Tz. 38

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Während das Rahmenkonzept die Unternehmensfortführung unterstellt (CF.4.1), verpflichtet IAS 1 die Unternehmensleitung explizit zu einer Überprüfung dieser Tatsache (IAS 1.25). Grundsätzlich ist die Anwendung der going concern-Prämisse so lange gerechtfertigt, bis die Unternehmensleitung entweder beabsichtigt, das Unternehmen aufzulösen, das Geschäft einzustellen oder – aufgrund von rechtlichen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten – keine andere realistische Alternative hat, als so zu handeln (IAS 1.25). Bei der Einschätzung, ob die Annahme der Unternehmensfortführung angemessen ist, hat das Management alle verfügbaren Informationen über die Zukunft und insb. Faktoren, wie die derzeitige und zukünftige Profitabilität, Schuldentilgungspläne, die potenziellen Finanzierungsquellen etc. zu berücksichtigen. Dieser Prognosezeitraum umfasst mindestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag (IAS 1.26). Die Mindestbegrenzung beruht auf einer Übereinkunft mit der IFAC, um eine Übereinstimmung mit dem entsprechenden Prüfungsstandard dieser Organisation zu erzielen. Dieser Zeitraum stellt aber keine absolute Größe dar, sondern ist vielmehr von den Gegebenheiten eines jeden Sachverhalts abhängig. Ein längerer Prognosezeitraum kann insbesondere bei Unternehmen mit längeren Geschäftszyklen (zB im Großanlagenbau) in Betracht kommen. Der Umfang der Analyse hängt von der unternehmensspezifischen Situation ab, wobei mit Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage die Überprüfung der Prämisse der Unternehmensfortführung einen größeren Stellenwert einnehmen muss. Andererseits bedarf es bei (historisch) profitablen Unternehmen, bei denen keine Finanzierungsprobleme bestehen, keiner detaillierten Analysen, um dem Abschluss die Annahme der Unternehmensfortführung zugrunde legen zu können. In anderen Fällen kann es erforderlich sein, eine Vielzahl von Faktoren bzgl. der derzeitigen und erwarteten Profitabilität, Schuldentilgungszeitpunkten und möglichen (alternativen) Finanzierungsquellen zu berücksichtigen, um zur Einschätzung zu gelangen, dass die Annahme der Unternehmensfortführung angemessen ist (IAS 1.26).

 

Tz. 39

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Von der going concern-Prämisse ist nicht erst dann abzugehen, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder mit der Liquidation des Unternehmens begonnen wurde. Diese Verpflichtung besteht bereits dann, wenn die Absicht besteht oder die Notwendigkeit absehbar ist, den Geschäftsbetrieb einzustellen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt andererseits nicht zwangsläufig dazu, dass die going concern-Prämisse aufzugeben ist, etwa wenn eine Sanierung des Unternehmens und damit dessen Fortbestand hinreichend wahrscheinlich ist. Bei der Beurteilung, ob die going concern-Prämisse aufrechterhalten werden kann, müssen auch staatliche Fördermaßnahmen Berücksichtigung finden (umfassend zur bilanziellen Behandlung von Zuwendungen der öffentlichen Hand vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 20).

 

Tz. 40

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Bei der Entscheidung, ob von der going concern-Prämisse abzuweichen ist, ist es unerheblich, ob das auslösende Ereignis vor oder nach dem Bilanzstichtag eingetreten ist (IAS 10.14). Auch ist es unerheblich, ob es sich um ein wertbegründendes oder werterhellendes Ereignis handelt (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 10, Tz. 29). Da in diesem Falle Abschlüsse auf einer going concern-Basis keinen Informationswert für den Bilanzleser haben, stellt das Abgehen vom Grundsatz der Unternehmensfortführung weniger eine Bewertungsanpassung im Rahmen des bisher angewandten Bilanzierungskonzepts als vielmehr eine grundlegende Neuausrichtung in der Art der Bilanzierung und Bewertung dar (IAS 10.15). Ein Widerspruch zum im Rahmenkonzept (CF.4.1) und zum in IAS 1.27 niedergelegten Grundsatz der Periodenabgrenzung sowie zu IAS 10.10 besteht damit nicht (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 10, Tz. 27ff.).

 

Tz. 41

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Wird ein Abschluss nicht unter der Annahme der going concern-Prämisse erstellt, müssen gem. IAS 1.25 diese Tatsache, die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze (vgl. Tz. 42) sowie der Grund, warum von der Annahme der Unternehmensfortführung abgewichen wird, angegeben werden (vgl. auch CF.4.1). Eine Anhangangabe ist auch dann erforderlich, wenn zwar unter Zugrundelegung der going concern-Prämisse bilanziert wird, der Unternehmensleitung aber wesentliche Unsicherheiten im Hinblick auf bestimmte Ereignisse oder Umstände bekannt sind, die erhebliche Zweifel an der Unternehmensfortführung aufwerfen (IAS 1.25). In diesem Fall sind die wesentlichen Unsicherheiten anzugeben. Eine solche Angabe kann bspw. geboten sein, wenn die Unternehmensfortführung vom Zustandekommen von bestimmten Finanzierungsmaßnahmen (zB Sanierungsmaßnahmen der Gesellschafter oder der Prolongation von Krediten) abhängt. Das IFRS IC hat im Januar 2013 dem IASB infolge einer Eingabe an das IFRS IC empfohlen, IAS 1 im Hinblick darauf, wann die Angaben nach IAS 1.25 zu machen sind, z...

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