Péter-Horváth-Preis: Rückrufe in der Pharmabranche

Der Péter-Horváth-Preis 2016 ging an Dr. Andreas Aschenbrücker für seine Dissertation „Supply-Chain-Risikomanagement von Arzneimittelherstellern.“ Behandelt wird der Einfluss des Supply-Chain-Managements auf die spezifischen Risiken Arzneimittel-Lieferunfähigkeit und Arzneimittel-Rückruf.

Unternehmensrelevanz statt Elfenbeinturm

Wissenschaftlichen Abhandlungen wird häufig aus Praktikerkreisen der Vorwurf gemacht, zu theoretisch oder abstrakt und ohne greifbaren Nutzen für die Praxis zu sein. Der Péter Horváth-Dissertationspreis und insbesondere auch die dieses Jahr ausgezeichnete Arbeit stehen hingegen im Dienste der angewandten bzw. praktischen Richtung der Betriebswirtschaftslehre.

Arzneimittelskandale werden besonders beachtet

Ziel der Arbeit von Dr. Aschenbrücker am Institut für Technologie- und Prozessmanagement unter Prof. Mischa Seiter an der Universität Stuttgart ist es, einen Beitrag zur Verbesserung des Supply-Chain-Risikomanagements der Pharma-Supply-Chain zu leisten. Inhaltlich geht es um die Probleme der Lieferunfähigkeit und des Rückrufs der Arzneimittelbranche vor diesem Hintergrund:

  • Im Meinungsbild der Bevölkerung hat die verlässliche Lieferfähigkeit von Arzneimittel einen besonderen Stellenwert.
  • Rückrufaktionen als proaktive Maßnahmen von Unternehmen dienen der Abwendung von Personen- oder Sachschäden durch fehlerhafte Produkte.
  • Damit geht es um wesentliche ökonomische Steuerungsgrößen, wie insbesondere Reputation und Image, Kundenzufriedenheit, Verkaufserlöse, Mehrkosten etc.
  • Da Arzneien keine „normalen Produkte“ sind, bewegt sich die Arbeit nicht nur im ökonomischen Raum, sondern auch in einem gesellschaftlichen Kontext und damit in einem sensiblen Bereich.

Dabei suchte der Autor Antworten auf folgende Fragen:

  • Welche wirtschaftlichen Konsequenzen haben Arzneimittel-Lieferunfähigkeiten und Arzneimittel-Rückrufe für den Arzneimittelhersteller?
  • Welchen Einfluss auf den Eintritt von Arzneimittel-Lieferunfähigkeit und Arzneimittel-Rückrufen hat das Supply-Chain-Design des Arzneimittelherstellers?
  • Wie können die Einflussmöglichkeiten des Supply-Chain-Managements zur Verbesserung des Supply-Chain-Risikomanagements des Arzneimittelherstellers genutzt werden?

Inhaltlich und konzeptionell stehen im Fokus der Betrachtung:

  • Das Risikomanagement, d. h. der systematische und steuernde Umgang mit Risiken. Wie kann ein Risikomanagement in der Pharma-Supply Chain dazu beitragen, den Eintritt der beiden Risiken Lieferunfähigkeit und Rückrufe zu verhindern?
  • Das Supply Chain Management, d. h. der Aufbau und die Verwaltung integrierter Logistikketten (Material- und Informationsflüsse) über den gesamten Wertschöpfungsprozess. Welche Anforderungen sind an das Supply Chain-Management bzw. das Supply Chain-Design zu richten?

Dazu führt die Arbeit u. a. aus, es könne ein negativer Effekt von Arzneimittel-Rückrufen auf den Aktienkurs des Arzneimittelherstellers beobachtet werden. Im Falle einer Arzneimittel-Lieferunfähigkeit könne ein negativer Effekt nachgewiesen werden, wenn deren Ursache in Produktionsproblemen liege. Die Wahrscheinlichkeit einer Lieferunfähigkeit oder eines Rückrufs nehme ab, je höher die Supply Chain-Management-Kompetenz des Arzneimittelherstellers sei.

„Aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen adressiert!“

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Péter Horváth betonte in seiner Laudatio, die Arbeit von Andreas Aschenbrücker sei ein hervorragendes Beispiel, wie betriebswirtschaftliche Forschung aktuelle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen adressieren könne.

Prof. Dr. Mischa Seiter hob als Doktorvater hervor: „Die Arbeit von Andreas Aschenbrücker zeigt eindrucksvoll, wie man in Zeiten von Big-Data und Industrie 4.0 anwendungsorientierte betriebswirtschaftliche Wissenschaft mit Hilfe frei zugänglicher Datenquellen betreiben kann.“

Die Arbeit

  • ist der Anerkennung und Auszeichnung wert, wie die Jury befand;
  • greift das in vielfacher Hinsicht relevante und zudem sensible Thema der Medikamentenversorgung auf;
  • bezieht sich auf die Branche Arzneimittelhersteller, sie vermag aber auch Unternehmen in anderen Branchen Impulse zu geben;
  • ist eine wissenschaftliche Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde, aber in vielfältiger Weise auch für Praktiker interessant:
    a) aus der Systematik und Methodik des Vorgehens lässt sich lernen,
    b) die zahlreichen Handlungsempfehlungen sind unmittelbarer praxisrelevant. 

Hintergrund: Stifter, Kriterien und Dotation

Die Péter Horváth-Stiftung vergibt alljährlich einen Preis für eine hervorragende Dissertation auf dem Gebiet des Controllings. Die diesjährige Preisverleihung fand am 20. September 2016 im Rahmen des 30. Stuttgarter Controller-Forums im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt. Der Preis ist mit 25.000 EUR dotiert.

Ausgezeichnet werden von der Péter Horváth-Stiftung Dissertationen, die diese Kriterien erfüllen:

  • Anwendungsbezogen bzw. empirisch fundiert und
  • einen wissenschaftlichen Fortschritt des Controllings im Dienste der Praxis darstellen.
  • Deutsch- und englischsprachige Dissertationsschriften, die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz angenommen und
  • mindestens mit der Note ‚Magna cum laude‘ abschließend bewertet wurden.
  • Zudem darf der Abschluss des Promotionsverfahrens zum Zeitpunkt der Bewerbung nicht länger als 12 Monate zurückliegen.
  • Es müssen Nachweise vorliegen. Einzureichen sind jeweils in fünffacher Ausfertigung: Dissertationsschrift, Lebenslauf, Erst- und Zweitgutachten sowie Promotionsurkunde.

Buchhinweis

Aschenbrücker, Andreas: Supply-Chain-Risikomanagement von Arzneimittelherstellern: Der Einfluss des Supply-Chain-Managements auf die spezifischen Risiken Arzneimittel-Lieferunfähigkeit und Arzneimittel-Rückruf.

Inhaltliche Schwerpunkte:

  • Vermittlung des Standes der Forschung
  • Entwicklung eines theoretischen Untersuchungsmodells
  • Empirische Überprüfung des Untersuchungsmodells
  • Ergebnisse der empirischen Überprüfung
  • Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten

Baden-Baden: Nomos, 2016 – 306 Seiten, 69 EUR. Erschienen in der Reihe „Controlling Praxis“. ISBN 978-3-8487-3151-0 / eISBN 978-3-8452-7523-9.

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Unternehmenssteuerung