RPA und Machine Learning bei BASF und SCHOTT

Wie gelingt die Digitalisierung der Finanzfunktion? Und welche digitalen Technologien führen zum Erfolg? BASF und SCHOTT haben bereits die Grundlagen geschaffen, um die Digitalisierung umzusetzen. Welche Prozessaktivitäten sich für Automation eignen und wie digitale Projekte umgesetzt werden können, zeigen die Beispiele von RPA-Prototypen und Artificial-Intelligence-Cases.

Vision „Finance 2025“: Die Digitalisierung der Finanzfunktion

Im Rahmen des Arbeitskreises „Digital Finance“ der Schmalenbachgesellschaft wurde das Zielbild Finance 2025 definiert: Hier geht es den Mitgliedern des Arbeitskreises um die Digitalisierung der Finanzfunktion zur Schaffung eines Mehrwerts im Unternehmen; dies mit digitalen Technologien wie Mobile, Automation (RPA, AI), Analytics, In-memory uvm.

BASF und SCHOTT gehören zu dem Arbeitskreis „Digital Finance“, der 2006 in St. Gallen gegründet wurde und mittlerweile 19 Industriepartner einschließt, welche sich regelmäßig zu digitalen Technologien austauschen. Hierbei geht es primär darum, gemeinsam digitale Projekte voranzutreiben und vom Austausch zu profitieren. Weshalb sich diese beiden Unternehmen auch zur gemeinsamen Vorstellung durch Lüthje W. Brandt (Head of Global Technology Unit - Global Shared Services Organization von BASF Services Europe GmbH) und Oliver Stritzel (Digital Innovation Specialist der SCHOTT AG) ihrer Digitalisierungsthemen entschieden haben.

Von der Vision zum „Konzept Finance 2025“

Für Finance 2025 wurde ein Konzept entwickelt, welches die Vision Finance 2025 in konkrete Handlungsfelder strukturiert:

  1. Strategie – Was wollen wir erreichen?
  2. Organisation – Wie wollen wir es erreichen?
  3. Informationssysteme – Mit welchen Mitteln wollen wir die Vision erreichen?

Innerhalb der Informationssysteme hat man sich auf drei digitale Technologien festgelegt:

  1. Automation
  2. Predictive Analytics
  3. Digital Enterprise Plattform

Ein weiterer und besonders wichtiger Aspekt in dem Konzept, betont Oliver Stritzel, seien die Menschen. Diese müssten mitgenommen werden, damit digitale Entwicklungen auch gelebt werden.

Zur Umsetzung der Vision „Finance 2025“ basieren die Ideen des Arbeitskreises auf einem weiteren fundamentalen Framework: die Digital Finance Roadmap. Hier werden die wesentlichen Digitalisierungsprojekte anhand der Fokusbereichen People & Culture, Process Efficiency, Better Insight, Business Orientation und Data Governance & Compliance auf einer Zeitachse bis 2025 eingeordnet.

Umsetzung der Vision: Digital Finance Roadmap

Die praktische Umsetzung der Digital Finance Roadmap bei der BASF wurde anschließend von Lüthje W. Brandt dargelegt. Er erzählt, dass die Definition einer Digital Finance Roadmap als strukturgebendes Element für BASF elementar gewesen sei. Mit ihrer Hilfe wurde das Zielbild in Meilensteine konkretisiert, um den Weg zur Vision zu ebnen.

RPA: Robotics Prototypen mit Mitarbeitern erarbeiten

BASF und SCHOTT konzentrieren sich derzeit stark auf die digitale Technologie der Automation. Im Fokus liegt dabei Robotic Process Automation, kurz RPA. Unter RPA versteht man die Automatisierung von Geschäftsprozessen durch programmierte Software-Roboter. Die menschliche Handlung wird hierbei durch einen Roboter ersetzt.

Doch wie gelingt die Programmierung von Robotern? Und wie werden diese erfolgreich in den operativen Geschäftsalltag integriert und angenommen?

Ohne externe Berater, sondern lediglich mit einem begleitenden Coach, so berichtet der Digital Innovation Specialist der SCHOTT AG, wurden eigens Robotics Skripte erstellt und sich so die Theorie während des Projektes selbst angeeignet. In einem Zeitraum von zwölf Wochen sammelte ein Team, bestehend aus vier bis sechs Mitgliedern, Ideen für Automatisierung, bewerten Prozesse auf ihre Eignung auf Robotisierung und programmieren anschließend RPA-Prototypen. Dabei steht ein Coach bei Fragestellungen stets zur Seite, „geskriptet“ werde aber selbst. Dieses Projektvorgehen stellt nicht nur schnelle Erfolge sicher, sondern unterstützt auch beim Auf- und Ausbau digitaler Kompetenzen im Unternehmen.

Cases für Robotics: 6 Kriterien müssen erfüllt sein

Nicht jeder Geschäftsprozess lässt sich automatisieren. Eine Reihe von Kriterien muss erfüllt sein, damit ein Prozess als guter RPA-Case dienen kann. Bei SCHOTT werden diese anhand der folgenden sechs Merkmale evaluiert:

  1. Der Prozess sollte regelbasiert und einen hohen Wiederholungsgrad aufweisen sowie
  2. durch einen hohen Standardisierungsgrad gekennzeichnet sein,
  3. ebenfalls sollte der Prozess einen gewissen Digitalisierungsgrad aufzeigen sowie
  4. eine hohe Anzahl manuell ausgeführter Prozessschritte umfassen, außerdem
  5. muss das Risiko und die Kundenzufriedenheit, die mit einem Prozess einhergehen, berücksichtigt werden und
  6. der Prozess sollte eine geringe Eliminierungswahrscheinlichkeit haben

Beispiele für RPA-Prototypen

Folgende Beispiele zeigen, wie RPA Prototypen bei SCHOTT erfolgreich umgesetzt wurden.

  1. Automatisierung des Solvency Checks
    Für den „Solvency Check“ musste der tägliche Zahlungsbetrag mit dem Bankguthaben verglichen und der verantwortlichen Person für die Freigabe gesendet werden. Dieser Prozess, der zuvor zehn Minuten in Anspruch nahm, konnte auf 30 Sekunden verkürzt werden, in dem der Roboter selbstständig den Zahlungsbetrag und das Bankguthaben aus SAP zieht, aus einer Liste die verantwortliche Person ausfindig macht und die Daten als Email-Anhang aufbereitet dem Verantwortlichen zusendet.
  2. Hochladen von Wechselkursen im Intranet
    Ein weiterer Prototyp illustriert, wie Wechselkurse aus SAP automatisiert in das SCHOTT Intranet geladen werden können. Der zuvor 15- minütige Vorgang konnte auf eine Minute und 30 Sekunden verkürzt werden. Da dieser Vorgang in einer schwierigen Umgebung (das SCHOTT Intranet) besonders viele „Klicks“ benötigte, war dieser Prototyp einer der kompliziertesten in seiner Programmierung

Weitergedacht mit künstlicher Intelligenz: Beispiele zu Machine Learning

Neben RPA wird auch künstliche Intelligenz bei BASF eingesetzt, um Prozesse zu automatisieren und die Prozessdauer zu reduzieren. Dabei kommt Machine Learning zum Einsatz. Machine Learning ist ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, bei der das System auf Basis von Datenbeständen und Algorithmen Muster erkennt und eigenständig Lösungen entwickelt. Zwei Beispiele illustrieren, welche Rolle Machine Learning spielen kann:

  1. Auslesevorgang von offenen Bestellungen
    Stammdaten und offene Bestellungen wurden zuvor in das System inkludiert, so dass beim automatischen Scannen eines Dokumentes die Maschine im Hintergrund mitarbeitet und gleichzeitig lernt, welche Bestellungen zu welchen Rechnungsdokumenten zuzuordnen sind.
  2. Virtual Assistent
    Ein weiteres Beispiel für Machine Learning ist der Virtual Assistant, welcher Schritt für Schritt den (ungeübten) Nutzer durch einen systembasierten Vorgang steuert. Hierbei profitiert man nicht nur von der Verkürzung der Prozessdauer, sondern erzeugt auch eine deutliche Verbesserung der Datenqualität.

Lessons learned: Mitarbeiter miteinbeziehen

„Gute RPA-Cases kommen nicht vom reinem Skripter, diese kommen von den Prozessexperten, denn die wissen wie ein Prozess funktioniert und welche Potenziale er aufweist“, so Oliver Stritzel. Die Nutzer von Robotics sind das Entscheidende. Sie müssen sich abgeholt fühlen und die Roboter bedienen können. Nur wenn sie in Entwicklungsprozesse mit einbezogen werden, könne dies gelingen. Auch Lüthje Brandt bestätigt: Change Management ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren, denn gerade das Ausrollen der digitalen Themen beansprucht Zeit. „Wenn die Entwicklung eines Prototypen 12 Wochen dauert, dann dauert die Implementierung 12 Monate“. Die Erfahrung zeige, dass das Involvieren der Mitarbeiter und die Schaffung von Transparenz Begeisterung für Digitalisierung schüre und funktionsübergreifende Teams sowie die Vielfältigkeit der Mitarbeiter die digitale Transformation voranbringen.