Tz. 54

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Beim Fehlen eines Standards oder einer Interpretation, der/die ausdrücklich auf einen Geschäftsvorfall oder sonstige Ereignisse oder Umstände zutrifft, hat das Management darüber zu entscheiden, welche Bilanzierungs- und Bewertungsmethode zu entwickeln und anzuwenden ist, die zu relevanten und verlässlichen Informationen führt (vgl. IAS 8.10). Hierbei hat das Management bei seiner Entscheidungsfindung in einem ersten Schritt Regelungen in anderen Standards und Interpretationen (vgl. hierzu Tz. 39 und 43) einzubeziehen, die ähnliche und verwandte Fragestellungen behandeln. Ist dies nicht gegeben, hat das Management in einem zweiten Schritt die im Rahmenkonzept enthaltenen Definitionen, Erfassungskriterien und Bewertungskonzepte für Vermögenswerte, Schulden, Erträge und Aufwendungen zu berücksichtigen. In einem dritten Schritt können die Verlautbarungen anderer Standardsetter, die ein ähnliches Rahmenkonzept für die Entwicklung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anwenden, sowie sonstige Fachliteratur und Branchenpraxis berücksichtigt werden. Voraussetzung ist indes, dass diese nicht im Widerspruch zum Rahmenkonzept oder Standards bzw. Interpretationen stehen (IAS 8.11f.).

aa. Relevanz und Verlässlichkeit

 

Tz. 55

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Relevanz und Verlässlichkeit sind in CF 2.6ff. definiert. Durch die Bezugnahme auf das Rahmenkonzept möchte der Standardsetter sicherstellen, dass vom Unternehmen in Ermangelung einer Regelung durch den Standardsetter selbst entwickelte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden auf demselben theoretischen Fundament basieren wie die von ihm verabschiedeten Standards und Interpretationen. Die Prinzipien erfahren durch ihre Auflistung in IAS 8.10 eine Aufwertung in Bezug auf ihren Verbindlichkeitscharakter bei der Entwicklung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, da Regelungen des Rahmenkonzepts grundsätzlich hinter die in Standards und Interpretationen enthaltenen Spezialregelungen zurücktreten (vgl. CF SP1.2 und vgl. Tz. 59).

 

Tz. 56

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Die Anforderungen an die Verlässlichkeit einer Bilanzierungs- und Bewertungsmethode wird in IAS 8.10b dahingehend konkretisiert, dass die im Rahmenkonzept dargestellten, die Verlässlichkeit ausfüllenden Prinzipien (zutreffende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Cashflows; Widerspiegelung des tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalts; Neutralitäts-, Vorsichts- und Vollständigkeitsprinzip) wiederholt werden. Auffallend ist hierbei, dass auf andere im Rahmenkonzept aufgeführten Grundprinzipien wie zB Verständlichkeit, Vergleichbarkeit, Zeitnähe, Wirtschaftlichkeit und Abwägung der qualitativen Anforderungen nicht verwiesen wird. Der Standardsetter wollte durch diese Wiederholung die besondere Bedeutung der in IAS 8.10 dargestellten Prinzipien bei der Entwicklung einer Bilanzierungs- und Bewertungsmethode hervorheben (glA Ruhnke/Nerlich, DB 2004, S. 392). Ohne diese Hervorhebung würden diese Prinzipien bei der vorgegebenen Normenhierarchie erst im Rahmen der Anwendung des Rahmenkonzepts gem. IAS 8.11b Berücksichtigung finden, was der Zielsetzung eines einheitlichen theoretischen Fundaments sämtlicher im Rahmen der Erstellung eines Abschlusses angewendeter Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zuwiderlaufen würde.

bb. Ähnliche und verwandte Fragestellungen in anderen Standards und Interpretationen

 

Tz. 57

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Das Management hat die Anforderungen (requirements) von IFRS zu berücksichtigen, die ähnliche oder verwandte Fragestellungen behandeln (IAS 8.11 (a)). Aufgrund des eindeutigen Wortlauts (shall refer to) ist das Management hierzu verpflichtet, wenn es zum Schluss kommt, dass diese Regelungen auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sind (and consider the applicability). Die Anforderungen umfassen sämtliche Elemente, die integraler Bestandteil eines Standards bzw. einer Interpretation sind, da auch nur diese in IAS 8.9 explizit erwähnt werden, nicht hingegen andere Elemente wie zB Illustrative Examples oder Basis for Conclusions (zu deren Verbindlichkeitsgrad vgl. Tz. 68). In IAS 8.9 und IAS 8.11 erfolgte im Rahmen des im Mai 2008 verabschiedeten Annual Improve­ment Project dahingehend eine Klarstellung, dass Leitlinien (guidance) nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie integraler Bestandteil der IFRS sind und als solche gekennzeichnet sind (vgl. IAS 8.BC15 und vgl. Tz. 39 und 43).

 

Tz. 58

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

In IAS 8 ist nicht geregelt, welche Maßstäbe an Ähnlichkeit oder Verwandtschaft von Fragestellungen zu legen sind. Eine Ähnlichkeit oder Verwandtschaft von Sachverhalten ist in den Fällen gegeben, in denen juristisch die Anwendung einer Regelung im Wege der Analogie möglich wäre. Dies ist dann möglich, wenn eine Regelungslücke besteht und die zugrunde liegenden Sachverhalte sich gleichen (so auch Ruhnke/Nerlich, DB 2004, S. 391). Das IFRS IC hat in einer Agenda Decision klargestellt, dass ein Unternehmen sämtliche Aspekte des IFRS zu berücksichtigen hat, den es bei der Entwicklung einer Bilanzierungs- und Bewertungsmethode im Wege der Analogie heran...

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