E.ON: Advanced Analytics & Künstliche Intelligenz

Globale Trends wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Digitalisierung sowie technologische Innovationen verändern das Geschäft rund um Energie grundlegend. Gleichzeitig wandeln sich die Bedürfnisse von Kunden und damit die Nachfrage nach innovativen Lösungen. Als Ergebnis dieser Entwicklungen hat das Energieunternehmen E.ON sein Geschäftsmodell weiterentwickelt. In der Folge haben sich auch die Anforderungen an die Bereiche im CFO-Ressort erheblich gewandelt.

Um die neuen Herausforderungen zu meistern, muss der CFO-Bereich transformiert werden

Mit dem Programm Digital@Finance entwickelt E.ON seine digitalen Fähigkeiten im CFO-Bereich weiter, um so die Chancen der Digitalisierung bestmöglich nutzen zu können. Dieses Programm ist in folgende Bereiche aufgeteilt:

  • Advanced Analytics und Künstliche Intelligenz
  • Management von Daten und Information
  • Visualisierung von Information aus Daten
  • Weiterentwicklung von digitalen Kompetenzen

Bernd Kälber, mit einem Hintergrund als Theoretischer Physiker, verantwortet in diesem Programm den Bereich Advanced Analytics und Künstliche Intelligenz. Insbesondere seine Erfahrungen mit Anwendungsfällen zu Time Series Analytics sowie Text Analytics zeigen, dass diese fortgeschrittenen Technologien einen Reifegrad erreicht haben, der sie für den Finanzbereich nutzbar macht. Das bedeutet, dass anhand dieser modernen digitalen Konzepte an betriebswirtschaftliche Fragestellungen auf völlig neue Art und Weise herangegangen werden kann und in der Folge damit auch neue und bessere Ergebnisse erzielt werden können.

Beispiel: Mit neuronalen Netzen nichtlineare Zusammenhänge abbilden

Neuronale Netze zum Beispiel ermöglichen es, hochgradig nichtlineare Zusammenhänge abzubilden, was mit eher klassischen Methoden wie Regressionsmodellen nicht möglich ist. Da mikro- und makrowirtschaftliche Zusammenhänge aufgrund ihrer Komplexität in der Realität zumeist nichtlinear sind, kann man anhand neuronaler Netze diese Abhängigkeiten jetzt erkennen und abbilden.

Voraussetzung dafür sind jedoch meistens große Mengen an Daten, da die Funktionalität von neuronalen Netzen und ähnlichen Methoden darauf basiert, zuvor anhand großer Datenmengen für den entsprechenden Anwendungszweck trainiert worden zu sein.

Unter anderem lassen sich vor allem Planung und Forecast mit diesen Ansätzen methodisch auf eine völlig neue Basis stellen. Diese sollte, da sie im Kern datengetrieben ist, objektivere und somit auch bessere Resultate liefern. Ganz oder teilweise lassen sich diese von Algorithmen übernommenen Aufgaben dann auch automatisieren.

Typische Anwendungen von Advanced Analytics und Künstlicher Intelligenz im CFO-Bereich

Die Einsatzmöglichkeiten von Advanced Analytics und KünstIicher Intelligenz im CFO-Bereich sind mittlerweile nicht nur auf ein paar einzelne Use Cases beschränkt. Folgender Auszug von Anwendungsfällen hat das Potential die Effizienz und Qualität in den entsprechenden Bereichen erheblich zu verbessern:

  • Finanzen: Vorhersage von Cashflow und Liquidität mit Advanced Analytics
  • Rechnungswesen: Automatisierung von transaktionalen Tätigkeiten durch Robotic Process Automation
  • Controlling: Modellbasierte Ergebnisplanung auf Basis interner und externer Daten
  • Steuern: Intelligente Texterkennung zur frühzeitigen Identifikation von relevanten Gesetzesänderungen
  • Risikomanagement: Identifikation von Counterparty Rating relevanten Informationen aus unstrukturierten Massendaten (u.a. Veröffentlichungen im Internet)

Innerhalb eines Monats hat Herr Kälber zusammen mit dem Steering Lab von Horváth & Partners eine Anwendung entwickelt, die es ermöglicht, die Struktur von Zeitreihen zu analysieren und darauf basierend Algorithmen vorzuschlagen, die eine Vorhersage ermöglichen.

Anhand eines Showcases wurde auf Basis historischer Cash Flow Daten und weiteren externen Daten, wie zum Beispiel Wirtschaftswachstum, dargestellt, wie aus einer Vielzahl von Algorithmen das Modell ausgewählt wird, welches die höchste Vorhersagegüte aufweist. Die Algorithmen reichen dabei von eher konservativen Ansätzen wie Trend-Saisonal-Dekomposition bis hin zu neuronalen Netzen und XGBoost, welches einen komplexen statistischen Ansatz auf Basis von zufälligen Entscheidungsbäumen darstellt. Die verwendeten neuronalen Netze wurden zuvor mithilfe von Massenzeitreihen derart trainiert, dass sie auch bei kleineren Datenmengen, wie historischen Quartalszahlen, valide Vorhersagen ermöglichen.

Konzernweite Einführung in der CFO-Organisation

Nachdem Mitarbeiter aus der CFO Organisation eine zweitägige Schulung zur Anwendung dieser Algorithmen und eine Einführung in die App erhalten haben, wurde diese konzernweit und international in der CFO Organisation von E.ON eingeführt. Die Mitarbeiter haben dadurch die Möglichkeit, diese hochgradig daten-getriebenen Vorhersagen für verschiedene Einsatzfälle zu testen und mit ihren „klassischen“ Ansätzen zu vergleichen. Weitere Funktionsbereiche außerhalb der CFO-Organisation, wie z.B. dem Einkauf, haben ebenfalls Interesse gezeigt, die Anwendung testen zu wollen.

Digitale Kompetenzen im CFO-Bereich – aber welche?

Der Aufbau dieser digitalen Kompetenzen im CFO-Bereich sollte möglichst zeitnah begonnen werden. Nur so ist sichergestellt, dass bei den sich aktuell schnell verändernden Anforderungen ein wesentlicher Effizienz- und Qualitätsgewinn gewährleistet werden kann. Innerhalb des CFO-Programms Digital@Finance bei E.ON hat sich gezeigt, dass folgende vier Ansätze berücksichtigt werden sollten:

  • Aufbau von fehlender und Weiterentwicklung bestehender digitaler Infrastruktur
  • Weiterentwicklung von Kompetenzen in mathematisch-statistischen Modellen
  • Erfahrung sammeln in der Anwendung von KI-Algorithmen im Rahmen von Use Cases
  • Dynamische und hoch verdichtete Visualisierung von Erkenntnissen aus Daten

Spezifische Rollen und Kompetenzen im Personal unerlässlich: Data Scientist und mathematisch-analytischer Manager

Das Potenzial der neuen Technologien kann nur dann annähernd ausgeschöpft werden, wenn man über die spezifischen Rollen und Kompetenzen im Unternehmen verfügt. Da ist zum einen der Data Scientist mit digitalem und technischem Expertenwissen und zum anderen der erfahrene kaufmännische Manager mit mathematisch-analytischem Hintergrund. Dieser Managertyp sollte in der Lage sein die Relevanz für konkrete Einsatzzwecke im CFO Bereich richtig einschätzen zu können. Die Aufgabe des Managements als Brücke zwischen hochkomplexer Technologie und unternehmerischen Anforderungen zu agieren, ist für die erfolgreiche Umsetzung entsprechender Projekte erfolgskritisch. Jedoch ist die dafür nötige spezifische Kombination an Fähigkeiten und Erfahrungen aktuell auch besonders schwer zu finden.

Aufbau von personellen und technischen Fähigkeiten unerlässlich

Der sukzessive Aufbau all dieser personellen und technischen Fähigkeiten schafft mittel- und langfristig Verständnis und Akzeptanz in die neuen digitalen Möglichkeiten und stärkt gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Derart aufgestellt kann der CFO-Bereich flexibel auf dynamische Entwicklungen reagieren und gleichzeitig in eine deutlich weiterentwickelte und damit auch erfolgreichere Steuerungsfunktion transformiert werden.

Paul Resch