Tz. 140

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

In IAS 37 findet sich eine übergreifende, allgemeine Definition einer Aufgabe eines Geschäftsbereichs. Demnach liegt bei einer Aufgabe eines Geschäftsbereichs eine Restrukturierung vor (IAS 37.10). Der Umkehrschluss gilt allerdings nicht. Denn eine Restrukturierung ist nur dann eine Aufgabe eines Geschäftsbereichs, wenn die Definition einer discontinued operation erfüllt ist. Bei einer Restrukturierung handelt es sich um ein Vorhaben, das durch das Management geplant und kontrolliert wird, sowie wesentlich den Gegenstand oder die Art und Weise der Führung des Geschäftsbetriebs verändert (IAS 37.10). Viele Restrukturierungen sind jedoch weniger umfangreich als eine Aufgabe eines Geschäftsbereichs. So ist zum Beispiel die Stilllegung einer Einrichtung oder das Auslaufenlassen eines Produkts zwar eine Restrukturierung, aber keine discontinued operation. Vor diesem Hintergrund ist auch die Erstellung von Sanierungskonzepten und die damit verbundene etwaige Änderung bestehender Geschäftsfelder zu beurteilen (vgl. ausführlich IDW S 6). Unter die Definition Restrukturierung kann bspw. der Verkauf oder die Aufgabe eines Geschäftszweigs, die Stilllegung von Unternehmensstandorten in einem Land oder in einer Region oder die Verlegung von Unternehmenstätigkeiten, Veränderungen in der Managementstruktur (zB Auflösung einer Führungsebene) und grundlegende Reorganisationen, die einen wesentlichen Effekt auf die Art und den Tätigkeitsschwerpunkt des Unternehmens haben, fallen (IAS 37.70). Für Restrukturierungsmaßnahmen sind Rückstellungen zu passivieren (IAS 37.70–83). Als Folge der Aufgabe von Geschäftsbereichen ist aus diesem Grunde sorgfältig zu untersuchen, ob eventuell aufgrund der Vorschriften in IAS 37 eine Restrukturierungsrückstellung zu bilden ist.

 

Tz. 141

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Rückstellungen (provisions) sind Verpflichtungen, die hinsichtlich des Zeitpunkts des (Zahlungs-) Mittelabflusses und/oder ihrer Höhe ungewiss sind (IAS 37.10). Eine Rückstellung für Restrukturierungsaufwendungen wird nur erfasst, wenn die allgemeinen Kriterien für Rückstellungen in IAS 37.14 kumulativ erfüllt sind (zur Definition des Oberbegriffes Schuld ist eine grundlegende Übereinstimmung festzustellen, vgl. F.4.26–27). Eine Rückstellung ist zu bilden, wenn (IAS 37.14 iVm. IAS 37.71)

1) ein Unternehmen eine gegenwärtige Verpflichtung (rechtlich oder faktisch) aufgrund eines Ereignisses in der Vergangenheit hat,
2) es wahrscheinlich ist, dass ein (Zahlungs-)Mittelabfluss von wirtschaftlichen Ressourcen erforderlich ist, um die Verpflichtung zu begleichen und
3) eine zuverlässige Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist.

Diese Kriterien sollen im Folgenden näher konkretisiert werden. Neben den allgemeinen Kriterien zur Bilanzierung von Rückstellungen enthält IAS 37 besondere Regelungen zum Ansatz von Restrukturierungsrückstellungen (IAS 37.70–83).

a. Verbindlichkeitsbegriff

 

Tz. 142

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Nach IAS 37 sind neben rechtlichen Verpflichtungen (legal obligations) auch rein wirtschaftliche bzw. faktische Verpflichtungen (constructive obligations) am Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Voraussetzung für den Ansatz in der Bilanz ist, dass die gegenwärtige Verpflichtung (present obligation), die eine Vermögensbelastung darstellt, durch ein Ereignis in der Vergangenheit (past event) begründet ist. Ein solches verpflichtendes Ereignis (obligating event) ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen mit Eintreten des Ereignisses keine realistische Alternative zur Erfüllung der Verpflichtung hat (vgl. Förschle/Kroner/Heddäus, WPg 1999, S. 45).

 

Tz. 143

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung ist idR anhand von Verträgen, Gesetzen oder anderen rechtlichen Bestimmungen (IAS 37.14 (a)) nachweisbar. So entsteht bspw. bei einer Veräußerung des Geschäftsbereichs keine rechtliche Verpflichtung, bevor nicht ein bindender Kaufvertrag eingegangen wurde (IAS 37.78), da das Unternehmen bis zum Vertragsabschluss noch immer von einem Verkauf absehen könnte (vgl. Ernsting/von Keitz, DB 1998, S. 2480). Im Falle einer faktischen Verpflichtung muss das verpflichtende Ereignis bei Dritten die begründete Erwartung hervorrufen, dass sich das Unternehmen aufgrund einer sich in der Vergangenheit gefestigten Praxis, entsprechend einer verlautbarten Unternehmenspolitik oder einer hinreichend konkreten Erklärung verhalten wird (vgl. Ernsting/von Keitz, DB 1998, S. 2478; IAS 37.10 (a) und (b)). Derartige nicht auf rechtlichen Verpflichtungen basierende Vermögensbelastungen werden also durch eine Bindungswirkung objektiviert, dh., Dritte müssen mit der Erfüllung der Verpflichtung ernsthaft rechnen können (IAS 37.20). Bezogen auf den Restrukturierungsfall entsteht eine faktische Verpflichtung, wenn ein Unternehmen einen einzelnen, abgestimmten Plan zur Restrukturierung erstellt hat, und auf Seiten der von der Aufgabe Betroffenen (zB Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmer) die berechtigte Erwartung ausgelöst hat, dass...

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