Rz. 4

Auch wenn die Definition des Anlagevermögens durch Verwendung der Formulierung "dauernd … zu dienen" vordergründig auf ein zeitliches Abgrenzungskriterium abzustellen scheint, richtet sich die Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Anlage- oder Umlaufvermögen[1] grundsätzlich nach der betrieblichen Funktion der Vermögensgegenstände, die sich zum einen anhand der Art und der Verwendung im Unternehmen und zum anderen anhand des Willens des Bilanzierenden ableiten lässt.[2] So sind Vorführwagen eines Kfz-Händlers so lange Anlagevermögen, bis sie als zum Verkauf bestimmt umgewidmet werden.[3] Anders hat das FG Berlin bei Ausstellungsmöbeln eines Möbeleinzelhändlers, die über mehrere Jahre präsentiert wurden, entschieden und diese als Umlaufvermögen angesehen.[4]

Bei Werkzeugen kann die Zuordnung zum AV regelmäßig davon abhängig gemacht werden, ob das Werkzeug im Betrieb mehrmals zum Einsatz verfügbar ist. Dabei ist es auch unerheblich, ob es sich um kundengebundenes Werkzeug handelt, solange es für mehrere Aufträge des Kundens eingesetzt werden kann.[5]

Selbst bei der Zuordnung von Immobilien zum Anlage- oder Umlaufvermögen kommt es einzig auf die Zwecksetzung an,[6]

was auch für Ersatzteile zutrifft.[7]

 

Rz. 5

Entsprechend setzt die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zum Anlagevermögen keine bestimmte Nutzungsdauer voraus, vielmehr ist ausschlaggebend, ob der Vermögensgegenstand vom Unternehmen ein- oder mehrmalig genutzt werden kann, es sich also um einen Gebrauchs- oder einen Verbrauchsgegenstand handelt. Dass diesem Abgrenzungskriterium der Vorrang gegenüber dem zeitlichen Element eingeräumt wird, wird einerseits an der Bilanzierung von eisernen, d. h. über einen längeren Zeitraum vorgehaltenen Beständen an Vorräten im Umlaufvermögen, andererseits an der Erfassung von kurzlebigen, z. B. Werkzeuge, oder gebraucht erworbenen Vermögensgegenständen, die nicht nur für einen Auftrag eingesetzt werden, im Anlagevermögen deutlich. Allerdings kann der zeitliche Aspekt dann an Gewicht gewinnen, wenn die betriebliche Funktion, wie beispielsweise bei Finanzanlagen, nicht eindeutig ist.[8]

 

Rz. 6

Im Einzelfall ist anhand der betriebsindividuellen Verhältnisse darüber zu entscheiden, ob ein Vermögensgegenstand dem Anlagevermögen zuzuordnen ist. Als Anhaltspunkte für die Zuordnung können zunächst die im Bilanzgliederungsschema des § 266 Abs. 2 HGB aufgeführten Positionen des Anlagevermögens herangezogen werden. Lässt sich ein Vermögensgegenstand unter eine dieser Positionen subsumieren, ist davon auszugehen, dass er dem Geschäftsbetrieb dauernd dient. So gehören Grundstücke, auch Vorratsgrundstücke oder zu Anlagezwecken erworbener Grundbesitz, stets zum Anlagevermögen – es sei denn, beim bilanzierenden Unternehmen handelt es sich um eine Immobiliengesellschaft, die ihren Vorratsbestand an Grundstücken im Umlaufvermögen auszuweisen hat.[9] Kann keine objektive Zuordnung zum Anlagevermögen nach dem Gliederungsschema vorgenommen werden, ist auf den subjektiven Willen des Bilanzierenden abzustellen, die Vermögensgegenstände dauernd zu nutzen.[10] Dieser subjektive Wille kann auch die anhand des Gliederungsschemas getroffene Zuordnung widerlegen, muss dann allerdings mittels weiterer Kriterien fundiert werden.

 

Rz. 7

Auch die Bilanzierung selbst kann bei nicht eindeutiger Zweckbestimmung des Vermögensgegenstandes Anhaltspunkte dafür liefern, ob Anlage- oder Umlaufvermögen vorliegt,[11] denn die Zuweisung zu einer dieser Kategorien lässt einen Rückschluss auf die Verwendungsabsicht des Bilanzierenden zu.

[4] Vgl. FG Berlin, Urteil v. 11.5.1976, IV 167/75, EFG 1977 S. 2. Vgl. Lüdenbach, PiR 2021, S. 363 ff.
[5] Vgl. Bertram, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 Rz. 25 f.
[6] Vgl. Zwirner, BC 2022, S. 151 ff.
[7] Vgl. Lüdenbach, StuB 2021, S. 859 ff., sowie bei IFRS Lüdenbach, PiR 2021, S. 332 ff.
[10] Vgl. Bertram, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 Rz. 39.

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