Tz. 82

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Der IASB hat die Restrukturierungsmaßnahmen, für die die besonderen, konkreten Ansatzvorschriften gültig sind, allgemein und anhand von Beispielen erläutert (zur bilanziellen Behandlung von Restrukturierungsaufwendungen vgl. ausführlich Hain, 2000, S. 1ff.; Schiller, 2003, S. 117ff.; Psarski, 2004, S. 71ff.). Gemäß der allgemeinen Definition stellen Restrukturierungsmaßnahmen Programme dar, die von der Unternehmensleitung geplant und gesteuert werden und den Umfang oder die Art der Geschäftstätigkeit wesentlich verändern (IAS 37.10). Hierunter fallen gem. IAS 37.70 beispielhaft, dh. nicht abschließend, folgende Maßnahmen:

  • der Verkauf bzw. die Aufgabe eines Geschäftszweigs;
  • die Stilllegung von Standorten eines Landes bzw. einer Region oder die Verlegung von Geschäftsaktivitäten von einer Region in eine andere Region;
  • Änderungen in der Struktur der Unternehmensleitung (zB Auflösung einer Managementebene);
  • grundsätzliche Umorganisation mit wesentlichen Auswirkungen auf den Charakter und Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit.

In Konzernen kann "Unternehmensleitung" auch das zuständige Organ des Mutterunternehmens sein, wenn es bis zum Bilanzstichtag des Tochterunternehmens einen verbindlichen Beschluss zur Restrukturierung gefasst und diesen bei dem Tochterunternehmen auch durchsetzen kann (zB aufgrund eines Weisungsrechts gegenüber dem Tochterunternehmen, das in der Rechtsform einer GmbH organisiert ist (§ 37 Abs. 1 GmbHG), oder mit dem ein Beherrschungsvertrag besteht (§§ 291, 308 AktG) und nachweislich will.

 

Tz. 83

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Mit der Definition von Restrukturierungsmaßnahmen wird der Anwendungsbereich der speziellen Ansatzvorschriften grundsätzlich auf solche und ähnliche Maßnahmen begrenzt. Da gem. IAS 37.71 die speziellen Ansatzvorschriften eine Konkretisierung bzw. Anwendungshilfe der allgemeingültigen Ansatzvorschriften des IAS 37 darstellen, sind diese speziellen Ansatzvorschriften unter Rückgriff auf IAS 8.10f. grundsätzlich aber auch auf andere in IAS 37 geregelte Rückstellungsarten übertragbar. So sind gem. IAS 8.11 (a) nicht durch IASB-Regelungen hinreichend konkretisierte Bilanzierungsprobleme ua. durch analoge Anwendung von Vorschriften ähnlicher Sachverhalte zu lösen.

Der Anwendungsbereich der Bilanzierungsvorschriften für Restrukturierungsmaßnahmen wird darüber hinaus durch den allgemeinen übergeordneten Anwendungsbereich des IAS 37 begrenzt. Demnach ist IAS 37 grundsätzlich nicht auf solche Maßnahmen anwendbar, die durch einen anderen Standard geregelt sind. So sind zB Personalstrukturmaßnahmen, die Abfindungen an Arbeitnehmer beinhalten, durch IAS 19.159ff. und folglich grundsätzlich nicht durch IAS 37 geregelt. In IAS 19.165 wird für den Fall der Abfindungsleistungen im Zusammenhang mit Restrukturierungen indes auf IAS 37 verwiesen.

 

Tz. 84

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Wie bereits erwähnt, stellt der IASB in IAS 37.71 explizit dar, dass für Verpflichtungen aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen keine besonderen Ansatzvorschriften bestimmt wurden, die von den allgemeinen Vorschriften des IAS 37 abweichen. Vielmehr sind hier auch die allgemeinen Bilanzierungsvorschriften für Verpflichtungen einschlägig. Mit den besonderen Ausführungen zu Restrukturierungsmaßnahmen will der IASB verhindern, dass – wie in anderen Rechnungslegungssystemen zT der Fall – für Restrukturierungen spezielle, von den allgemeinen Vorschriften für Rückstellungen abweichende Bilanzierungsmethoden angewandt werden. Trotz dieser Absichtserklärung können die speziellen Vorschriften – wie noch zu zeigen sein wird (insb. vgl. Tz. 88) – im Einzelfall von den allgemeinen Ansatzvorschriften für Rückstellungen abweichenden Bilanzierungsmethoden führen. In jedem Fall wird durch diese speziellen Vorschriften für Restrukturierungsrückstellungen die Kasuistik im Regelwerk des IASB gefördert.

 

Tz. 85

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So besteht gem. IAS 37.72 eine passivierungspflichtige faktische Verpflichtung zur Restrukturierung, wenn folgende, im Vergleich zu den allgemeinen Ansatzvorschriften konkretisierte Kriterien kumulativ erfüllt sind:

  • Das Unternehmen hat einen detaillierten formalen Restrukturierungsplan aufgestellt, in dem zumindest folgende Angaben dargelegt sind:

    • der betroffene Geschäftsbereich oder Teil eines Geschäftsbereichs;
    • die wichtigsten betroffenen Standorte;
    • Funktionen und ungefähre Anzahl der Arbeitnehmer, die für die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung erhalten werden;
    • die entstehenden Ausgaben;
    • den Umsetzungszeitpunkt des Plans;
  • das Unternehmen hat bei den Betroffenen eine gerechtfertigte Erwartung geweckt, dass die Restrukturierungsmaßnahmen durch den Beginn der Umsetzung des Plans oder die Ankündigung seiner wesentlichen Bestandteile den Betroffenen gegenüber durchgeführt wird.
 

Tz. 86

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Mit den beiden Kriterien soll das Vorliegen einer gegenwärtigen faktischen Verpflichtung, deren Erfüllung sich ein Unternehmen nicht entziehen kann, k...

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