, 101, 102; Duske, DStR 2000, 906; Eggesiecker/Ellerbeck, FR 2000, 689) oder ob § 4 Abs. 4a EStG nur den Abzug solcher Schuldzinsen begrenzt, welche nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4 Abs. 4 EStG) betrieblich veranlasst sind (so die h.M. in der Literatur; vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl., § 4 Rz. 522; Crezelius in Kirchhof, EStG, Kompaktkommentar, 5. Aufl., § 4 Rz. 161; Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz. 168c; Meyer/Ball, INF 2000, 459; ebenso BMF, Schreiben vom 22.5.2000, IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, 588, Tz. 1 und 2). Der BFH hat sich – mit m.E. überzeugenden – Gründen, insbesondere unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 4a EStG, der letztgenannten Auffassung angeschlossen.

3. Mit der in Leitsatz 3 skizzierten Entscheidung hat der BFH dem in der Literatur (z.B. Graf, DStR 2000, 1465) empfohlenen "umgekehrten Zwei-Konten-Modell" eine Absage erteilt (ebenso schon OFD Chemnitz, Verfügung vom 17.9.2001, S 2144-38/5 – St 21, DStR 2001, 1889; Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz. 168c).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.9.2005, X R 46/04

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