Tz. 142

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Nach IAS 37 sind neben rechtlichen Verpflichtungen (legal obligations) auch rein wirtschaftliche bzw. faktische Verpflichtungen (constructive obligations) am Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Voraussetzung für den Ansatz in der Bilanz ist, dass die gegenwärtige Verpflichtung (present obligation), die eine Vermögensbelastung darstellt, durch ein Ereignis in der Vergangenheit (past event) begründet ist. Ein solches verpflichtendes Ereignis (obligating event) ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen mit Eintreten des Ereignisses keine realistische Alternative zur Erfüllung der Verpflichtung hat (vgl. Förschle/Kroner/Heddäus, WPg 1999, S. 45).

 

Tz. 143

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung ist idR anhand von Verträgen, Gesetzen oder anderen rechtlichen Bestimmungen (IAS 37.14 (a)) nachweisbar. So entsteht bspw. bei einer Veräußerung des Geschäftsbereichs keine rechtliche Verpflichtung, bevor nicht ein bindender Kaufvertrag eingegangen wurde (IAS 37.78), da das Unternehmen bis zum Vertragsabschluss noch immer von einem Verkauf absehen könnte (vgl. Ernsting/von Keitz, DB 1998, S. 2480). Im Falle einer faktischen Verpflichtung muss das verpflichtende Ereignis bei Dritten die begründete Erwartung hervorrufen, dass sich das Unternehmen aufgrund einer sich in der Vergangenheit gefestigten Praxis, entsprechend einer verlautbarten Unternehmenspolitik oder einer hinreichend konkreten Erklärung verhalten wird (vgl. Ernsting/von Keitz, DB 1998, S. 2478; IAS 37.10 (a) und (b)). Derartige nicht auf rechtlichen Verpflichtungen basierende Vermögensbelastungen werden also durch eine Bindungswirkung objektiviert, dh., Dritte müssen mit der Erfüllung der Verpflichtung ernsthaft rechnen können (IAS 37.20). Bezogen auf den Restrukturierungsfall entsteht eine faktische Verpflichtung, wenn ein Unternehmen einen einzelnen, abgestimmten Plan zur Restrukturierung erstellt hat, und auf Seiten der von der Aufgabe Betroffenen (zB Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmer) die berechtigte Erwartung ausgelöst hat, dass das Unternehmen die Restrukturierung in den betreffenden Bereichen tatsächlich ausführen wird, weil es mit der Umsetzung des Plans begonnen hat (zB Beginn der Demontage eines Werkes, Benachrichtigung von Kunden über die Einstellung von Lieferungen) oder dessen wesentliche Punkte bekannt gegeben hat (IAS 37.72; vgl. Reither, in: FASB (Hrsg.), 2nd Edition, 1999, S. 408; die Bekanntgabe der betroffenen Mitarbeiterzahl und der Gesamtausgaben wird im Allgemeinen nicht ausreichen, vgl. Lennard/Thompson, 1995, S. 20, Tz. 4.2.20; vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 37, Tz. 86ff.). Der alleinige Beschluss des Managements bewirkt noch keine Bindung, bis er Dritten nicht vor dem Bilanzstichtag mitgeteilt wird und die hierauf aufbauende Erwartung der betroffenen Parteien weckt (IAS 37.20). Ist mit einer derartigen Entscheidung aber ein anderes früheres Ereignis verbunden, kann hieraus eine Verpflichtung resultieren, zB bei Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern über Geldleistungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen oder mit potenziellen Käufern über den Verkauf des Geschäftsbereichs, die einer endgültigen Genehmigung des Aufsichtsrats bedürfen (IAS 37.76). Wird eine solche Genehmigung erteilt, so ergibt sich ebenso eine Pflicht zur Bilanzierung einer Rückstellung, weil die Vertreter der Arbeitnehmer als Mitglieder dieses Organs unmittelbar informiert werden. Die interne Ankündigung des Plans löst demnach dann eine Verpflichtung auf Seiten des Unternehmens aus, wenn eine Bekanntgabe eines Stellenabbaus gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern oder dem Betriebsrat erfolgte und zugleich ein formeller Beschluss des Aufsichtsrats vorliegt (IAS 37.76 iVm. IAS 37.77). Ob die alleinige Ankündigung der Restrukturierung in einer Aufsichtsratssitzung, bei der die teilnehmenden Arbeitnehmervertreter erstmals von einem Plan erfahren, für die Bildung einer Rückstellung ausreicht, ist vom individuellen Fall abhängig (vgl. Böcking/Dietz/Kiefer, WPg 2001, S. 376). Der Zeitpunkt der Entstehung einer rechtlichen oder faktischen Verpflichtung wird nicht in jedem Falle mit dem die erstmalige Angabe auslösenden Ereignis, wie die Genehmigung eines Plans und aktive Käufersuche oder die bereits abgeschlossene Veräußerung (vgl. Tz. 111), zusammenfallen.

 

Tz. 144

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Wie oben bereits erwähnt, fallen unter die Definition der Restrukturierung nach IAS 37 (vgl. Tz. 140) bspw. die Veräußerung oder die Aufgabe eines Geschäftszweigs sowie die Stilllegung oder die Verlegung von Unternehmensstandorten (IAS 37.70). Die Beispiele machen deutlich, dass Restrukturierungen Verpflichtungen gegenüber Dritten (Außenverpflichtungen) verkörpern können, aber nicht müssen. In der Regel stellen sie Innenverpflichtungen (Verpflichtungen gegen sich selbst) dar (vgl. Moxter, BB 1999, S. 519). Für Restrukturierungen sind nach IAS/IFRS zwingend Rückstellungen zu bilden, unabhängig von ...

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